Baustelle von Einfamilienhäusern
Bei jeder Flächenwidmung entscheidet das Land mit.
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Bürgermeister wehren sich gegen Schuldzuweisungen

14. September 2021
Im Vorfeld des Österreichischen Gemeindetages in Tulln skizzierten Spitzenvertreter des Gemeindebundes die aktuellen Themen und Anliegen der Kommunen. Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl präsentierte gemeinsam mit den Präsidenten Rupert Dworak (Verband sozialdemokratischer GemeindevertreterInnen in NÖ) und Johannes Pressl (NÖ Gemeindebund) ein Positionspapier zum Bodenverbrauch.

In den letzten Wochen und Monaten habe sich die Diskussion zum Thema Raumordnung und Flächenwidmung in eine Richtung entwickelt, die aus kommunaler Sicht nicht verständlich sei, meinte Riedl. Argumentiert werde, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister würden willkürlich Entscheidungen treffen, bzw. seien mit dieser Aufgabe überfordert.

Dabei werde aber vergessen, dass es in allen Bundesländern Raumordnungsgesetze gibt, die einen klaren Rahmen vorgeben. Bei jeder Flächenwidmung entscheidet das Land mit.

„Politikerinnen und Politiker, die wenig Ahnung von der Kommunalpolitik haben, kritisieren immer wieder die Bürgermeister, so als ob sie alleine schuld am hohen Bodenverbrauch wären. Ich frage mich: Wer, wenn nicht die lokale Gemeinschaft soll entscheiden, wo und ob etwas gebaut werden soll? Es wäre ein Anschlag auf die Gemeindeautonomie, wenn die Schreibtischbürokraten in Wien über die Gestaltung des Dorfes im ländlichen Raum entscheiden würden. Das werden wir niemals akzeptieren“, erläutert Riedl das Positionspapier des Gemeindebund-Bundesvorstandes.

Die Positionen des Gemeindebundes

Die Raumordnungs- und Flächenwidmungskompetenz ist und bleibt hoheitliches Recht der Gemeinden.

Im Rahmen der Selbstverwaltung besorgen die Gemeinden in enger Abstimmung mit den Raumordnungsabteilungen der Länder auch weiterhin die Entwicklung des gemeinsamen Lebensraumes. Die Gemeinschaft und der Gemeinderat vor Ort haben auch in Zukunft – nach klaren gesetzlichen Vorgaben – die Entscheidungshoheit, wie und wo sich die Gemeinde weiterentwickeln soll.

Die Gemeinden bekennen sich dazu, mit Grund und Boden behutsam im Sinne ihrer Bürgerinnen und Bürger umzugehen.

Wenngleich immer wieder verschiedene Zahlen in den Medien kolportiert werden und die Rede davon ist, dass täglich mehr als 11,5 Hektar Fläche „zubetoniert werden“, ist allen Gemeinden bewusst, dass mit dem Grund und Boden behutsam umgegangen werden muss.

Der Gemeindebund fordert vom Landes- und Bundesgesetzgeber sinnvolle und geeignete Instrumente, um Brachflächen, Leerstände und ungenutztes Bauland zu mobilisieren.

Anstatt strikte Obergrenzen zur Flächeninanspruchnahme in Gesetzen festzulegen, sollten den Gemeinden zunächst sinnvolle und geeignete Instrumente eines aktiven Flächenmanagements in die Hand gegeben werden (z. B.  rechtssichere Vertragsraumordnung, Vorkaufsrechte für Gemeinden, eine Reform der Grundsteuer usw.)

Der Gemeindebund fordert den Bund auf, für ein einheitliches Datenmaterial im Zusammenhang mit dem Flächenverbrauch zu sorgen.

Immer wieder kursieren unterschiedliche Zahlen und Daten bezüglich der täglich „tatsächlich“ verbrauchten Flächen. Dabei fehlt es an genauen Daten. 

Pressl Riedl Dworak
Die Präsidenten und Bürgermeister Johannes Pressl (NÖ Gemeindebund), Alfred Riedl (Österreichischer Gemeindebund) und Rupert Dworak (Verband sozialdemokratischer GemeindevertreterInnen in NÖ).

Reform der Pflege gefordert

Eine weitere große Herausforderung für die Gemeinden ist die Pflegereform. „Die österreichischen Gemeinden sind wichtige Partner im Pflegesystem. Wir zahlen mehr als eine Milliarde Euro jährlich für die Pflege über Umlagen und direkte Finanzierungen, wie etwa für die Senioren- und Pflegeheime. Auch bei organisatorischen Fragen sind die Gemeinden täglich gefragt, vor allem als Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger. Seit Jahren wird diskutiert, jetzt muss endlich eine Lösung auf den Tisch“, erklärt Gemeindebund-Vizepräsident und NÖ-GVV-Präsident Bürgermeister Rupert Dworak.

Aus Sicht des Gemeindebundes braucht es die Reformen besonders in den Bereichen steigender Personalbedarf, Attraktivierung des Pflegeberufes, Bürokratieabbau, bessere soziale Absicherung und Entlastung für pflegende Angehörige und finanzielle Absicherung des Systems.

Handlungsbedarf bei Breitband

Der neue NÖ-Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Johannes Pressl ging auf ein weiteres drängendes Thema der Gemeinden ein, die Digitalisierung: „Die Corona-Pandemie hat die Probleme und Lücken im Breitbandnetz schonungslos aufgezeigt. Spätestens jetzt ist auch allen politischen Akteuren klar geworden, dass Handlungsbedarf besteht. Und da ist der Bund jetzt endlich unserer jahrelangen Forderung nach einem flächendeckenden Netz auch in den ländlichen Regionen nachgekommen. 1,4 Milliarden Euro sollen ab Anfang 2022 dafür fließen. Das muss jetzt unbürokratisch und einfach gehen, damit wir auch wirklich den Glasfaserturbo in den Gemeinden zünden können“, fordert Pressl.

Und auch bei der digitalen Verwaltung sieht er noch Handlungsbedarf. „Der Grüne Pass hat zwar die Anträge zur Handy-Signatur auf aktuell 2,6 Millionen deutlich steigen lassen, aber die Handysignatur braucht zukünftig jeder Bürger, damit wir auch auf kommunaler Ebene Amtswege digital entwickeln und anbieten können“, so Pressl.