Im konkreten Fall ging es um eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe, die einem Ehepaar vorgeschrieben wurde.
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Bescheide an mehrere Personen

Für die Finanzierung der Gemeinden sind die Gemeindeabgaben ein wesentlicher Faktor. Wesentliche Bestandteile der kommunalen Infrastruktur (Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallwirtschaft etc.) werden über Gebühren finanziert. Eine wesentliche Voraussetzung, dass das Geld auch „hereinkommt“, ist eine ordnungsgemäße Vorschreibung der Gemeindeabgaben.





Die Vorschreibung einer Abgabe erfolgt im Normalfall durch einen schriftlichen Bescheid. Nur wenn es gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist, ist ein Bescheid nicht notwendig und erfolgt die Festsetzung der Abgabe durch Selbstbemessung (z.B. die Hundeabgabe gemäß § 6 Abs. 1 NÖ Hundeabgabegesetz).

Wirksamkeit durch Bekanntgabe



Abgabenbescheide werden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung (wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist).



Bei mehreren Abgabepflichtigen in einem Abgabenverfahren bedeutet dies, dass der Bescheid jedem Abgabepflichtigen zuzustellen ist, damit er ihm gegenüber auch wirksam wird. Die Abgabenbehörde hat aber auch die Möglichkeit, mit einer einzigen Bescheidausfertigung die Zustellung an alle Abgabepflichtigen zu bewirken:

Die Zustellfiktion nach § 101 BAO



Ist ein Bescheid an mehrere Personen gerichtet, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden oder die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind, und haben diese der Abgabenbehörde keinen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten bekanntgegeben, so gilt mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an eine dieser Personen die Zustellung an alle als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.



Die Abgabebehörde kann sich damit die Zustellung von Bescheiden an alle Mitschuldner „sparen“, wenn sie in den Bescheid einen Hinweis auf § 101 BAO bzw. die Rechtsfolgen aufnimmt. Entscheidend ist aber, dass die Adressaten im Bescheid namentlich angeführt sind, damit sich die Rechtswirkung auch auf sie erstrecken kann.

Ein Fall aus der Praxis



Mit Bescheid des Bürgermeisters wurde Herrn und Frau M., im Bescheid adressiert mit „Herr M. und Mitbesitzer“, eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe wegen Zu- und Umbauten auf einer in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft vorgeschrieben. Der Bescheid wurde nur an Herrn M. zugestellt.



Auf die dagegen eingebrachte Berufung erging daraufhin eine Berufungsentscheidung des Gemeinderates (wieder adressiert an „Herr M. und Mitbesitzer“), in welcher der Gemeinderat nur die Höhe der Ergänzungsabgabe herabsetzte, ansonsten die Berufung jedoch als unbegründet abwies. Auch dieser Bescheid wurde nur Herrn M. zugestellt. Gegen diese Entscheidung erhoben Herr und Frau M. Vorstellung, welche inhaltlich abgewiesen wurde.



Über die dagegen erhobene Beschwerde entschied der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 21.07.1995, 92/17/0270) wie folgt:



Wenngleich die belangte Behörde die Vorstellung von Frau M. nicht zurückgewiesen, sondern inhaltlich erledigt hat, erwies sich die Beschwerde der Frau M. als unzulässig.



Die von den Gemeindebehörden gewählte Bescheidfassung und Zustellung an Herrn M. konnte keine wirksame Zustellung an Frau M. bewirken, weil der Bescheidadressat aus dem Bescheid zumindest erkennbar sein muss. Die Verwendung der Beifügungen „und Mtb.“ bzw. „und Mitbesitzer“ lässt jedoch nicht erkennen, gegenüber welchen anderen Adressaten als Herrn M. die Behörden (allenfalls im Sinne § 101 Abs. 1 BAO durch Zustellung eines einzigen Bescheides an einen der Verpflichteten) den Bescheid erlassen wollten. § 101 Abs. 1 BAO setzt voraus, dass die Erledigung an mehrere Personen gerichtet ist, was deren Nennung im normativen Teil des Bescheides voraussetzt.



Im Ergebnis wurde der Bescheid über die Ergänzungsabgabe gegenüber Frau M. gar nicht erlassen und konnte somit für sie keine Rechtswirkung entfalten. Sie war bis dahin gar nicht verpflichtet, die Ergänzungsabgabe zu entrichten. Die Vorstellung der Frau M. wäre von der belangten Behörde zurückzuweisen gewesen, da kein an Frau M. gerichteter Bescheid der Gemeindebehörde letzter Instanz vorlag.



Durch die inhaltliche Erledigung ihrer Vorstellung an Stelle der Zurückweisung konnte Frau M. aber in keinem Recht verletzt sein, weil es ihr gegenüber an der Möglichkeit einer Rechtsverletzung fehlt. Ihre Beschwerde war daher mangels Legitimation zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Zusammenfassung



Die Wirkung eines Abgabenbescheides tritt nur beim kumulativen Vorliegen folgender Voraussetzungen ein:


  1. der Bescheid muss (alle!) seine Adressaten namentlich bezeichnen;

  2. der Bescheid muss seinem jeweiligen Adressaten zugestellt sein oder kraft Zustellfiktion ihm gegenüber als zugestellt gelten (Hinweis auf § 101 Abs. 1 BAO und die darin normierte Rechtsfolge).

  3. Das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen steht der Wirksamkeit einer behördlichen Erledigung als Bescheid entgegen. Von der Zustellfiktion des § 101 Abs. 1 BAO kann die Behörde Gebrauch machen, sie muss dies aber nicht (vgl. VwGH 20.12.2012, 2010/15/0029). Bescheide können wirksam auch dadurch erlassen werden, dass sie sämtlichen Adressaten zugestellt werden.