Karoline Turnschek
Karoline Turnschek: „„Man muss sich große Ziele setzen und eine Vision des gro-ßen Ganzen haben, um dann Stück für Stück darauf hinarbeiten zu können.“
© Gemeinde Weissensee

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Bürgermeisterin im Paradies

Bereits in der ersten Ausgabe von „9 Plätze –9 Schätze“ wurde der Weissensee zum schönsten Platz Kärntens gewählt. Seit gut einem Jahr leitet Karoline Turnschek die Geschicke der gleichnamigen Naturpark-Gemeinde.

Karoline Turnschek ist gelernte Touristikkauffrau und hat bis vor zwei Jahren ein Hotel geleitet. Als dieses den Besitzer wechselte, „hat sich für mich die Möglichkeit und auch das Zeitfenster aufgetan, dass ich den Schritt in die Politik wage“, erzählt die 41-Jährige. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, fragte sie sich, stellte sich bald darauf der Wahl und ist nun seit März 2021 Bürgermeisterin der Kärntner Gemeinde Weissensee.

Die Kommune besteht aus fünf Ortschaften rund um den gleichnamigen See. Der Hauptort Techendorf verfügt über die meisten Einrichtungen und die zentrale Infrastruktur. Hier verläuft die Weissenseebrücke über den See und hier befindet sich auch das Gemeindeamt.

See der Superlative

Bis auf das kurze Ostufer, das zur Nachbargemeinde Stockenboi gehört, umschließt das Gemeindegebiet den gesamten See. Dank dieses Umstands konnte bereits Ende der 1960er-Jahre eine Ringkanalisation rund um den See errichtet werden, um ein Einleiten von Hausabwässern in den See zu verhindern – und der Weissensee kann seitdem ein paar Superlative mehr für sich verbuchen.

Er ist nicht nur mit 930 Meter Seehöhe der höchstgelegene, sondern auch der reinste Badesee der Alpen („mit Trinkwasserqualität“, wie Turnschek anmerkt) sowie jener mit den größten Sichtweiten und -tiefen, wie der Kärntner Seenbericht bescheinigt – zur Freude zahlreicher Taucher.

Blick auf den Weissensee
Er ist 11,6 km lang und 6,5 km² groß: Der Weissensee bildet das Zentrum der gleichnamigen Gemeinde und ist fast vollständig von ihr umschlossen. Foto: NLW / Stabentheiner 

Mit dem Irrglauben, dass der See auch einer der kältesten ist, räumt Turnschek hingegen auf: „Badesee heißt natürlich, dass man auch darin baden kann. Im Sommer erreicht das Wasser Temperaturen bis 26°C.“

Der Weissensee ist nicht nur Namensgeber und identitätsstiftend für die Gemeinde. Er ist auch in wirtschaftlicher Hinsicht ihr Schatzkästchen.  „Wir stehen mittlerweile bei einer knappen halben Million Nächtigungen pro Jahr – bei 770 Einwohnern wohlgemerkt. Der Tourismus ist unser größter Wirtschaftszweig. Es sind eigentlich alle direkt oder indirekt mit dem Tourismus verbunden“, erklärt die ehemalige Hotelleiterin. Betrieb herrscht nahezu das ganze Jahr: „Die Wintersaison ist kurz und knackig. Sie geht von Mitte Dezember bis in  die erste Märzwoche und die Sommersaison läuft von Anfang Mai bis Ende Oktober.“ Rund zwei Drittel der Gäste kommen im Sommer, ein Drittel im Winter.

Größter Natur-Eislaufplatz Europas

Berühmt ist der See dafür, dass er jeden Winter verlässlich zufriert und dadurch zum größten Natur-Eislaufplatz Europas mutiert. Das zieht insbesondere eislaufbegeisterte Niederländer an, die auf den Weissensee ausweichen, nachdem die Grachten und andere Wasserflächen in ihrer Heimat, mutmaßlich aufgrund des Klimawandels, zunehmend seltener tragfähiges Eis bilden beziehungsweise überhaupt nicht mehr zufrieren.

Eisschnelläufer am Weissensee
≥ 200-km-Rennen: Die „Alternative Elfstedentocht“ lockt jeden Jänner Tausende Niederländer an den Weissensee. Foto: timsimaging / Neeke-Smit

Sogar die in den Niederlanden sehr bedeutende Elfstedentocht, ein Eislauf-Langstreckenrennen durch elf Städte, bekam in Weissensee ein Pendant. Bereits seit 1989 wird in Kärnten die „Alternative Elfstedentocht“ ausgetragen, im Unterschied zum Original allerdings zuverlässig jedes Jahr. Das ist berechenbar und lässt die Gäste gerne wiederkommen.

Bis zu 300.000 Quadratmeter Eisfläche werden Jahr für Jahr präpariert. Bis zu 6.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen bei Großevents sind üblich. Die möglichen Sportarten im Winter und noch mehr im Sommer sind zahlreich: „Wir haben die Vielfalt, im Sommer wie im Winter – und das alles vor der Haustüre.“ 

Auf dem Weg zur nachhaltigste Region Österreichs

Turnschek weiß um das naturgegebene Kapital der Gemeinde bestens Bescheid – doch nicht nur sie. Das Bewusstsein für die landschaftliche Schönheit und den Erhalt der Natur als existenzielle Notwendigkeit ist in der Bevölkerung traditionell hoch. Die Region wurde 2006 zum Naturpark erklärt und Weissensee gehört zu den wenigen Gemeinden in Österreich, die auf die höchste Auszeichnung des e5-Programms für energieeffiziente Gemeinden verweisen können.

