Schlechte Bezahlung ist oft der Grund, warum sich Arbeitsuchende gegen einen Job in einer Gemeinde entscheiden.
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Arbeitskräfte

Warum Gemeinden kein Personal finden

KOMMUNAL hat Österreichs Bürgermeister und Amtsleiter über den gegenwärtigen Personalmangel im kommunalen Dienst befragt. Das Feedback der Gemeindespitzen offenbart glasklar, woran es hakt.

Die Lage am Arbeitsmarkt ist schwierig. Das ist weder neu noch betrifft es alleine den öffentlichen Dienst. Der viel beklagte Fachkräftemangel geistert seit vielen Jahren als Kernpunkt durch jede Arbeitsmarkt-Debatte. Hinzu kommt die unaufhaltsam überalternde Bevölkerung. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen sukzessive in Pension. Die nachfolgenden Generationen sind zahlenmäßig schwächer. Einhergehend findet ein Paradigmenwechsel statt. Die Arbeitnehmer bewerben sich nicht mehr um einen Job, sondern die Arbeitgeber bewerben sich bei Arbeitnehmern. Für Firmen wird ­Employer-Branding zu einem Muss und der „War for Talents“, also der Kampf um die besten Köpfe, ist bereits in vollem Gange.  

KOMMUNAL fragt nach

Schön wäre es, könnte man das auch von den kommunalen Dienstgebern berichten, doch die Lage in den Gemeinden ist in der Regel noch ein Hauseck schlechter. Anstatt einen Krieg um die besten Köpfe auszufechten, kämpfen viele Gemeinden damit, überhaupt irgendjemanden zu finden, der bereit ist, die offenen Stellen zu den angebotenen Konditionen auch anzutreten.

Als KOMMUNAL-Redaktion sind wir im ständigen und intensiven Austausch mit Gemeindevertretern aus ganz Österreich. Dabei haben wir den subjektiven Eindruck gewonnen, dass sich die prekäre Arbeitsmarktsituation auf kommunaler Ebene zunehmend verschärft. Valide Zahlen gibt es dazu allerdings keine. Daher haben wir eine Erhebung in Form einer Umfrage unter den heimischen Bürgermeistern und Amtsleitern durchgeführt. 889 Gemeindespitzen haben, teils sehr ausführlich, geantwortet und offenbart, wo der Schuh drückt.

Gehalt und Dienstecht als zentrale Punkte

Die Problemlagen sind vielerorts ähnlich. Von überwältigender Eindeutigkeit waren aber die Lösungsvorschläge, wie man die diffizile Lage der kommunalen Arbeitgeber verbessern könne. Hunderte Wortmeldungen drehten sich um Schlagworte wie „Gehaltsschema“, Entlohnungssystem“ oder „Dienstrecht“. Gemeint war im Wesentlichen immer das Gleiche: Die starren Strukturen, innerhalb derer sich Gemeinden bewegen können, sind nicht mehr zeitgemäß und die Gemeinden am Arbeitsmarkt dadurch nicht mehr konkurrenzfähig, insbesondere im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft.

Wie weit verbreitet ist der Personalmangel der Gemeinden eigentlich? Die kurze Antwort lautet: sehr! Nur ein Viertel der Gemeinen hat keine Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden. Für ein Drittel aller Kommunen hält sich das Problem noch im Rahmen, gleichwohl es präsent ist. Für ein weiteres Drittel ist das Finden von Arbeitskräften tatsächlich schon ein echtes Problem und in jeder zwölften Gemeinde ist die Situation dermaßen gravierend, dass Stellen seit Langem nicht mehr nachbesetzt werden können. 

Arbeitskräfteumfrage

Wer fehlt?

Die Personalnot erstreckt sich grundsätzlich auf alle Bereiche des kommunalen Aufgabenspektrums. Meistgenannt mit jeweils rund einem Viertel aller Gemeinden sind die Bereiche Elementarpädagogik sowie rund um den Bauhof.

Nicht explizit abgefragt und dennoch häufig angegeben wurde auch die Pflege. Aber auch in der Verwaltung hapert es in jeder sechsten Gemeinde. Vergleichsweise selten genannt war die Schule mit lediglich vier Prozent.

Während es am Bauhof das zusätzliche Problem der fehlenden Qualifikation gibt – oft mangelt es willigen Bewerbern an den nötigen Befähigungen, Gerätschaften bedienen bzw. steuern zu können –, so zeigt sich in den meisten anderen Bereichen, dass nicht der Anforderungskatalog das K.O.-Kriterium ist, sondern die Entlohnung.

Deutlich wird das beispielsweise bei der zwar nicht extra abgefragten, dafür umso öfter angemerkten Sparte der Reinigungskräfte, denn auch in diesem vergleichsweise niedrigqualifizierten Segment haben etliche Gemeinden Mühe, ausreichend Mitarbeiter zu finden. 

