Außenansicht von modernem Kindergarten

Neubau des Kindergarten Muntlix

28. Mai 2015
Die Vorarlberger Gemeinde Zwischenwasser errichtete im Hauptortsteil Muntlix einen dreigruppigen Kindergarten in Passivhausqualität aus einheimischen Holz nach neuesten energietechnischen Kriterien. Zusätzlich wurde eine Photovoltaikanlage mit 35 kWp montiert. Dadurch ist das Kindergartengebäude ein Plus-Energiehaus. Mit viel Bürgerbeteiligung und unter Mithilfe der Asylwerber wurde der Stampflehmboden bei diesem Projekt eingebracht. Das Projekt wurde für den IMPULS Gemeindeinnovationspreis in der Kategorie "Baukultur" nominiert.

Der Kindergarten Muntlix war lange Jahre im Obergeschoss des Gemeindeamtes untergebracht. Die Räumlichkeiten wurden jedoch zu klein, waren längst nicht mehr zeitgemäß und dringend sanierungsbedürftig. So wurde der Beschluss für einen Neubau eines dreigruppigen Kindergartens auf dem benachbarten, gemeindeeigenen Grundstück gefasst.



Aufbauend auf einer Entwicklungsstudie des Dorfzentrums wurde im Sommer 2011 ein Architektenwettbewerb ausgelobt, der (von der Jury einstimmig beschlossen) vom Büro HEIN architekten aus Bregenz gewonnen wurde. Neben den funktionalen und wirtschaftlichen Kriterien erfüllte das Siegerprojekt  auch die hohen Ansprüche an die Energieeffizienz, Ressourcenschonung und Bauökologie, die wir als e5- und Baukultur-Gemeinde an uns und unsere Auftragnehmer stellen.



Es war uns wichtig, nicht nur den Heizenergiebedarf nieder zu halten, sondern das Projekt ganzheitlich und über den Lebenszyklus (inkl. Bau und grauer Energie der Materialien) zu betrachten und zu optimieren. So wurde beispielsweise beschlossen, ausschließlich gemeindeeigenes Konstruktionsholz zu verbauen. Um auch die Leimbinder aus eigenem Holz produzieren zu können, wurde eigens eine Leimbewilligung für einen Kleinbetrieb erwirkt.



Im Zuge des gemeinsamen Planungsprozesses entstand die Idee, die Böden des Hauses aus dem Aushubmaterial - also Lehm - anzufertigen und auf einen Estrich zu verzichten. Um die Kosten für diesen arbeitsintensiven Prozess erschwinglich zu halten, haben freiwillige Helfer/innen aus der Gemeinde durch ihre Hilfsarbeit die Spezialisten rund um den Lehmbauer Martin Rauch  unterstützt.



Um das kompakt geschnittene neue Haus optimal nutzen zu können, war es wichtig, die Einrichtung (Tischlerarbeiten) funktional auf die Nutzung des Hauses anzupassen. Die Planung erfolgte in enger Zusammenarbeit zwischen Kindergartenleitung und Architekturbüro. Alle Wünsche und Anregungen wurden berücksichtigt und zu einem stimmigen Ganzen zusammengeführt.



Nach Abschluss der Bauarbeiten wurde eine Luftgütemessung der Innenräume durchgeführt. Das Ergebnis bestätigte uns, dass keine giftigen Materialien verbaut wurden und sich der Aufwand für die laufende, strenge Kontrolle durch die eigens eingerichtete ökologische Bauleitung gelohnt hat.



Für die Gemeinde hat sich aus dem gesamten Prozess ein vorher nicht abschätzbarer Mehrwert ergeben. Neben den unterschiedlichen und beeindruckenden Kennzahlen die das Haus aufweist, vermag unser neuer Kindergarten aber vor allem eines: Er schafft eine positive Atmosphäre und ein "Sichdaheimfühlen" für die Kinder und Pädagoginnen.

Projekterläuterungen 



Städtebauliche Idee

Die Fidelisgasse bildet das unmittelbare Ortszentrum der Gemeinde Muntlix. An ihr sind die wichtigsten Kommunalbauten(Gemeindeamt, Jugendhaus, Pfarrhaus, Schulen, Kirche) – einer Perlenkette ähnlich – aufgefädelt. Der Neubau des Kindergartens fügt sich städtebaulich in diese Situation ein. Durch seine zur Straße bzw. den Nachbargebäuden zurückversetzte Position entsteht einVorplatz, der eine straßenübergreifend abwechselnde Platzfolge vom Gemeindesaal biszur Kirche vervollständigt. Der pavillonartige Baukörper orientiert sich gleichsam in alleRichtungen und liegt wie ein Kleeblatt im großen, zentralen Grün.



