Bernhard Haubenberger - Jurist beim GB
Bernhard Haubenberger: "Der Entwurf der Önorm sieht weit über die raumordnungsgesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Untersuchungen bei Änderungen von Flächenwidmungen vor."

Önorm-Entwurf sorgt für großen Wirbel

Mit dem Normengesetz 2016 sollten an sich wesentliche Probleme des Normenwesens beseitigt werden. Seit kurzem ist ein Entwurf einer Önorm im Umlauf, der deutlich aufzeigt, dass weiterer Handlungsbedarf besteht.

Mit dem Normengesetz 2016 wurden erste Schritte gesetzt, um den Bedenken gegen die Fülle und Vielfalt von Normen zumindest teilweise Rechnung zu tragen.

Intention des neuen Rechtsrahmens war vor allem die Sicherstellung der notwendigen Transparenz bei der Erarbeitung von Normen.

Neben der Schaffung einer Schlichtungsstelle, der Einrichtung eines Normungsbeirats, der Schaffung eines teilweisen kostenlosen Zugangs zu verbindlichen Normen wurden auch explizit Grundsätze der Normungsarbeit in das Gesetz aufgenommen - siehe unten.

Grundsätze der Normungsarbeit wurden nicht eingehalten

Diesen Umständen zum Trotz ist derzeit ein Entwurf einer Önorm (Önorm S 2411 – „Identifikation und Bewertung von Risiken im Boden von Liegenschaften“) im Umlauf, bei dessen Erarbeitung offensichtlich gleich mehrere wesentliche Grundsätze der Normungsarbeit nicht eingehalten wurden.

  • So sieht der Entwurf der Önorm weit über die raumordnungsgesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Untersuchungen bei Änderungen von Flächenwidmungen vor. Waren bislang die Erhebungen der Ortsplaner in einem zumutbaren Ausmaß und für die ordnungsgemäße Raumplanung der Gemeinden ausreichend, fordert der Entwurf der Önorm nun völlig praxisfremd, für jedes Grundstück zig Untersuchungen durch Experten durchzuführen, Relevanz und Risiken zu bewerten und diese Ergebnisse für jede Parzelle nachvollziehbar vorzuhalten. Das ist ein Aufwand, der einen überschaubaren Planungshorizont der Flächenwidmung verunmöglicht.
  • Für die Raumordnung und Flächenwidmung der Gemeinden besteht nicht zuletzt auch auf Grund der bestehenden Regelungen in den Raumordnungsgesetzen der Länder weder Bedarf und schon gar keine Notwendigkeit, umfangreiche Erhebungen hinsichtlich der Risiken bereits im Stadium des Widmungsverfahrens durchzuführen und zu vermerken. Hinzu kommt, dass mit dieser Vorgabe das gesamte Kosten- und Haftungsrisiko auf die Gemeinden abgewälzt wird, sollten sich im Zuge einer Bebauungsplanung bzw. der Umsetzung von Bauprojekten Risiken verwirklichen, die bereits im Zeitpunkt der Flächenwidmung hätten identifiziert werden können.
  • Äußerst bedenklich erscheint, dass wesentliche Vertreter betroffener Kreise an der Normungsarbeit bzw. der Erarbeitung dieser Önorm gar nicht eingebunden wurden und damit auch nicht teilnehmen konnten. Weder wurden die kommunalen Interessensvertreter noch Vertreter der ebenso betroffenen Länder eingebunden.

Der Österreichische Gemeindebund, der diesen Entwurf von dritter Seite erhalten hat, hat eine deutliche Stellungnahme verfasst und die Forderung erhoben, dass der Entwurf der Önorm noch vor ihrer Herausgabe zurückgezogen wird.  

Grundsätze der Normungsarbeit

Prinzipien, die bei der Schaffung von Normen zu beachten wären, sind

  • die neutrale Gemeinschaftsarbeit mit der Möglichkeit einer Mitarbeit aller interessierten Kreise;
  • die Kohärenz;
  • die Transparenz;
  • die Offenheit;
  • der Konsens;
  • die Freiwilligkeit der Anwendung von Normen;
  • die Unabhängigkeit von Einzelinteressen;
  • die Effizienz;
  • die Gesetzeskonformität;
  • die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen (Kosten/Nutzen).