Mohamed Ridouani
Mohamed Ridouani, Bürgermeister von Leuven: „Ich muss nicht in jede Entscheidung einbezogen werden, wenn die Expertise an anderer Stelle liegt.“
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Urban-Future-Konferenz 2023

„Sehen, was nicht gesagt wird“

Die moderne Führungsrolle war bei der „Urban Future“ im Panel „A new brand of leaders“ Thema. Wie sie ihre eigenen Führungsrollen begreifen und leben erzählten der Bürgermeister der Stadt Leuven, Mohamed Ridouani, und die Leiterin des Projekts „Tallinn European Green Capital 2023“, Krista Kampus.

Eine Session zur Veränderung von Führungsrollen beginnt mit Daumen-Wrestling. Wenn sich alle Teilnehmenden zu Paaren zusammenfügen, wer kann die meisten Punkte im Daumen-Wrestling machen? Der Clou wird erst nach der ersten Runde präsentiert: Wurde überhaupt gesagt, dass man gegeneinander spielen soll? Wer sich auf ein Zusammenspiel einigt, kann deutlich mehr Punkte erreichen. Ob die Botschaft übergesprungen ist oder nicht – die Teilnehmenden sind in jedem Fall aktiviert.

Menschen sollen Verantwortung übernehmen

Mohamed Ridouani, Bürgermeister der Stadt Leuven, ist davon überzeugt, dass es für moderne Führungspersönlichkeiten essenziell ist, Menschen die Möglichkeit zu geben, Verantwortung für ihren eigenen Arbeitsbereich zu übernehmen.

Er selbst möchte in Leuven große Veränderungen antreiben. Klimaneutralität möchte die Stadt bis 2030 erreichen. Das tut er jedoch eher mit einem Leitbild und Moderation der Arbeit. Mitarbeitende erhalten die Chance selbst Herangehensweisen zu entwickeln, die diesem Leitbild zuarbeiten. „Wenn wir zum Beispiel über Wärmeplanung oder Mobilitätskonzepte sprechen, gibt es Menschen, die deutlich qualifizierter sind als ich“, sagt der Bürgermeister. „Ich muss nicht in jede Entscheidung einbezogen werden, wenn die Expertise an anderer Stelle liegt.“

Aber: „Ich bleibe die verantwortliche Person für die Entscheidungen“, sagt Mohamed Ridouani. „Mitarbeitende müssen nicht fürchten, für ihren Beitrag Probleme zu bekommen, wenn etwas nicht funktioniert.“

Für seinen Weg hin zu einer nachhaltigen Transformation der Stadt setzt Ridouani auf die Zusammenarbeit mit allen politischen Ebenen, aber auch mit Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern. Von Unternehmen, mit denen die Stadt zusammenarbeitet, erwartet er allerdings im Vorhinein einen verbindlichen Plan, an den man sich gemeinsam hält.

Bevölkerung fehlt Vertrauen in die Politik

Er sieht jedoch auch massive Hindernisse auf dem Weg zu Veränderung. Mutige Entscheidungen zu treffen sein kaum mehr möglich, da in der Bevölkerung das Vertrauen in die Politik und die Institutionen fehle. Dieses könne nur langsam und nur mit viel Kommunikation und Durchhaltevermögen wieder hergestellt werden.

Warum manche Frauen nicht Fahrrad fahren

In den letzten Jahren wurden in Leuven viele Parkmöglichkeiten abgebaut, um den Fokus weg von der motorisierten Mobilität zu nehmen. Dafür habe es besonders von den weniger privilegierten Bürgerinnen und Bürger viel Kritik gegeben. Sie wohnen weiter vom Stadtzentrum entfernt und damit auch in Gegenden der Stadt, die schlechter an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sind.

Hier hat Ridouani Rede und Antwort gestanden. Man habe es geschafft, dass viele Menschen auf das Fahrrad umgestiegen sind. Die Stadt habe aber auch genau beobachtet, wo weiterhin Probleme bestehen und dabei erkannt, dass es bestimmte Bevölkerungsgruppen gibt, die nicht dazu neigen auf das Fahrrad umzusteigen und in der Folge weniger mobil sind. Eine dieser Gruppen waren Frauen mit Migrationshintergrund.

„Wir haben uns das genauer angesehen und erkannt, dass es in vielen Kulturen unüblich ist Fahrrad zu fahren und das besonders Frauen eher nicht Fahrradfahren lernen“, erzählt Mohamed Ridouani. „Deshalb haben wir eine Fahrradschule eröffnet, die sehr beliebt ist und noch einmal viele weitere Menschen auf das Fahrrad gebracht hat.“ Ein Tipp, den Leuvens Bürgermeister mit dieser Anekdote vermitteln möchte: „Wir müssen als Führungspersonen versuchen zu sehen, was nicht gesagt wird.“

Tallinn gibt Freiräume

Auch Krista Kampus, die das Projekt „Tallinn European Green Capital 2023“ leitet, sieht einen großen Wert darin, Mitarbeitenden Freiraum bei der Arbeit zu lassen. Sie hat sich für die Arbeit an der „Green Capital“ ein starkes Team zusammengestellt. Dieses arbeitet jeweils in kleinen Gruppen an Teilzielen des Projekts.

Für die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die im Rahmen des Projekts neue grüne Technologien in Tallinn testen möchten, wurde eigens ein Projektmanager eingestellt.

Krista Kampus hat die Initialphase somit engmaschig betreut – Die richtigen Menschen für das Team finden, erkennen, welche Stellen geschaffen werden müssen, für einen reibungslosen Ablauf.

„Als Führungsperson bin ich im täglichen Geschäft engagiert bis das Team bereit ist, auf eigenen Beinen zu stehen. Dann kann man die Verantwortung abgeben“, sagt Krista Kampus. Damit das funktioniere, müsse man aber auch die Kompetenzen der Mitarbeitenden gut einschätzen können.

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