Architektonischer Ansatz

Oberstes Ziel war es ein wirtschaftliches und energetisch optimiertes Gebäude zu planen, das trotz der notwendigen Kompaktheit ein hohes Maß an räumlicher Spannung, Flexibilität und Erlebniswert durch abwechslungsreiche Raumfolgen bzw. Sichtachsen bietet. Die vorgelagerten Loggien verzahnen das Haus mit dem umliegenden Grün und schaffen überdachte Übergangszonen zwischen Innen- und Außenraum. Die Orientierung der Gruppenräume in jeweils zwei Himmelsrichtungen, sowie die Sichtbeziehungen zueinander lassen sowohl nach Außen als auch im Innenbereich spannende Blickverbindungen entstehen. Die Anordnung der beiden einläufigen Treppen bringt auf einfache Art und Weise einen funktionalen Mehrwert (eigener Gartenzugang OG, eigener UG Zugang und Bereich für externe Nutzung, eigener UG Bereich für Kindergarten).



Konstruktion, Materialkonzept

Das Materialkonzept unterstützt das Ziel ein auf möglichst vielfältige Weise nachhaltiges Gebäude zu realisieren. Das Konstruktionsholz (Fichte) stammt aus dem gemeindeeigenen Wald. Sogar die BSH Elemente wurden (nach Erwirkung einer Leimgenehmigung) aus eigenem Holz hergestellt. Das Oberflächenholz (Weißtanne) stammt ebenfalls aus der Region. Der Stampflehmboden wurde aus Teilen des Aushubmaterials gefertigt. Um den hohen Arbeitsaufwand der dafür notwendig war im Budget unterbringen zu können, erbrachten Helfer/innen (Bürger/innen und Asylwerber/innen) freiwillige Hilfsdienste.

Die verwendeten Materialien ermöglichten es ein Maximum an lokalen Ressourcen zu nutzen und auf große Transportwege zu verzichten.



Haustechnik, Klimakonzept

Aufgrund des Ergebnisses einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung wurde darauf verzichtet den neuen Kindergarten an das bestehende Biomasse-Fernwärmenetz anzuschließen. Die geringe benötigte Heizenergie wird stattdessen über eine Erdwärmepumpe erzeugt. Eine Lüftungsanlage mit effizienter Wärmerückgewinnung sorgt für eine gleichbleibend hohe Luftqualität und minimiert gleichzeitig die Lüftungswärmeverluste. Der 9cm starke Stampflehmboden versorgt den Holzbau mit wertvoller Speichermasse. Die verlegte Fußbodenheizung kann im Sommer über ein Free Cooling System (Soleleitung unter Bodenplatte) auch zur dezenten Kühlung der Räume verwendet werden. In den Nasszellen sind wassersparende Armaturen eingesetzt. Eine großflächige PV-Anlage auf dem Dach mit Smart Grit Vernetzung erzeugte bereits im ersten Betriebsjahr (trotz noch nicht optimierter Gebäudetechnikeinstellungen) einen Überschuss von 14.500 kWh.



Innovation, Beitrag zur Entwicklung der Nachhaltigkeit

Das Projekt konnte in dieser Tiefe nur durch eine ambitionierte und gemeinsame Herangehensweise aller beteiligter Personen und Institutionen, insbesondere aber der Bauherrschaft realisiert werden. Ein Hauptanliegen war es Nachhaltigkeit im Bauen auf möglichst vielschichtige Art und Weise zu betrachten und dieses Thema den Anforderungen an die architektonischen und wirtschaftlichen Ziele gleichzustellen. Die kurze Planungs- und Bauzeit, die erzielte Akzeptanz sowie die unterdurchschnittlichen Errichtungskosten verleihen dem Ergebnis zusätzliche Stärke und geben Grund zur Hoffnung, dass das Projekt einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung des nachhaltigen Bauens leistet und auch andernorts zum Weiterdenken motiviert.