Flüchtlinge aus der Ukraine
Die täglich steigenden Zahlen an ukrainischen Flüchtlingen stellen die Behörden vor große Herausforderungen.
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Ukraine-Krieg

So können Gemeinden den Flüchtenden helfen

Zur Unterbringung geflüchteter Personen werden dringend Quartiere gesucht. Viele Gemeinden und Privatpersonen haben bereits Unterkünfte für hilfsbedürftige Menschen aus der Ukraine angeboten. Aber das ist nur eine Schraube, an der gedreht wird.

Seit dem Angriff der russischen Armee am 24. Februar haben rund 3,3 Millionen Menschen die Ukraine verlassen (Stand zu Redaktionsschluss am 20. März). Die meisten fuhren mit dem Zug oder Autos direkt in ein angrenzendes EU-Land. Knapp zwei Millionen – großteils Frauen und Kinder – kamen in Polen an, 230.000 in der Slowakei, 280.000 in Ungarn, knapp 500.000 in Rumänien, 350.000 im kleinen Moldau, das nur 2,6 Millionen Einwohner hat.

Bundeskanzler Karl Nehammer kündigte an, dass Österreich auch 2.000 Vertriebene, die in der Republik Moldau gelandet sind, übernehmen werde. Er  verwies darauf, dass bisher kein anderes Land in Europa pro Kopf mehr ukrainische Flüchtlinge aufgenommen habe als die Ex-Sowjetrepublik. 

Zu dem Zeitpunkt waren es schon rund  117.000 Flüchtlinge, die in Österreich Schutz suchten, allerdings reiste der überwiegend Teil in andere europäische Länder weiter. Mehr als 30.000 blieben im Land. Und bis längstens Mitte April werden 200.000 Flüchtlinge erwartet, wie beispielsweise Migrationsforscher Gerald Knaus in einem Interview mit der APA warnt. 

Registrierung hinkt noch deutlich hinterher

Wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine tatsächlich in Österreich bleiben wollen, wird in einiger Zeit feststehen. Aber die täglich steigenden Zahlen an ukrainischen Flüchtlingen stellen die heimischen Behörden vor große Herausforderungen, wie Innenminister Gerhard Karner bei einer Videokonferenz am 18. März mit österreichischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern betonte. Mit dabei waren Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl, Andreas Achrainer, Geschäftsführer der Bundesagentur für Betreuung- und Unterstützungsleistungen (BBU), der stellvertretende Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Reinhard Schnakl, BMI-Sektionschef Peter Webinger (Sekt. V/Fremdenwesen) und der neue Flüchtlingskoordinator Michael Takacs.

Michael Takacs
Michael Takacs, bisher stellvertretender Kabinettschef von Innenminister Karner, wurde zum Flüchtlingskoordinator ernannt.

Prognosen gehen von 200.000 Menschen aus, die in den nächsten Wochen in Österreich bleiben werden. Das Innenministerium berichtete von großer Hilfsbereitschaft: Hunderte Tonnen an Sachspenden, Millionen Euro an Geldspenden und Tausende Privatquartiere innerhalb weniger Tage seien ein starkes Zeichen des Zusammenhalts. Vor allem bei der Registrierung hat sich ein Stau gebildet, wie Zahlen aus dem Innenministerium zeigen. Seit Kriegsbeginn sind rund 30.000 Flüchtlinge in Österreich geblieben, registriert wurden bisher 9000.

Dazu wurden bislang 34 Registrierungsstellen im Bundesgebiet eingerichtet oder gehen demnächst in Betrieb, weitere sollen folgen. Zusätzlich sollen laut Innenministerium mobile Registrierungsstellen zur Verfügung gestellt werden, um dort den Bedarf abzudecken, wo er gerade entsteht.

Die Registrierung ist unter anderem notwendig, um einen Vertriebenenausweis zu bekommen und damit Zugang zum Arbeitsmarkt zu haben. Eine Aufnahme in die Grundversorgung erfolgt bei gegebener Hilfsbedürftigkeit, eine Registrierung ist auch in diesem Fall erforderlich, um Grundversorgungsleistungen vergeben zu können, hieß es vom Ministerium.

Personen in der Grundversorgung erhalten im Falle organisierter Unterbringung monatlich 40 Euro. Bei individueller Unterbringung betragen die Verpflegungsleistungen 215 Euro für Erwachsene bzw. 100 Euro für Kinder.

Fragen der Bürgermeister

Bisher, so Innenminister Karner in der Videokonferenz, seien aus den Gemeinden rund 40.000 Plätze gemeldet worden, Karner sprach in dem Zusammenhang von einer „Welle der Hilfsbereitschaft“. Was Fragen zu Unterbringungen betrifft, hat das BMI bereits Anfang März Fragen und Antworten (FAQ) ausgearbeitet.

