müllverbrennungsanlage Spittelau
Die von Friedensreich Hundertwasser gestaltete Müllverbrennungsanlage in Wien-Spittelau.
© Wien Energie/Ludwig Schedl

Der Stellenwert thermischer Abfallverwertung

Die geplante Umsetzung des EU-Kreislaufwirtschaftspakets hat zu einer Fokussierung von Politik und Öffentlichkeit auf das Thema Recycling von Abfällen geführt. Auch die damit verbundenen geplanten Maßnahmen zur Erreichung der Recyclingziele sind von großem Interesse.

Wirft man einen Blick auf die Behandlung von Siedlungsabfällen in der EU, erkennt man am Beispiel von Deutschland und Österreich, dass hohe Recyclingraten und thermische Abfallverwertung kein Widerspruch sind. Man sieht aber auch, dass viele Mitgliedsstaaten erheblichen Aufholbedarf haben und die intensive Diskussion zur Steigerung der Recyclingquoten zum Anlass nehmen könnten, die thermische Abfallbehandlung wieder einmal links liegen zu lassen.

Abfallbehandlung in Europa
Behandlung von Siedlungsabfällen in den EU-28-Mitgliedstaaten im Jahr 2018. Quelle: EUROSTAT 2019 

Dies hat der ÖWAV-Arbeitsausschuss „Thermische Behandlung“ zum Anlass genommen, den Stellenwert und die künftige Bedeutung der thermischen Verwertung in einer modernen Recyclingwirtschaft in Europa einer genaueren Bewertung zu unterziehen.

Das Expertenpapier möchte den erfolgreichen österreichischen Weg aufzeigen: Österreich sieht die thermische Abfallbehandlung als einen integralen Baustein einer erfolgreichen Abfallwirtschaft, die im Zusammenwirken mit letzten Senken unverzichtbar ist, um Schadstoffe aus neuen Stoffkreisläufen fernzuhalten.

Zum Stand der Abfallverbrennung in Österreich

Im Jahr 1963 ging die erste österreichische Abfallverbrennungsanlage in Betrieb, heute werden in elf Abfallverbrennungs- und 51 Mitverbrennungsanlagen rund 40 Prozent der Siedlungsabfälle thermisch verwertet. Trotz des hohen Stellenwerts der thermischen Abfallverwertung werden rund 60 Prozent der Siedlungsabfälle dem Recycling zugeführt. Im europäischen Vergleich ist Österreich damit einer der Spitzenreiter beim Recycling und bei der thermischen Verwertung.

Seit Ende der 80er-Jahre bestehen für die thermische Verwertung von Abfällen in Österreich strenge und genau definierte gesetzliche Vorgaben. Mit der Abfallverbrennung-Sammelverordnung (BGBl. II Nr. 389/2002) wurden die Regelungen der europäischen Abfallverbrennungsrichtlinie (RL 2000/76/EK) in österreichisches Recht umgesetzt, wobei zum Teil striktere Vorschriften für Luftemissionen festgelegt wurden, die eingehalten und zum Teil deutlich unterschritten werden. Folglich zeichnen diese Anlagen auch nur für einen äußerst kleinen Teil der nationalen Luftemissionen verantwortlich. Mitverbrennungsanlagen haben zusätzlich Inputgrenzwerte für Ersatzbrennstoffe einzuhalten.

Die Anlagenbetreiber müssen den zuständigen Behörden jährliche Emissionsmeldungen übermitteln, die das Umweltministerium alljährlich in Berichtsform veröffentlicht. Zahlreiche Betreiber von Abfall(mit)verbrennungsanlagen stellen darüber hinaus auf ihren Webseiten Echtzeitmessungen ihrer Emissionen zur Verfügung, die von der Öffentlichkeit jederzeit eingesehen werden können.

Die in Österreich jahrzehntelang eingesetzte, verlässliche Technik in Kombination mit strengen Grenzwerten und einer offenen Information der Bevölkerung haben zu einer breiten Akzeptanz der thermischen Verwertung von Abfällen geführt.

Notwendigkeit der thermischen Abfallverwertung

Die getrennte Sammlung und Verwertung (Recycling) von Altstoffen und biogenen Abfällen sowie die effiziente thermische Verwertung von nicht recyclingfähigen Abfällen sind unverzichtbare Eckpfeiler einer modernen Recyclinggesellschaft. Auch bei einer gut ausgebauten getrennten Sammlung und der Erreichung hoher Recyclingquoten fallen am Ende bzw. während des Recyclingprozesses noch immer Abfallfraktionen (z. B. Haus- und Gewerbeabfall sowie Reststoffe) an, die für das Recycling nicht geeignet sind bzw. diesem nicht zugeführt werden dürfen.

