Politiker diskutieren über die europäische Asylpolitik
Der Gemeinsame Europatag des Österreichischen Gemeindebundes und Deutschen Städte- und Gemeindebundes widmete sich dem Thema Migration und Integration: Grundtenor der Bürgermeister war jedoch, nicht auf Hilfe von außen warten zu dürfen, sondern gerade bei der Integration selbst tätig zu werden.

Wie weit reicht die Union?

In Österreich haben die Vorschläge der EU-Kommission für eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems da und dort wahrscheinlich ein Déjà-vu verursacht.

Ein europaweiter Verteilungsschlüssel, Asyl auf Zeit, regelmäßige Statusüberprüfungen? Das kommt einem bekannt vor. In Brüssel weiß man seit langem, dass die geltenden europäischen Vorschriften nicht funktionieren und nationale Spielräume bei der Umsetzung der einschlägigen Richtlinien Asylshopping fördern.



Kern des Problems ist die sogenannte Dublin III-Verordnung, die die Zuständigkeit für die Prüfung von Asylanträgen regelt. Man fragt sich heutzutage, wie Staaten an EU-Außengrenzen einer derartigen Verordnung überhaupt zustimmen konnten. In den 1990er-Jahren, als das Dublin-System eingeführt wurde, waren die derzeitigen Flüchtlingsströme aber nicht absehbar, und als der Migrationsdruck auf die Mittelmeerstaaten immer größer wurde, lehnten sich Nord- und Mitteleuropäer genüsslich zurück.

Die Kommission unternimmt also nicht ihren ersten Anlauf, mehr Solidarität ins System zu bekommen. Da diesmal aber nicht nur Außengrenzen betroffen sind, sondern es auch viele Zielländer im bisher weitgehend verschonten Norden gibt, könnte ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem greifbarer sein als je zuvor: Ehemalige Blockierer rufen lautstark nach europäischen Lösungen.

Diskussionsgrundlage vom 6. April 2016



Die EU-Kommission möchte die geltende Asylverfahrensrichtlinie sowie die Anerkennungsrichtlinie durch direkt anwendbare Verordnungen ersetzen. EU-einheitliche Regeln in Verordnungsform würden innerstaatliche „Vergoldung“ von EU-Recht durch den nationalen Gesetzgeber rückgängig machen und einheitliche Standards schaffen. Die Kommissionsmitteilung vom 6. April bringt die Problematik in einer Fußnote auf den Punkt: Während im Zeitraum Jänner bis September 2015 in Italien hundert Prozent der afghanischen Asylanträge positiv erledigt wurden, war dies in Bulgarien nur in 5,88 Prozent der Fälle so. In beiden Staaten gilt die Anerkennungsrichtlinie 2004/83/EG, welche Mindestnormen für die Gewährung von internationalem Schutz festlegt

Auch die Richtlinie über Aufnahmebedingungen könnte gezielt angepasst werden, die Rechtsform der Richtlinie steht hier jedoch nicht zur Debatte.



Kernstück der Mitteilung ist aber die Revision der Dublin III-Verordnung. Zwei Optionen liegen auf dem Tisch. Erstens: Ergänzung der geltenden Bestimmungen durch einen Korrekturmechanismus, der im Falle großer Migrationsströme zum Einsatz kommt und sich am bereits bekannten Umverteilungssystem orientiert. Zweitens: Grundlegende Änderung des geltenden Dublin-Systems. Asylwerber würden nach der Erstregistrierung (Abnahme von Fingerabdrücken, Identitätsfeststellung, Registrierung) den einzelnen Mitgliedstaaten auf Basis eines Verteilungsschlüssels zugewiesen. Diese Mitgliedstaaten wären in Folge für Unterbringung, Versorgung und Bearbeitung der Asylanträge zuständig.



Bedenkt man, wie schleppend die auf allerhöchster Ebene beschlossene Umverteilung vorangeht, müsste man bezweifeln, dass diese Vorschläge jemals umgesetzt werden. Die EU-Kommission wird voraussichtlich im Juni konkrete Gesetzesinitiativen präsentieren und dabei die Reaktionen der Mitgliedstaaten nicht unberücksichtigt lassen. Die unterschiedlichen Positionen sind hier weitgehend bekannt. Erschwerend kommt hinzu, dass ab Juli die Slowakei den Ratsvorsitz übernimmt. Während die Niederlande alle aktuell vorliegenden Vorschläge im Schnellverfahren vorantreiben, dürfte das unter den Nachfolgern nicht der Fall sein.

Andererseits werden Mittelmeer- und Zielländer Druck ausüben, sodass vielleicht unter maltesischer Ratspräsidentschaft Anfang 2017 mit konkreten Ergebnissen zu rechnen ist.



Auch das EU-Parlament bezog bereits Stellung und unterstützt eine ambitionierte Revision der Dublin-Vorschriften. Das heißt, einer der beiden Gesetzgeber wird auf jeden Fall für Tempo sorgen und am Ende steht ohnehin ein europäischer Kompromiss, mit dem alle leben können müssen. Aber das war auch damals bei Dublin I der Fall …

Gemeinsamer Europatag zum Thema Migration



Der Gemeinsame Europatag des Österreichischen Gemeindebundes und Deutschen Städte- und Gemeindebundes widmete sich auf seiner Tagung am 13. und 14. April dem Thema Migration und Integration ausführlich. Grundtenor der Bürgermeister war jedoch, nicht auf Hilfe von außen warten zu dürfen, sondern gerade bei der Integration selbst tätig zu werden. Dass es in absehbarer Zeit zu europäischen Lösungen kommt, bezweifelte der gemeinsame Europatag. Man kennt die Geschichte der EU-weiten Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien, die auch Monate nach Beschlussfassung nicht vom Fleck kommt.

Klar wurde, dass die Positionen der österreichischen und deutschen Gemeinden einander näher sind, als jene der jeweiligen Bundesregierungen. Dies wurde auch durch die Verabschiedung der Stuttgarter Deklaration zu Migration und Integration deutlich.