Die Quartiere seien aber nur ein erster Schritt. Was noch gebraucht werde, seien vor allem Hilfsgüter. Karner appellierte hier an Geldspenden – so gut und wichtig und großartig die Sachspenden aus den Gemeinden, von Vereinen und der Bevölkerung seien, oft ist mit Geld vor Ort billiger und damit mehr einzukaufen. Zudem sei die Verteilung der Hilfsgüter an die richtigen Stellen oft eine große logistische Herausforderung. 

Die rund 400 an der Konferenz teilnehmenden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister hatten dennoch eine Menge Fragen an die Teilnehmer. 

Eine oft gestellte Frage war beispielsweise, ob eine Überschreitung der zulässigen Gruppengrößen im den Kindergärten zulässig sein, da sich unter den Geflüchteten ja hauptsächlich Frauen und Kinder der verschiedensten Altersstufen befinden würden. Das sei eine Länderentscheidung, so Minister Karner. In Niederösterreich, wo der Innenminister früher selbst Bürgermeister war, sei  in diesen Fällen aber eine Überschreitung zulässig.  

Gerhard Karner
„Zur Bewältigung der Herkulesaufgabe, die vor uns liegt, müssen wir in der nächsten Zeit alle an einem Strang ziehen.“ Innenminister Gerhard Karner bei der Videokonferenz mit rund 400 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern.

Auch nach dem Umgang mit dem Corona-Impfstatus der Flüchtlinge wurden gefragt. Hier gab es die Auskunft, dass in den Ankunftszentren sowohl Tests als auch Impfungen möglich sind.

Oft wurde nach der Qualifikationen der Flüchtlingen gefragt und ob diese erhoben werde. Man würde dadurch besser einschätzen können, wie die Menschen am besten integriert werden könnten. Auch wenn dieser Zugang verständlich sei, so sei derzeit eine solche Erhebung in Interviewform nicht möglich, hieß es. Die Eruierung so einer Frage könne erst erfolgen, wenn die  Leute in den Quartieren sind.

Es waren schon viele Ukrainer im Land, die jetzt helfen

Und die Sprachbarriere? Dazu reicht der Chat-Beitrag einer Bürgermeisterin bei der Videokonferenz: „Wir haben uns als Gemeinde gebürtige Ukrainer gesucht, die uns beim Dolmetschen sehr, sehr hilfreich sind. Wir haben mittlerweile eine WhatsApp-Gruppe für die Ukrainer und die Quartiergeber und lassen hier die Informationen zentral laufen. Wir waren überrascht, wie viele Personen aus der Ukraine ohnehin schon in der Gegend wohnen.“

Exodus in die EU

Täglich steigt die Zahl der Flüchtlinge, die in Europa Zuflucht suchen. Prognosen sprechen zu Redaktionsschluss von bis zu zehn Millionen Flüchtlinge, die  erwartet werden. Das wäre ein Vielfaches mehr als bei der Flüchtlingsbewegung von 2015. Die UNO spricht bereits von der größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. 

Hanne Beirens, Direktorin des Migration Policy Institute (MPI) in Brüssel, spricht in einem Bericht auf news.orf.at von einer „unfassbaren“ Zahl der Flüchtlinge und „enormen Geschwindigkeit“, mit der diese ankommen. Auch der Politanalyst Alberto Neidhardt vom Brüsseler European Policy Centre (EPC) sagt: „Die Zahlen und das Tempo, in der sich die Notlage entfaltet, sind beispiellos.“ Die schiere Anzahl der Geflüchteten stelle derzeit die größte Herausforderung dar, zeigen sich die Experten überzeugt.

Auch aus diesem Grund appellierte Innenminister Karner mehrmals, dass die Frage der Unterbringungsmöglichkeit sehr wichtig sei. Flüchtlingskoordinator Takacs ergänzte, dass eine erste Welle, wo viele der Fliehenden mit Autos gekommen seien, vorbei sei. „Jetzt kommt die zweite Welle, wo die Menschen mit Zügen ankommen werden. Wien leistet hier Großes, rund 80 Prozent der Erstaufnahmen passieren in der Bundeshauptstadt.“ 

Hilfreiche Websites

Informationsblatt für aus der Ukraine Vertriebene
Auf der BMI-Website gibt es auch Infomaterial - auch auf Ukrainisch - als PDF zum Ausdrucken.

bmi.gv.at/ukraine
Die Website des Innenministeriums bietet eine Menge Fragen und Antworten zu Unterkünften, Registrierung und Aufenthalt.

bbu.gv.at 
Auf der Website der Bundesbetreuungsagentur wurde eine Hotline unter anderem auf Ukrainisch eingerichtet. 
BBU-Infohotline: +43/1/2676 870 9460 
Zusätzlich soll es demnächst eine eigene App geben. 
Für das Einmelden von Quartieren gibt es die E-Mailadresse: nachbarschaftsquartier@bbu.gv.at