„Wir haben den europäischen Preis für Tourismus und Umwelt erhalten und sind Klima- und Energie-Modellregion geworden. Gemeinsam als Region Nassfeld-Lesachtal-Weissensee sind wir auf dem Weg, die nachhaltigste Region Österreichs, vielleicht sogar Europas zu werden.“

Diese Ambitionen passen zum Stellenwert, den die Natur für die Bevölkerung besitzt. Und letztlich weiß man auch: „Wenn wir unseren Lebensraum lebenswert gestalten, dann wirkt sich das auch positiv auf den Tourismus aus.“ Naheliegend, dass ihre Aufgabe als Bürgermeisterin für Turnschek darin besteht, „die Gemeinde Weissensee in ihrer Schönheit und ihrer Einzigartigkeit zu erhalten und trotzdem eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der Enkeltauglichkeit für die Betriebe zuzulassen. Das ist die Challenge!“  

Wiederhochfahren nach der Pandemie

Herausforderungen hat die Bürgermeisterin im ersten Jahr ihrer Amtszeit mehrfach aufgenommen – doch keine Auseinandersetzungen im Gemeinderat etwa, denn „die Arbeit dort ist effektiv. Aufgrund dessen, dass wir so eine kleine Gemeinde sind, mit nur elf Gemeinderäten, und wir letztendlich alle die gleichen Ziele haben, ist die Gemeinderatsarbeit wirklich sehr harmonisch, angenehm, lösungsorientiert und konstruktiv.“

Die Herausforderungen bestanden vielmehr darin, anstehende Aufgaben anzugehen. Etwa die großflächige Sanierung von Wasserleitungen und des Kanalnetzes. „Das ist eine Riesenbaustelle, die aber dringend notwendig war. Erfreulicherweise sollte sie termingerecht fertig werden.“

Oder das Hochfahren nach der Pandemie. „Der Lockdown im Winter hat uns komplett erwischt. Wir waren von November bis Ende Mai, also knappe sieben Monate, zugesperrt. Letztendlich haben wir als Gemeinde das „Wiederhochfahren“ dank dem Zutun der Betriebe gut gemeistert. Gott sei Dank!“, erinnert sich Turnschek an ihren Beginn als Ortschefin mitten in der Pandemie. „Es gibt sicher leichtere Zeitpunkte, um so ein Amt zu übernehmen, aber Herausforderungen sind dazu da, um sie anzunehmen.“

Besucherströme lenken

Mit dieser Einstellung wandte sich Turnschek auch der Verkehrssituation zu: „Wir sind wie ein lang gezogenes Straßendorf mit bewohnten und erschlossenen Ortschaften auf zwei Seeseiten. Am Ende des Sees befindet sich zum Glück nur eine Sackgasse. Der Entschluss gegen eine Durchzugsstraße war ein Meilenstein und die Grundlage dafür, dass es bei uns am See heute so ist, wie es ist. Wir haben ein ,Eventproblem‘, vor allem in der ­Hauptsaison, wenn viele Tagestouristen kommen. Wir arbeiten daher an einem Verkehrskonzept zur Besucherstromlenkung in Verbindung mit einer Mobilitätsdatenanalyse. Wir haben letztes Jahr die Parkgebührenverordnung und das Park­management neu sortiert sowie eine Park & Ride-Anlage in Praditz, draußen vor dem Ortseingang, geschaffen, die als Auffangparkplatz fungiert und bei der das Ticket für den Naturparkbus inklusive ist. Mit dem kommt man wirklich zu allen Orten. Gäste von Premium-Partnerbetrieben benützen zudem auch die Linienschiffe kostenlos. Wir sind dabei, das Eventproblem in den Griff zu bekommen und eine vollumfängliche Lösung zu finden“, zeigt sich Turnschek zuversichtlich.

Weissensee
Der Natur­parkbus verkehrt rund um den See. Das Ticket dafür ist beim Park & Ride-Angebot bereits inkludiert. Foto: NLW/ DietmarDenger

Die Pläne für die Gemeinde

Was die Gemeinde abseits der Verkehrsthematik beschäftigt, weiß Turnschek nur zu gut, denn sie hat sich gewissenhaft auf das Amt vorbereitet: „Ich habe vorab das Gemeinderecht studiert und die öffentlich einsehbaren Gemeinderatsprotokolle gelesen, viel mit den Altbürgermeistern, dem inneren Dienst und dem Tourismusverband gesprochen, um einen Einblick zu bekommen und bestmöglich informiert zu sein.“

Bald errichtet der Naturpark auf dem Buchbichl, einem mit Buchen bewaldeten Naturdenkmal, einen schattigen Natur-Waldspielplatz. Und als Mitglied der „Alpine Pearls“ hat Weissensee gerade eine neue strategische Ausrichtung in Bezug auf den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit beschlossen.

Gemeindeamt in Techendorf
≤ Das Gemeindeamt im „Hauptort“ Techendorf ist die neue Wirkungsstätte von Karoline Turnschek. Foto: Johann Jaritz CC BY-SA 3.0 at

„Man muss sich große Ziele setzen und eine Vision des großen Ganzen haben, um dann Stück für Stück darauf hinarbeiten zu können“, beschreibt Turnschek ihre Herangehensweise.

Und ihre Einstellung? „Mir ist wichtig, dass man offen ist und dass man jeden Tag dazulernen will und kann. Wenn man merkt, man ist der klügste Mensch im Raum, sollte man den Raum verlassen.“ Bleibt der Bürgermeisterin zu wünschen, was sie sich selbst wünscht: „Niemals die Motivation, die Freude und die Begeisterung zu verlieren.“

Zur Person

Karoline Turnschek

Alter: 41
Gemeinde: Weissensee  
Einwohnerzahl: 771  (2021)
Bürgermeisterin seit: März 2021
Partei: ÖVP