Arbeitskräfteumfrage

Gemeinden müssen Dienstleistungen reduzieren

Der Hut brennt zwar nicht, doch er glost vor sich hin. Das lässt sich pointiert über das erfüllbare Leistungsspektrum der Gemeinden sagen. Kritisch wird es nämlich auch für die Bevölkerung, wenn die Gemeinden ihren ureigensten Aufgaben nicht mehr nachkommen können. Noch haben wir keine „Failed Community“ in Österreich, doch jede dritte Gemeinde musste Dienstleistungen bereits reduzieren oder gar ganz aussetzen, schlicht weil kein Personal vorhanden war. In jeder sechsten Gemeinde ist das sogar aktuell der Fall.

Besonders bitter ist das für strukturschwache Gemeinden, die ohnehin schon einen schweren Stand haben. Mit viel Mühe schaffen bzw. erhalten sie die notwendige Infrastruktur, beispielsweise einen Kindergarten, und müssen dann erst Gruppen reduzieren oder ihn komplett schließen. Nicht aufgrund der räumlichen oder finanziellen Gegebenheiten, sondern einzig, weil sich kein adäquates Personal finden lässt.

Auf welchen Wegen suchen Kommunen neue Arbeitskräfte? Auf vielen. Die Gelegenheit, über die eigene Gemeindehomepage (91  Prozent)oder das Gemeindeblatt (79 Prozent) zu suchen, lassen sich die wenigsten entgehen.

Arbeitskräfteumfrage

Dem AMS wird wenig vertraut

Zwei Drittel der Befragten inserieren in lokalen Medien und deutlich mehr als die Hälfte aller Kommunen nützen ihre Social-Media- Kanäle, um ihre offenen Stellen zu bewerben.

Knapp die Hälfte sucht auch über das AMS, wobei die Erfolgsrate bei dieser Methode besonders schlecht sein dürfte. Das verrät das Feedback auf die offene Frage, über welche Kanäle man am erfolgreichsten bei der Suche war. Das AMS wird dabei so gut wie gar nicht erwähnt und in den wenigen Nennungen, die es verzeichnet, wurde es mitunter explizit negativ hervorgehoben: „AMS-Bewerber ausnahmslos unbrauchbar“, lautet ein knapper Kommentar. Ansonsten sind die als erfolgreich gemeldeten Wege recht diversifiziert. Überdurchschnittlich oft werden soziale Netzwerke genannt sowie die gute, alte Mundpropaganda und der persönliche Kontakt. 

Arbeitskräfteumfrage

Privatwirtschaft ist größte Konkurrenz

Spannend ist der Blick auf den Mitbewerb. Zwar kommt die Umfrage eindeutig zu dem Ergebnis, dass die Privatwirtschaft der „Personalkiller Nummer eins“ für die öffentlichen Dienstgeber ist. Es wird aber auch deutlich, dass die Gemeinden untereinander bzw. mit anderen öffentlichen Dienstgebern in starkem Wettbewerb stehen.

„Wir betreiben einen Gemeindehort und es werden uns laufend Pädagogen/innen vom Landesschulrat abgeworben“, klagt etwa ein Teilnehmer der Umfrage. Viele kleinere Gemeinden stehen vor dem Problem, dass größere bzw. zentrale Gemeinden in der Region Arbeitskräfte „abziehen“, konkret betrifft das rund 15 Prozent aller Kommunen.

Jede elfte Gemeinde versucht zudem durch gezieltes Abwerben ihre Personalnot zu lindern, weitere 5 Prozent nehmen dafür die Dienste von Headhuntern in Anspruch. Als wäre die Lage gegenüber der Privatwirtschaft nicht schon misslich genug, hacken hier also auch schon mal die Krähen einander die Augen aus. Das ist zwar verständlich und nachvollziehbar, doch für die Gesamtsituation ist es letztlich ein Nullsummenspiel und eher ein Ausdruck der Verzweiflung. 

Arbeitskräfteumfrage

Lehrstellen werden nur selten angeboten

Können Lehrstellen Abhilfe schaffen? Vielleicht. Die Option, über Lehrstellenangebote Mitarbeiter maßgeschneidert auf die eigenen Ansprüche auszubilden und nach Möglichkeit auch langfristig an den Arbeitgeber Gemeinde zu binden, wird nur bedingt genutzt.

Die Hälfte der Gemeinden hat überhaupt noch nie Lehrstellen angeboten, weitere 20 Prozent haben es zwar in der Vergangenheit getan, mittlerweile aber damit aufgehört. Nur ein Viertel aller ­Befragten gibt an, Lehrstellen anzubieten, wobei von diesen Lehrstellen wiederum ein knappes Drittel aktuell nicht besetzt werden kann. In manchen Fällen, die auch nach dem jeweiligen Arbeitsfeld stark variieren, können Lehrstellen eine (Teil-)Lösung sein, Gamechanger sind sie im Hinblick auf die Gesamtsituation aber keine.

