globale Lieferketten
Der Grundgedanke hinter der Sorgfaltspflicht ist, dass verhindert werden soll, dass im „globalen Süden“ Raubbau an Menschen und Ressourcen begangen wird, andererseits soll damit als Nebeneffekt auch die Wettbewerbssituation europäischer Unternehmen gestärkt werden.
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Vergabe

Pflichten in der Lieferkette - Was kommt auf uns zu?

In Frankreich und in Deutschland gibt es sie bereits, nun soll es bald auch auf EU-Ebene so weit sein: Gesetze, die Sorgfaltspflichten von Unternehmen in Hinblick auf ihre Lieferketten regeln.

Der Grundgedanke erscheint logisch und richtig: Unternehmen sollen verpflichtet werden, nicht nur in ihrer eigenen Organisation, sondern auch in ihrer Lieferkette auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz zu achten. Einerseits soll damit verhindert werden, dass im „globalen Süden“ Raubbau an Menschen und Ressourcen begangen wird, andererseits soll damit als Nebeneffekt auch die Wettbewerbssituation europäischer Unternehmen gestärkt werden. 

Derzeit wird auf EU-Ebene eifrig zwischen Kommission, Rat und Parlament verhandelt; eine Einigung für die EU-Lieferketten-Richtlinie („Corporate Sustainability Due Diligence Directive“, kurz „CSDDD“) scheint schon in den nächsten Monaten greifbar zu sein. 

Nur große Unternehmen betroffen

Für Gemeinden kann zunächst Entwarnung gegeben werden: In den unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschriften, die in Österreich frühestens in zwei Jahren anwendbar sein werden, fallen nur Unternehmen, die Körperschaften des Privatrechts sind, also insbesondere GmbHs und Aktiengesellschaften. Und das nur ab Erreichung bestimmter Größenmerkmale, über die derzeit noch intensiv diskutiert wird; jedenfalls sprechen wir von Unternehmen mit mehreren hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit einem weltweiten Umsatz im zig- bis hundertfachen Millionenbereich. 

Diese unmittelbar betroffenen Unternehmen, und hier kann der eine oder andere ­kommunale Wirtschaftsbetrieb durchaus umfasst sein, werden in Zukunft diverse Maßnahmen in Hinblick auf ihre Lieferketten ergreifen müssen. Dazu zählen insbesondere die Entwicklung einer Menschenrechts- und ­Umweltschutzstrategie, die Durchführung von Risikoanalysen, die Vorgabe eines Lieferantenkodex für ihre Zulieferer, die Errichtung eines internen Melde­systems und laufende Berichterstattungen. Sobald Probleme erkannt wurden, sind entsprechende Maßnahmen zu ergreifen: Das kann von der Unterstützung der Lieferanten über regelmäßige Kontrollen bis zur Beendigung der Lieferanten-
Vertragsbeziehung reichen. 

Wie werden Unternehmen haften müssen?

Heiß diskutiert wird noch die Frage, unter welchen Voraussetzungen europäische Unternehmen gegenüber jenen Menschen, die durch negative Auswirkungen auf Menschenrechte oder Umwelt geschädigt werden, zivilrechtlich für eine Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten haften müssen.

Neben der zivilrechtlichen Haftung sollen auch weitere abschreckende Sanktionen vorgesehen werden: Dies kann von einer Veröffentlichung des Fehlverhaltens („naming and shaming“) bis zur Verhängung empfindlicher Geldbußen reichen.

Indirekt Auswirkungen auf kommunale Unternehmen möglich

Neben den Auswirkungen für unmittelbar betroffene Unternehmen werden die Lieferkettenvorschriften aber auch eine erhebliche indirekte Wirkung entfalten und dadurch so gut wie alle Unternehmen beschäftigen:

Praktisch jedes Unternehmen ist selbst Teil von Lieferketten und wird daher von seinen Vertragspartnern aufgefordert werden, die eigene Vorgangsweise in Hinblick auf Menschenrechte und Umweltschutz, auch was die eigene Lieferkette betrifft, darzulegen und eine sorgfältige entsprechende Vorgangsweise sicherzustellen. Dies kann auch auf Kommunen und kommunale Unternehmen zukommen.

Mit welchen Auswirkungen muss man weiter rechnen?

Der Entwurf der CSDDD sieht ausdrücklich vor, dass Unternehmen, wenn sie Beihilfen erhalten wollen, bescheinigen ­müssen, dass sie mit keinen Sanktionen wegen einer Nichteinhaltung der Lieferketten-Verpflichtungen belegt wurden. 

Und Ähnliches wird für das Vergaberecht gelten: Ein schwerer Verstoß gegen eine Verpflichtung nach der CSDDD wird wohl dazu führen, dass Bieter von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen sind. Darüber hinausgehend wird der Druck auf öffentliche Auftraggeber steigen, im Rahmen von Vergabeverfahren Vorgaben zur Einhaltung von Lieferketten-Sorgfaltspflichten vorzusehen.

Schon jetzt erlaubt das Bundesvergabegesetz beispielsweise, nur Unternehmen zu Vergabeverfahren zuzulassen, die über ein entsprechendes Lieferantenmanagement- und -überwachungssystem verfügen. 

Warum finden solche Vorgaben derzeit noch kaum Eingang in Vergabeverfahren? Derzeit wären sie kaum sachlich gerechtfertigt, auch weil nur die wenigsten Bieter sie erfüllen könnten. Das wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wohl ändern.