Alte und neue Fehler

Im Wesentlichen ist der Finanzausgleich seit Jahrzehnten unverändert und es gibt wohl kaum jemanden, der das anders sieht. Aber ist er deswegen schlecht?

Betrachtet man die Sache österreichweit, blickt man also nicht auf die Ertragsanteile-Entwicklung der einzelnen Gemeinden, dann lautet die Antwort nein. Der Grund liegt durchaus auch darin, dass der Bund in der Vergangenheit immer wieder zu Kompromissen bereit war, es wird sich zeigen, wie sehr dies auch beim FAG 2017 der Fall ist. Unabhängig davon wird der Bund jedoch seinen Teil der gesamtstaatlichen Verantwortung im Zusammenhang mit dem 2016 zu erwartenden enormen Anstieg im Bereich der Mindestsicherung (Flüchtlinge), den Herausforderungen im Pflegebereich (geburtenstarke Jahrgänge kommen ins „Pflegeheimalter“) und den Abwanderungs- und strukturschwachen Regionen (Dotierung eines Strukturfonds) wahrnehmen müssen.

Auf dem Prüfstein des VfGH



Der Finanzausgleich wird politisch zwischen Bund, Ländern und Gemeindebünden vereinbart. Dieses sogenannte Paktum, das formell als Finanzausgleichsgesetz (FAG) im Nationalrat beschlossen wird, wird vom Verfassungsgerichtshof grundsätzlich als sachgerechtes Gesamtergebnis angesehen. Nichts desto trotz fanden sich im FAG auch immer wieder Verteilungsmechanismen und Regelungen, die nicht verfassungskonform waren, wie etwa Teile des Getränkesteuerausgleichs (aufgrund des Bezugs auf Werte aus den 1990er Jahren). Zumindest mit einem Auge blickt der VfGH auch auf veraltete Regelungen wie etwa den Werbesteuerausgleich oder auch die Einheitswerte, auf denen die im FAG als gemeindeeigene Abgabe verankerte Grundsteuer seit 1973 beruht.



Fragwürdige Regelungen: Daneben gibt es eine Reihe von Regelungen im Finanzausgleich, die zwar im Sinne des Paktums wohl nicht unbedingt von Verfassungswidrigkeit bedroht sind, doch aufgrund eines gesunden Rechtsempfindens keinen Platz im FAG haben dürften. Hier ist etwa das Verteilungskriterium Firmensitz von Kapitalgesellschaften zu nennen, das dafür sorgt, dass bei der Berechnung der landesweisen Gemeindeertragsanteile ein jährlicher dreistelliger Millionenbetrag in die Bundeshauptstadt fließt, obwohl die zugrundeliegenden Dividendenausschüttungen der Unternehmen längst nicht in diesem Ausmaß in Wien erwirtschaftet wurden.



Zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel (aBS), der Gemeinden bis 20.000 Einwohner deutlich benachteiligt, hat Prof. Lehner (WiFo) bereits 2003 in einer Studie dargelegt, dass dieser bei nicht einmal einem Viertel der Ausgaben gerechtfertigt ist (allenfalls in Bereichen wie etwa Gesundheit und Soziales), da in vielen Bereichen die Kosten je Einwohner bei steigender Gemeindegröße sinken. Diese Kosten-Degression (nach Bereithalten der meist nötigen Mindestkapazität sinken die Ausgaben pro Kopf mit steigender Einwohnerzahl) wurde zwar noch nicht bei uns, jedoch zuletzt beim Südtiroler Finanzausgleich berücksichtigt. Ebenfalls nicht im aktuellen Finanzausgleich berücksichtigt wird die Kostenremanenz. Ganz im Gegenteil. Obwohl die Kosten bleiben, verlieren Gemeinden Ertragsanteile und vielfach erhöht sich auch die Pro-Kopf-Finanzkraft und damit die Umlagen. Zu hinterfragen ist auch die Definition der Finanzkraft im FAG, die in weiterer Folge häufig zur Berechnung der Umlagen auf Landesebene herangezogen wird. Diese Definition berücksichtigt zwar zur Gänze die von finanzschwachen Gemeinden bezogenen Kopf-Quoten-Ausgleichsmittel des Bundes, aber nicht einmal ansatzweise die vollständigen Einnahmen an Kommunal- und Grundsteuer. Als weiteres Beispiel für fragwürdige Regelungen im bestehenden Finanzausgleich stellt sich die erhöhte Mittelzuteilung an die Statutarstädte dar. Hier werden die Gemeindeertragsanteile jedes Jahr um zig Millionen Euro vermindert, um Aufgaben der Länder zu erfüllen.

