Finanzen
Sind die Gemeinden Gewinner oder Verlierer des neuen Finanzausgleichs?
Aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht ist zunächst zu bemerken, dass das bestehende Regelwerk bestehend aus dem Finanz-Verfassungsgesetz (F-VG) und dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) von einem deutlichen Übergewicht des Bundes geprägt ist. In der öffentlichen Wahrnehmung kommt – wohl auch aus diesem Grund – die Tatsache, dass die österreichischen Gemeinden in den finanzrechtlichen Beziehungen zu Bund und Ländern im Vergleich zur untersten territorialen Ebene anderer europäischer Länder eine vergleichsweise starke Rolle einnehmen, zuweilen zu kurz.
Schon der Umstand, dass vor jedem Finanzausgleichsgesetz, welches der Bund erlässt, Verhandlungen geführt werden, zeigt, dass diese „politische Kultur“ die Dominanz des Bundes etwas bremst.
Bei diesen Verhandlungen nehmen die Gemeinden – vertreten durch den Österreichischen Gemeindebund sowie den Österreichischen Städtebund – als gleichwertige Partner teil. Insofern realisiert sich in diesem System, das grundsätzlich starke zentralistische Züge aufweist, am ehesten eine Art „Drei-Partner-Föderalismus“. Aus diesem Blickwinkel lässt sich daher bereits ein erster „Etappensieg“ der Gemeinden ableiten.
Die nackten Zahlen
Misst man den Erfolg oder Misserfolg der Gemeinden an den in den Finanzausgleichsverhandlungen zu Beginn artikulierten Forderungen, müsste man sich wohl zumindest eine kleine „Niederlage“ eingestehen. So wurde doch das zentrale Ziel, den vertikalen Verteilungsschlüssel zu ändern – auf 14,55 Prozent für die Gemeinden und 24,959 Prozent für die Länder - nicht erreicht. Der Verteilungsschlüssel im Verhältnis 68 Prozent (Bund), 20 Prozent (Länder) und 12 Prozent (Gemeinden) bleibt auch für die kommende Finanzausgleichsperiode unverändert.
Nun liegt es in der Natur der Sache, sich in Verhandlungen auf Kompromisse zu einigen, was ein Aufeinander-Zugehen aller Partner erfordert, sohin die vollinhaltliche Durchsetzung der eigenen Standpunkte nicht gerade wahrscheinlich macht. Die Tatsache, dass sich am vertikalen Verteilungsschlüssel auch in den kommenden vier Jahren nichts ändern wird, mag aus Sicht der Gemeinden zwar bedauerlich sein, darf aber auch nicht überbewertet werden.
Schließlich und endlich lohnt ein Blick auf die (groben) Zahlen: Der Bund wird den Ländern und Gemeinden über den Finanzausgleich im Jahr 2024 rund 2,4 Milliarden Euro zusätzlich überweisen, davon soll etwa eine Milliarde in den Bereich Gesundheit und Pflege fließen. Im Rahmen eines Zukunftsfonds in der Höhe von 1,1 Mrd. Euro sollen die Bereiche Kinderbetreuung, Wohnen und Klimaschutz abgedeckt werden.
Im Bereich der Kinderbetreuung ist der Anteil der Gemeinden fixiert (50 Prozent des jeweiligen Landestopfes), in den anderen Bereichen Verhandlungssache mit den jeweiligen Ländern.
Darüber hinaus werden bisherige Finanzzuweisungen des Bundes aufgestockt, so gab es zum Beispiel eine Erhöhung für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) um 30 Millionen Euro. Die vom Bund zu leistenden finanziellen Mittel werden in den Folgejahren zudem größtenteils valorisiert, also jeweils um die jährliche Inflationsrate vulgo Teuerung automatisch erhöht.[1]
Verhandlungsgeschick als Schlüsselfaktor für die Gemeinden
Die nicht unbeträchtlichen Summen lassen auf den ersten Blick einen „Sieg“ der Gemeinden vermuten. Dennoch darf bezweifelt werden, ob die zusätzlichen Geldmittel aus dem Finanzausgleich die Finanzierungs- und Gestaltungsspielräume der Gemeinden künftig tatsächlich erweitern.
Vor dem Hintergrund der komplexen und auch für Expertinnen und Experten kaum zu überblickenden Finanzverflechtungen – gerade auch zwischen den Ländern und Gemeinden (sogenannter „sekundärer“ und „tertiärer“ Finanzausgleich) ist eine seriöse Beantwortung der zu Beginn aufgeworfenen Frage letztlich so nicht möglich.
Den Gewinnerstatus müssen sich die Gemeinden nämlich nun erarbeiten. Die Festlegung des finanziellen Anteils der Gemeinden aus dem Zukunftsfonds in einzelnen Bereichen ist ja vom Verhandlungsgeschick der Gemeinden mit dem jeweiligen Bundesland abhängig. Also wird sich in diesen Verhandlungen entscheiden, wer ein „Sieger“ oder „Verlierer“ ist.
Angesichts schwieriger Vorzeichen ist aber dennoch zu konstatieren, dass das Funktionieren des „Verhandlungsföderalismus“ in Österreich erneut unter Beweis gestellt werden konnte. Der Wille, trotz unterschiedlicher Interessenlagen zu einer für alle Seiten vertretbaren Kompromisslösung zu gelangen, scheint gerade mit Blick auf die zahlreichen internationalen Krisenherde eine immer wichtiger werdende Fähigkeit zu sein.
[1] Siehe dazu im Detail https://www.kdz.eu/de/aktuelles/blog/das-neue-finanzausgleichsgesetz-ein-kompromiss-mit-hausaufgaben (18.01.2024).