Schwarzes Auto an E-Tankstelle

Parkzeit mit Mehrwert

Der Individualverkehr der Gegenwart steht vor der größten Veränderung seit über hundert Jahren. Die Ära der fossilen Brennstoffe neigt sich dem Ende entgegen und mit dem Aufkommen alternativer Antriebe, allen voran dem Elektromotor, wird sich auch die Infrastruktur und das Nutzungsverhalten der Fahrzeugbesitzer ändern.

Tief steht die Abendsonne über dem Horizont. Eine Staubwolke nähert sich dem kleinen Städtchen und kündigt die baldige Ankunft des glorreichen Westernhelden an. Müde vom langen Ritt, ist der Saloon sein ersehntes Ziel. Endlich hat er ihn erreicht, doch anstatt abzusteigen, lässt er sein Pferd weitertraben. Erst am anderen Ende des Ortes, leicht außerhalb, macht er Halt. Der Cowboy steigt ab, pfercht seinem Gaul binnen Sekunden zehn Kilo Hafer in den Schlund und schüttet literweise Wasser nach. Im Nu sitzt er wieder im Sattel, abermals mit Zielrichtung Saloon. An diesem gallopiert er jedoch neuerlich vorbei, reitet etliche Straßen entlang und stellt sein Pferd schließlich vier Häuserblocks weiter ab, um sich zu Fuß auf den Weg zum Saloon zu machen.



Dieses Szenario mutet seltsam an? Nun, verlegt man die Geschichte ins Jetzt und ersetzt das Pferd durch ein Auto, ist es plötzlich das banalste Verhalten der Welt.



Zweifellos ist ein Pferd um ein Vielfaches umweltfreundlicher und ressourcenschonender als ein Auto. Will man also wieder zu einem nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Fortbewegungsmittel, wird man auch sein Mobilitätsverhalten ändern müssen. In Wahrheit hält der Cowboy nämlich gleich beim Saloon an, und während er sich drinnen vergnügt, hat sein Pferd genug Zeit, in Ruhe zu fressen, zu trinken und neue Energie zu sammeln.



Das E-Mobil und das Pferd haben übrigens einiges gemeinsam. Sie versorgen sich beide durch erneuerbare Energiequellen und sie brauchen ein wenig Zeit, um ihre Batterien wieder aufzuladen. Daraus ergeben sich zwei grundlegende Prämissen für die künftige E-Mobilität: Die Autos müssen „tanken“ während sie parken und die dafür notwendige Energiequelle muss direkt beim Parkplatz verfügbar sein. Ganz klar, gegenwärtig ist das praktisch nirgendwo der Fall. Das bedeutet, dass hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur sehr bald enorme Modifizierungen anstehen. Sehr bald heißt genauer gesagt schon jetzt. So sieht man das zumindest in Kärnten. Der Elektroantrieb für Pkw kommt so sicher wie das Amen im Gebet. Die Frage ist nicht mehr ob oder wann, sondern nur noch wie schnell, denn begonnen hat der Wandel schon längst.

Kärnten hat beste Ladeinfrastruktur der EU



In Österreich kaum bekannt, international jedoch viel beachtet, ist das südlichste Bundesland, mit ziemlichem Abstand die bestausgestattete Region innerhalb der EU-27 was die Ladeinfrastruktur betrifft.  Entgegen allen Empfehlungen ist man bereits 2009 davon ausgegangen, dass sich der Elektroantrieb durchsetzen wird, und nahm an, dass man die benötigten Ladestationen gar nicht schnell genug aufbauen wird können, sobald sie erforderlich werden. Heute gibt es in Kärnten 800 bis 900 öffentliche Ladestationen.

In Eichgraben sorgt ein Verein für Mobilität



Doch nicht nur auf Landesebene ist man zu der Überzeugung gelangt, dass an der E-Mobilität kein Weg vorbei führt. Immer mehr Gemeinden im gesamten Bundesgebiet starten Initiativen und setzen Projekte im Bereich strombetriebener Individualverkehr um. Beim diesjährigen Klimaschutzpreis erlangte beispielsweise der Verein ElektroMobil aus Eichgraben eine Nominierung. Siebzig Freiwillige erledigen Fahrtendienste im gesamten Ortsgebiet der niederösterreichischen Gemeinde. Ihr Ziel ist es, den motorisierten Individualverkehr zu verringern und auf umweltfreundliche Weise die Mobilität jener Gemeindebürger zu verbessern, die kein Fahrzeug haben bzw. verwenden wollen oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Wer Mitglied des Vereins wird, kann sich von Montag bis Samstag kostenlos mit dem Elektroauto befördern lassen. An Sonn- und Feiertagen steht der Wagen dann den Fahrern als Carsharing-Fahrzeug zur Verfügung. Nebenbei stärkt die Initiative das Bewusstsein der Bevölkerung, dass nicht immer ein eigenes Auto notwendig ist und gibt ihr die Möglichkeit, Elektromobilität selbst auszuprobieren. Eichgraben ist mit seiner Idee allerdings nicht alleine.