Abfallverbrennungs- und Mitverbrennungsanlagen behandeln diese nicht recyclingfähigen Abfälle nach dem modernsten Stand der Technik.

Recyclingraten
Quelle: ÖWAV-ExpertInnenpapier  

Zusätzlich ermöglichen Abfallverbrennungsanlagen eine Ausschleusung nicht verwertbarer Rest- und Schadstoffe aus der Kreislaufwirtschaft und deren sichere Ablagerung auf Deponien. Bei der Mitverbrennung (z. B. in der Zementindustrie) werden im Zuge der Co-Processing-Technologie Brennstoffe nicht nur thermisch, sondern gleichzeitig auch stofflich verwertet.

Was bringen Abfallverbrennungsanlagen?

Darüber hinaus leisten Abfallverbrennungs- und Mitverbrennungsanlagen in einer modernen und nachhaltigen Abfallwirtschaft folgende wesentliche Beiträge zum Schutz von Mensch, Umwelt und Klima:

  • Hygienisierung und Inertisierung der Abfälle
  • Gesicherte Behandlung gefährlicher und nicht rezyklierbarer Abfälle
  • Zerstörung organischer Schadstoffe einschließlich persistenter organischer Verbindungen (POP)
  • Reduktion des Abfallvolumens um mehr als 90 Prozent
  • Reduktion der Abfallmasse um mehr als 75 Prozent
  • Rückgewinnung von Wertstoffen aus den Verbrennungsrückständen (z. B. Metalle, Glas, Phosphor und Gips)
  • Beitrag zum Klimaschutz durch Vermeidung treibhauswirksamer Gase (z. B. Methan aus Deponien)
  • Beitrag zu den EU-Zielen für erneuerbare Energie (Substitution fossiler Energieträger) und Energieeffizienz (Versorgungssicherheit und Importunabhängigkeit)

Fazit und Forderungen zur Abfallverwertung

Um eine umweltgerechte Kreislaufwirtschaft unter Einhaltung der vorgegebenen Recyclingquoten zu erreichen, ist die Umsetzung folgender Punkte unabdingbar:

  • Die energetische Verwertung ist ein integraler Bestandteil der Kreislaufwirtschaft und leistet einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz. Dieser Beitrag bedarf einer entsprechenden Anerkennung durch die Anrechnung auf die erneuerbaren Energieziele.
  • Die hochwertige Verwertung von Verbrennungsrückständen oder deren Bestandteilen (neben Metallen auch Glas, saubere mineralische Reststoffe und Co-Processing in der Zementindustrie) ist ökologisch sinnvoll und daher auf die EU-Recyclingquoten für Siedlungsabfälle anzurechnen.
  • Die Deponierung von Abfällen mit relevantem organischem Gehalt belastet das Klima, den Boden, die Gewässer sowie nicht zuletzt die menschliche Gesundheit und führt zu hohen volkswirtschaftlichen Folgekosten. Daher dürfen die Fristen für das europaweite „Deponierungsverbot“ für diese Abfälle nicht weiter verlängert werden. Die Änderungen der Deponie-Richtlinie (2018/850) vom 30. Mai 2018 sind umzusetzen und der Verbrauch von Deponievolumen ist EU-weit nachhaltig zu reduzieren.
  • Um die Ziele der Deponie-Richtlinie fristgerecht zu erreichen, müssen europaweit rechtzeitig Maßnahmen für den Ausbau der thermischen Verwertung gesetzt werden.

Die politische Anerkennung und Unterstützung der energetischen Verwertung würde im Einklang mit den Zielen des EU-Kreislaufwirtschaftspakets zu einem Innovationsschub in Europa führen. Sowohl im Bereich der Aufbereitung/Sortierung, der Verbrennungstechnologie und Rauchgasreinigung als auch der Aufbereitung und dem Recycling von Verbrennungsrückständen besteht hohes Innovationspotenzial. Diese Entwicklungen schaffen Arbeitsplätze und machen Europa zu einem Vorreiter im Bereich der Umwelttechnik.

Damit stellt die thermische Verwertung einen integrierten Bestandteil einer hoch entwickelten Abfallwirtschaft dar und leistet einen wesentlichen und ökologisch nachhaltigen Beitrag in Hinblick auf das Kreislaufwirtschaftspaket.

Das Zusammenwirken aller Akteure der Abfallwirtschaft und insbesondere der große Beitrag, den die Gemeinden in Österreich leisten, ist ein Vorzeigebeispiel für nachhaltige Kreislaufwirtschaft in Europa. Darauf können wir berechtigt stolz sein und das sind gute Voraussetzungen, um auch die kommenden Herausforderungen erfolgreich zu meistern.