Höhere Ausgaben, höhere Ertragsanteile?



Wie bereits im Frühherbst berichtet, wurde eine Diskussion und Festlegung der kommunalen Pflichtaufgaben von Bundesseite abgelehnt - zu tief sitzt wohl noch das Scheitern des Österreich-Konvents vor knapp elf Jahren. Die Frage, was ist Pflicht (Basisaufgaben wären über den Finanzausgleich zu finanzieren) und was ist freiwillige und damit eigentlich selbst zu finanzierende Leistung (z. B. Freizeit-, Sport- und kulturelle Einrichtungen, nicht ausreichend nutzerfinanzierte Verkehrsmittel, Gemeindebauten etc.) spielt also keine Rolle. Die vor allem von Bundes- und Rechnungshofseite gewünschte aufgabenorientierte Mittelzuteilung könnte sich also insbesondere darum drehen, was in der Vergangenheit ausgegeben wurde, ohne entsprechenden Blick auf Normkosten, Ermessenausgaben, nicht genutzte Einsparungspotenziale und verschleppte Reformen, Größenvorteile oder auch Ko-Finanzierungen und Infrastrukturbereitstellungen von Bund und Ländern abseits des Finanzausgleichs. In welchen konkreten neuen Verteilungsschlüsseln (Indikatoren) sich diese Ausgabensituation widerspiegeln soll, wird derzeit bundesintern diskutiert. Aus kommunaler Sicht wären dies neben anderen jedenfalls einmal die Altersstruktur (Kinderbetreuung, Schulen, Pflege), die Nächtigungszahl (Tourismus), die Fläche und Einwohnerdichte (Leitungsnetze) und auch die Straßenkilometer.



Ein anderer Ansatz zur Berechnung aufgabenorientierter Verteilungsschlüssel wäre, die (bzw. Teile der) aktuellen Einnahmen aus dem Finanzausgleich heranzuziehen. Falls diese Einnahmen aber nicht nur Ertragsanteile, sondern auch Transfereinnahmen wie etwa BZ-Mittel etc. beinhalten sollen, dann sollten die Transfers umfassend erhoben werden. Denn häufig beklagen sich einwohnerstarke Gemeinden über ihre geringeren Pro-Kopf-BZ-Mittel, die sie im Vergleich zu kleineren erhalten, jedoch weniger über die umfangreichen Transferzahlungen von Bund und Ländern für größere (Einzel-)Projekte im Infrastruktur-, Freizeit-, Sport- oder Kulturbereich. Zum Thema Transfers ist weiters anzumerken, dass aus Bundes-Sicht auch diese Ströme vereinfacht (saldiert) werden sollen.

Abschaffen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels denkbar



Aktuell gibt es keine konkreten Hinweise darauf, in welchem Umfang der Bund neue aufgabenorientierte Schlüssel bei den Gemeindeertragsanteilen einsetzen möchte. Grundsätzlich ist auch ein völliges Abschaffen des aBS denkbar, wobei dann darauf geachtet werden muss, dass die Gemeinden unter 20.000 Einwohner und darunter vor allem auch die struktur- und finanzschwachen durch die neuen Verteilungskriterien nicht noch stärker benachteiligt werden. Sehr wichtig wird auch sein, dass der Übergang in ein neues FAG-Regime stetig und ohne Härtefälle erfolgt und sich die Finanzausgleichspartner darüber im Klaren sind, dass sich die Mittelzuteilung künftig dynamischer als beim Einwohnerschlüssel ändern könnte und somit die vereinbarten Evaluierungen von Verteilungsschlüsseln auch fristgerecht durchzuführen sind, was leider in der Vergangenheit nicht sehr häufig der Fall war.