Über Umwege zur Förderung



Einige andere Gemeinden bieten ebenfalls Carsharing-Systeme an, die auf Elektromobilität beruhen, dabei ist das nicht unbedingt die praktikabelste Lösung. Besonders bei stationsgebundenen Fahrzeugen darf die Ladestation keine öffentliche sein, denn diese muss unbedingt frei sein, sobald das Auto zurückkommt. Der Hintergedanke bei der Errichtung solcher Systeme durch Gemeinden für ihre Bürger und ihre Bediensteten ist oft ein anderer. Die öffentliche Hand soll zwar als Vorbild vorausgehen und ihren  Fuhrpark umstellen, ist aber gleichzeitig die einzige, die das betriebswirtschaftlich nicht darstellen kann.



Da der Klimafonds und die dazugehörigen Ministerien es quasi unterbinden, dass die öffentliche Hand Förderungen für E-Fahrzeuge erhält, war das in vielen Bereichen die einzige Möglichkeit, in der Gemeinde ein E-Fahrzeug anzuschaffen und dafür eine Förderung zu erhalten. Über diesen rechtlich völlig einwandfreien Umwege kommt man also doch zu Förderungen. Auf diese Weise wird heuer übrigens eine noch höhere zweistellige Zahl an Fahrzeugen umgestellt. Beim Carsharing durch Gemeinden bestehen allerdings rechtliche Risiken in der Form, dass man als Autovermieter mitunter dafür haftbar gemacht werden kann, wem man das Auto vermietet hat, bzw. was der Mieter damit anstellt. Ratsam wäre es, die E-Mobilvermietung privaten Firmen zu überlassen, die es bereits gibt und die das auch gerne machen. Der Beitrag der Gemeinde kann darin liegen, diese Firmen für sich zu gewinnen und die benötigten Stellplätze zur Verfügung zu stellen.

Ladestationen dort errichten, wo die Menschen leben



Angesichts der bevorstehenden großen Veränderungen agieren manch Gemeindeverantwortliche noch recht unsicher. E-Mobilität ist ein sehr starkes verkehrsplanerisches Werkzeug. Richtig eingesetzt, kann es vieles zum Positiven verändern, leider wird aber auch öfter verschlimmbessert. Das klassische Beispiel dafür ist die Car-Sharing-Station, die gleichzeitig öffentliche Ladestation sein soll. Vielleicht auch noch direkt vors Rathaus gesetzt. Doch dort leben die Leute nicht, und wenn jemand kommt, ist die Station vermutlich besetzt. Dadurch vergrault man sich mehr Leute als man eigentlich zufriedenstellen wollte.



Was aber ist für Gemeinden sinnvoll und realistisch? Park-and-Ride-Anlagen mit Ladestationen auszustatten zum Beispiel, weil die Fahrzeuge dort üblicherweise lange Zeit stehen. Auf alle Fälle sollten es Parkplätze sein, die gezielt angesteuert werden. Als Faustregel gilt: Ladestationen sind überall dort sinnvoll, wo die Verweilzeiten größer als eine Stunde sind. Zuhause wäre folglich ideal. 90 Prozent der Ladungen geschehen zuhause oder in der Arbeit. In Deutschland ist man daher der Meinung überhaupt keine öffentlichen Ladesäulen zu benötigen. In Österreich ist man mehrheitlich anderer Meinung.



Zur Veranschaulichung: Eine Landeshauptstadt in Österreich. Auf einem relativ begrenzten Gebiet arbeiten rund 4000 Menschen. Deren Arbeitgeber kümmert es überhaupt nicht, ob die Arbeitnehmer Ladestationen haben. Sie finden schon kaum einen Parkplatz. In der selben Stadt befinden sich insgesamt rund 60.000 Wohneinheiten im geblockten Wohnbau, und kaum ein Bewohner hat die Chance, eine Ladestation zur Verfügung zu haben. Hier könnte die Gemeinde aktiv werden und versuchen, auf die Bauträger einzuwirken, dass sie Garagenplätze mit Ladestationen ausstatten. Ziel soll es sein, Ladestationen im geblockten Wohnbau zur Standardaustattung werden zu lassen, zumal auch in kleineren Gemeinden der Anteil am geblockten Wohnbau stetig zunimmt.



