Verbauung eines Flusses in Tirol
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Naturschutz und Wasserkraft

Mit der Novelle des Tiroler Naturschutzgesetzes wurden Neuregelungen getroffen, die vor allem für Wasserkraftanlagen relevant sind. Diese Neuregelungen bewegen sich aber teilweise in einem gewissen Spannungsfeld zu bundesrechtlich erlassenen Gesetzen und auch zur EU-Vogelschutz-Richtlinie.

Am 28. 1. 2015 wurde durch Landesgesetzblatt Nr. 14/2015 die letzte Novelle zum Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (idF Tir NSchG 2005) kundgemacht. Diese enthält mehrere Neuerungen, von denen jene hervorgehoben werden sollen, die Wasserkraftanlagen betreffen. Mit der Novelle wurde die Interessenabwägung gemäß § 29 Abs. 2 Tir NSchG 2005 modifiziert: Für die (neuerliche) Erteilung der Bewilligung für befristet bewilligte Wasserkraftanlagen bzw. die Änderung von bestimmten bestehenden Wasserkraftanlagen sollen in der Interessenabwägung auf Seiten des Naturschutzes lediglich die nachteiligen Auswirkungen auf den ökologischen Zustand der Gewässer samt den hierfür maßgeblichen Uferbereichen zu berücksichtigen sein. Dies ist insofern erstaunlich, als der Schutz der unionsrechtlich gebotenen gewässerökologischen Zielsetzungen ohnehin (bundesrechtlich) durch das Wasserrechtsgesetz (WRG) abgedeckt wird. Ob die Nicht-Berücksichtigung anderer Schutzgegenstände des Tir NSchG 2005 tatsächlich die gewünschte Verwaltungsvereinfachung bringen wird, bleibt abzuwarten.

Ausweisung hochwertiger Gewässerstrecken



Im Fall des Bestehens bundesrechtlicher Planungen nach dem WRG soll die Landesregierung ermächtigt werden, hochwertige Gewässerstrecken auszuweisen. Dies mit der Folge, dass bestimmte Vorhaben dort ausnahmslos verboten sind. Dabei handelt es sich nach den Erläuterungen um solche, welche „typischerweise“ zu einer Verschlechterung des ökologischen Zustands führen. Betroffen sind hier in erster Linie Wasserkraftanlagen. Im Ergebnis werden hier also bereits durch das WRG bundesrechtlich geregelte Regelungszusammenhänge tangiert. Das WRG eröffnet dem Projektwerber allerdings im Fall einer Verschlechterung des ökologischen Zustands durch ein konkretes Projekt noch die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung gemäß § 104 Abs. 2 leg. cit. (nach Durchführung einer Abwägung der widerstreitenden öffentlichen Interessen bzw. Alternativenprüfung). Für die Beurteilung derselben Parameter soll jedoch in derartigen „hochwertigen Gewässerstrecken“ nach dem Tir NSchG 2005 eine Ausnahme explizit ausgeschlossen und auch keiner Interessenabwägung zugänglich sein (die Erläuterungen sprechen bezeichnenderweise davon, dass in diesen Fällen die Interessenabwägung bereits auf Gesetzes- und Verordnungsebene vorweggenommen wird).



Hier offenbart sich eine nicht zu unterschätzende verfassungsrechtliche Problematik: Fragen der Verschlechterung des ökologischen Zustandes bzw. der Erreichung der unionsrechtlich gebotenen Umweltziele sind bundesrechtlich im WRG geregelt. Nunmehr werden durch den Landesgesetzgeber bei bestimmten Gewässerstrecken dieselben bereits wasserrechtlich zu beurteilenden Gesichtspunkte strenger geregelt.



Vogelschutz - Neue Ausnahmemöglichkeit von artenschutzrechtlichen Verboten für Vorhaben der Energiewende: Wie bisher ist die Behandlung des Lebensraumes von Vögeln, die durch die EU-Vogelschutz-RL geschützt sind, in einer Weise, dass ihr weiterer Bestand in diesem Lebensraum erheblich beeinträchtigt oder unmöglich wird, verboten. Mit der Novelle wurde nun für „Vorhaben der Energiewende“ eine Ausnahmemöglichkeit von diesem Verbot geschaffen, wenn es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt und sonstige zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder anderweitiger positiver Folgen für die Umwelt die Erteilung der Bewilligung rechtfertigen.



Nachdem der genannte Verbotstatbestand nicht (explizit) in der EU-Vogelschutz-RL erwähnt wird, geht der Landesgesetzgeber laut Erläuterungen davon aus, er könne Ausnahmebewilligungen auch von anderen als in der EU-Vogelschutzrichtlinie genannten Voraussetzungen abhängig machen (das Europarecht lässt eine Ausnahme von artenschutzrechtlichen Verboten, bei der auch öffentliche Interessen sozialer oder wirtschaftlicher Art berücksichtigt werden können, nur bei von der FFH-RL geschützten Arten zu, nicht aber bei Vögeln). Die nun geschaffene Regelung für „Vorhaben der Energiewende“ (welche immer das konkret sein sollen) ist aber unionsrechtlich insofern problematisch, als der Verbotstatbestand, für den diese Ausnahme herangezogen werden können soll, nur scheinbar nicht in der EU-Vogelschutz-RL geregelt ist. Denn eine Beeinträchtigung des Lebensraums von Vögeln, die zu einer Gefährdung ihres Bestandes führen, stellt nichts anderes als eine „Störung“ im unionsrechtlichen Sinne dar. Eine „Störung“ geschützter Vogelarten kann aber unionsrechtskonform nur unter den in der Vogelschutz-RL genannten Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung erfolgen, der Landesgesetzgeber kann die Voraussetzungen dafür nicht weniger streng gestalten.