Arbeitskräfteumfrage 

Gemeinden können kaum Benefits anbieten

Wo liegt das Problem, geeignetes Personal zu finden? Wie schon eingangs erwähnt, sind die veralteten und viel zu starren Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Gemeinden überhaupt bewegen können, das Kernproblem der Personalnot, allen voran die mangelnde Entlohnung.

Aber auch bei anderen Entscheidungskriterien, die Arbeitnehmern wichtig sind, ist der Handlungsspielraum viel zu eingeschränkt, etwa bei den Arbeitszeiten oder auch bei den Benefits, die Gemeinden ihren Mitarbeitern bieten können und dürfen.

Danach gefragt, welche Vergünstigungen sie ihren Bewerbern offerieren, nennt nur ein Viertel der Gemeinden überhaupt etwas. 75 Prozent bieten gar keine Benefits. Begründet wurde das oft mit der Gleichbehandlung mit den bestehenden Bediensteten.

Bietet eine Kommune doch Benefits an, so sind die wohl in den seltensten Fällen dazu geeignet, einen entscheidungsrelevanten Einfluss auf den Bewerber  zu bewirken. Der meistgenannte Vorteil besteht in einem vergünstigten Eintritt für das örtliche Hallenbad/Freibad. Vereinzelt ist er sogar gänzlich kostenlos. Auch die kostenlose Ausleihe in der Bücherei dürfte seltenst ein radikales Umdenken beim Bewerber auslösen.

Vorteile, die eher das Potenzial zur Entscheidungsbeeinflussung besitzen, so wie Homeoffice, Gleitzeit, 4-Tage-Woche und Ähnliches, bleiben allesamt unter einem Prozent. Das ist den Gemeinden nicht vorzuwerfen, schließlich sind ihnen weitestgehend die Hände gebunden. Ein Teilnehmer bringt dies mit seiner Antwort lapidar auf den Punkt: „Wenn Sie uns sagen können, welche legalen Wege es hier gibt, sind wir gerne bereit, diese anzuwenden.“ 

Reformbedarf im Dienstrecht

Warum sollte sich ein Bewerber für die Gemeinde entscheiden? Die größtenteils inexistenten Benefits sind es nicht. Und ob das Arbeitsklima - selbst bei durchwegs netten Kollegen - in einem chronisch unterbesetzten Team zu überzeugen vermag, darf auch bezweifelt werden. 

Bleibt die Bezahlung. Die ist zwar der maßgebliche Entscheidungsgrund, allerdings nicht für, sondern gegen die Gemeinden. „Es besteht dringender Reformbedarf im Dienstrecht. Derzeit kann man fähiges Personal nur über Sondervertragsregelungen anwerben.“ „Der Verdienst für unsere Mitarbeitenden ist im Vergleich zu dem, was sie leisten müssen, sehr dürftig. Ich wünsche mir eine bessere und adäquate Anpassung an die Privatwirtschaft.“ Oder: „In OÖ sind die Gehälter für etliche Bereiche (z.B. Bauhof, Finanzbereich, Techniker) und auch die Anrechnung von Vordienstzeiten völlig unbefriedigend.“ So lautet der Tenor aus den Gemeinden dazu. Das Gehaltsschema der Gemeinden und das Gemeindedienstrecht seien nicht mehr zeitgemäß.  

Gemeinsam statt einsam?

Die Umfrage zeigt zwei ganz wesentliche Erkenntnisse. Zum einen ist überdeutlich, wo das Problem liegt. Zum anderen scheint aber auch glasklar, worin die Lösung bestünde: „Die Bezahlung laut Gemeindevertragsbedienstetengesetz muss schnellstens den aktuellen Anforderungen angepasst werden.“ „Das Gehaltsschema sollte vom Land weniger strikt in Kategorien, die überwiegend nicht mehr den heutigen Aufgabenbildern entsprechen, vorgegeben sein und den Gemeinden mehr Handlungsspielraum erlauben.“ Und es gehöre geändert, dass „Vordienstzeiten in der Privatwirtschaft nur in einem geringen Ausmaß anrechenbar sind“, denn „die Gehaltstabelle ist für Einsteiger mittleren Alters absolut unattraktiv! Das heißt, bereits erfahrenes Personal findet kaum den Weg zu einer Gemeinde.“

Bemerkenswert homogen fallen diese Einschätzungen und Forderungen aus, und zwar sowohl über alle Bundesländer als auch über alle Gemeindegrößen hinweg.

Das Problem ist eindeutig, und ebenso klar ist die Lösung dafür. Anstatt seine Energien dafür aufzuwenden, sich gegenseitig die Mitarbeiter abspenstig zu machen, scheint es aus kommunaler Sicht ratsam, einen Teil dieser Energien dafür zu nutzen, um gemeinsam für einen größeren oder zumindest flexibleren Handlungsspielraum der Gemeinden einzutreten - möglichst noch bevor zentrale Aufgaben der Daseinsvorsorge tatsächlich nicht mehr erfüllt werden können.