Dass dies ohnedies kommen wird zeigte jüngst ein Entwurf zur Änderung des Energieeffizienzpakets der EU-Kommission, die durchsetzen möchte, dass Einfamilienhäuser und andere kleinere Gebäude mindestens über eine entsprechende Vorverkabelung verfügen müssen und bei größeren Gebäuden wenigstens einer von zehn Parkplätzen mit einer festen Ladestation ausgestattet sein muss.



Wie auch immer Bauträger und EU handeln, die Gemeinden sollten dafür sorgen, dass auch Parkplätze auf öffentlichem Grund über eine Lademöglichkeit verfügen. Die Errichtungskosten für eine 22-kW-Ladesäule mit zwei Stellplätzen liegt momentan bei knapp 20.000 Euro. Über den Stromkonsum alleine kann sich das Ladesystem folglich nicht finanzieren. Selbst wenn man hohe Gewinnspannen hätte, läge der Gewinn nur bei ein paar Cent, denn einmal  „Volltanken“ kostet zwischen 2,5 und 2,7 Euro. Die gute Nachricht dabei: Es ist eigentlich gar nicht notwendig, die Ladesäulen selbst aufzustellen. Es gibt Firmen, die das machen wollen, und diese mögen es auch tun. Gemeinden sollten nicht dafür bezahlen, dass eine Ladestation errichtet wird, oder gar darüber hinaus auch noch für deren Betrieb. Diese Zeiten sind vorbei.

Der Ladeanschluss im Elektrofahrzeug, das sogenannte Lade-Inlet, und der dreiphasige Typ 2-Stecker, der im europäischen Raum am weitesten verbreitet ist und als Standard festgelegt wurde.

Wer errichtet Ladestationen?



Die brennendste Frage dazu lautet, wer sind diese Firmen und wie findet man sie? Die Antwort ist nicht ganz einfach. Momentan sind es hauptsächlich Energieunternehmen, die Ladestationen aufstellen wollen. Nun sind Energieunternehmen exzellent, wenn es darum geht, Kabel zu verlegen oder Strom zu erzeugen, bei Mobilitätssystemen haben sie allerdings keine besondere Expertise. Das ist weit weniger böse gemeint, als es sich im ersten Moment liest. Sie mussten sich bislang damit einfach nicht befassen, daher fehlt oftmals das notwendige Know-how. Sie tendieren dazu, Ladestationen vorzugsweise in der Nähe von Trafos zu errichten. Höchst selten ist das ein vernünftiger Standort, um die Ladestation gewinnbringend betreiben zu können, aber es ist nun mal für die Errichtung die günstigste Lösung.



Geschäfte, wie z. B. Supermärkte, aber auch Restaurants sind auch jetzt schon bereit, sich an den Errichtungskosten für Ladestationen zu beteiligen oder diese gänzlich zu übernehmen. Je früher sie damit dran sind, desto stärker wirkt der ökologische Imageeffekt. Und in weiterer Zukunft wird es zum fatalen Wettbewerbsnachteil, verfügt man über kein derartiges Plus, denn die Ressource Zeit wird immer wertvoller und die Möglichkeit, während des Einkaufs die Standzeit zum Laden zu nutzen, bzw. zu vergeuden, wird ein wichtiges Entscheidungskriterium werden. Die Mobilitätswende steht noch am Anfang: Daher ist es ratsam, mit guten Verkehrsplanern zusammenzuarbeiten, um Anfängerfehler zu vermeiden, denn die treten noch häufiger auf, als man denkt.

Alternative Wasserstoff?



Nun mag es Zweifler geben, die keineswegs vom unumwundenen Siegeszug der Elektromobilität überzeugt sind: Stichwort Wasserstoffantrieb. Tatsache ist, dass der rein elektrische Antrieb mit Batterien die Speerspitze zum Brechen der Monopolstellung von fossilkraftstoffbetriebenen Motoren sein wird. Das wird bis auf weiteres auch so bleiben. Wasserstoff, so die Einschätzung der Experten,  wird im Bereich der „Range Extender“, also kleiner Zusatzmaschinen, die als Stromgeneratoren fungieren, seinen Platz finden. Möglicherweise  auch im Bereich der Schwerfahrzeuge.



Die Erlanger Firma „Hydrogenious“ hat ein System entwickelt, das Wasserstoff in einem Thermo-Öl verspeichert, äquivalent zu reinem Wasserstoff bei einer Dichte von 350 bar – bei nur 2,5 bar und normaler Außentemperatur. Zusätzlich ist dieses Thermo-Öl schwerer entzündlich als Diesel. Druckbehälter fallen weg und Hochrisikotransporte sind kein Thema mehr.  Allerdings eignet sich das Thermo-Öl momentan nur für die stationäre Anwendung.  Bezüglich der herkömmlichen Speicherung hat Magna mit 350-bar-Druckbehältern eine Reichweite von 100 km erreicht, und nun den  700-bar-Drucktank entwickelt, mit dem Autos auf 200 km Reichweite kommen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob sich das in dieser Form bei Pkws durchsetzen wird, denn der Druck kann nicht unendlich nach oben getrieben werden. Schon für den jetzigen Drucktank wurden acht Jahre Forschungszeit und ein völlig neues Verbundsystem benötigt. Metall reichte dafür nicht mehr aus, weil bei 700bar Wasserstoff durch Metall diffundiert.



Einer überzeugenden und massentauglichen Entwicklung des Wasserstoffantriebs macht zudem die Schnellladefunktion beim Elektroantrieb Konkurrenz. Schnellladestationen reichen laut Standards bis 50 kW Gleichstrom, und werden für überregionale Verbindungen benötigt. Sie haben nichts mit kürzeren Standzeiten, sondern mit der Streckenlänge zu tun. Die Zeichen der Zeit zeigen also in jedem Fall Richtung vorherrschendem Elektroantrieb, bei dem die Vereinheitlichung der Stecker im Gegensatz zu Handys übrigens ausnehmend gut funktioniert hat. Der europäische Normstecker hat sich durchgesetzt. Fahrzeuge, die bis 2002 produziert wurden, verfügen zwar in Ermangelung damaliger Alternativen noch über Schuko-Stecker, sind aber Auslaufmodelle. Die Ladestationen werden über zwei bis drei unterschiedliche Anschlüsse verfügen. Es wird also auch nicht komplexer als bei den Tankstellen heute. Diesel, Super und Normalbenzin existieren ebenso parallel, und eine Vereinheitlichung wurde hier nie angestrebt.

Vernetzte Fahrzeuge suchen sich Parkplätze



Wenn man sich sicher sein kann, dass Stromtankstellen die Zukunft sind, und (Stand-)Zeit an Bedeutung zunehmen wird, tut man gut daran, diese Zeit bei der Parkplatzsuche bestmöglich einzusparen. Helfen können auch in diesem Fall die neuesten technischen Entwicklungen. Vernetzte Fahrzeuge werden in einigen Jahren automatisch mit permanent aktualisierten Daten über freie Stellplätze und Ladestationen versorgt werden und dem Fahrer auf dem Navigationsgerät, dem Display oder einem sonstigen Interface anzeigen. Diese Daten könnten durch Drohnenscans der Verkehrsflächen, über Sensorpunkte in der Straßenoberfläche und den Ladesäulen erhoben werden.



Denkbar ist sogar, dass die gegenwärtig noch in der Erprobung steckenden Selbstfahr-Funktionen zukünftiger E-Mobil-Modelle die Insassen an das gewünschte Ziel chauffieren, aussteigen lassen und sich anschließend alleine auf den Weg zur nächsten freien Ladestation machen. Ob dort ein ehemals arbeitsloser Ex-Tankwart als Steckwart auf sie wartet oder bis dahin ein automatischer Ladekontakt existiert, ist noch Zukunftsmusik und gehört ins Reich der Spekulationen.

Herausforderung für den Datenschutz



Ganz real und bereits im Einsatz ist hingegen ein intelligentes Parkleitsystem, das zudem von einem Österreicher initiert wurde. Der gebürtige Tiroler Christian Adelsberger gründete das Start-up-Unternehmen Parkbob, dessen App mit Hilfe diverser Handydaten seine Nutzer verblüffend präzise auf freie Parkplätze im Stadtgebiet hinweist. Als optionaler Teil der Handy-Parken-App von A1 greift Parkbob in Österreich auf einen Datenpool von über einer halben Million Smartphones zu. Diese Masse ist notwendig, um valide Prognosen über freie Stellplätze geben zu können, zumindest in Wien. Für die Landeshauptstädte, die kommendes Jahr folgen, sind weit weniger Nutzer notwendig. Ausgewertet werden die Daten nach eigenen Angaben völlig anonym. In kleineren Gemeinden, so Adelsberger, sind hingegen fest verbaute Parkplatzsensoren die sinnvollste Lösung,



In jedem Fall werden die Begriffe Datenschutz und Anonymität in Zeiten der totalen Vernetzung über kurz oder lang neu gedacht werden müssen. Zumindest in diesem Punkt wird sich der Cowboy mit seinem Pferd auch weiterhin einen Vorsprung in puncto Natürlichkeit bewahren, denn wirklich niemand weiß, wohin er reitet, nachdem er im Sonnenuntergang verschwunden ist.