Die Veröffentlichung hat in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise zu erfolgen.
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Neue Veröffentlichungspflichten ab 2023

Mit 1. Jänner 2023 tritt die sogenannte Veröffentlichungspflicht in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen in Auftrag gegebene Gutachten, Studien und Umfragen mitsamt Kosten veröffentlicht werden.

Die neue Regelung des Art. 20 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz sieht vor, dass alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe Studien, Gutachten und Umfragen, die sie in Auftrag gegeben haben, samt deren Kosten in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise zu veröffentlichen haben. Die Informationen sind solange und soweit zu veröffentlichen, als nicht deren Geheimhaltung gemäß Art. 20 Abs. 3 geboten ist, so etwa „im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts“, „zur Vorbereitung einer Entscheidung“ oder „im überwiegenden Interesse der Parteien“.

Da diese neue Bestimmung zahlreiche Auslegungsfragen aufwirft, haben das Bundeskanzleramt und die Länder Leitlinien bzw. Rundschreiben verfasst, die einige offene Punkte klären. Zudem gibt es bereits erste Literatur zu dieser neuen Bestimmung.[1]

Was muss veröffentlicht werden?

Die Bestimmung spricht ausschließlich von Studien, Gutachten und Umfragen (mitsamt Kosten). All jene Punkte, die im erläuternden Ausschussbericht genannt sind (wie Leitbilder, Konzepte, Publikationen, Werbebroschüren) finden im Gesetzeswortlaut keine Deckung und müssen daher nicht veröffentlicht werden. Wichtig ist, dass es bei der Frage, ob es sich um ein veröffentlichungspflichtiges Werk handelt, nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt ankommt. Wenn daher von einer „Stellungnahme“ die Rede ist, es sich dabei aber unzweifelhaft um eine Studie handelt, dann ist die „Stellungnahme“ (Studie) zu veröffentlichen. Zudem muss es sich um Werke handeln, die die Erbringung von geistigen Leistungen zum Inhalt haben.

Bei der Auslegung der Begrifflichkeiten (Studien, Gutachten, Umfragen) wird man sich, so es sich nicht um Rechtsbegriffe mit eigener Deutung handelt, am allgemeinen Sprachgebrauch orientieren.

Ein Gutachten (Rechtsbegriff) besteht in der Regel aus dem erhobenen Befund und einem sachkundigen Urteil. Ein Vorbefund des Rauchfangkehrers muss daher ebenso nicht veröffentlicht werden wie ein Prüfgutachten nach § 57a KFG. Ein Rechtsgutachten hingegen fällt unter die veröffentlichungspflichtigen Dokumente, Rechtsauskünfte dagegen nicht.[2]

Unter einer Studie versteht man nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine wissenschaftliche Untersuchung einer Einzelfrage und bei einer Umfrage handelt es sich um eine systematische Befragung mehrerer Personen nach ihrer Meinung.

Unter welchen Voraussetzungen muss veröffentlicht werden?

Unerheblich ist, ob an der Veröffentlichung der Werke ein allgemeines Interesse besteht. Es sind alle Studien, Gutachten und Umfragen zu veröffentlichen. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich bei diesen Werken um geistige Leistungen handelt, die von Verwaltungsorganen des Bundes, der Länder oder Gemeinden in Auftrag gegeben und von dritter Seite gegen Entgelt erbracht wurden (wobei es hinsichtlich der Kosten keine Bagatellgrenze gibt).

Keine Veröffentlichungspflicht gilt für all jene Gutachten, die verwaltungsintern oder im Rahmen von Verwaltungsverfahren „in Auftrag gegeben“ wurden, gleich ob es sich um Gutachten von Amtssachverständigen oder nicht amtlichen Sachverständigen handelt.

Notwendig für eine Veröffentlichungspflicht ist auch, dass die Werke fertiggestellt wurden. Entwürfe, Konzepte, vorläufige Ergebnisse, Zwischenberichte usw. sind daher nicht zu veröffentlichen.

Welche Kosten sind zu veröffentlichen?

Neben den eigentlichen geistigen Werken sind auch die Kosten zu veröffentlichen, wobei nicht Rechnungen oder Honorarnoten, sondern schlicht die dem auftraggebenden Organ entstehenden Kosten im Sinne des Entgelts für die geleistete Arbeit zu veröffentlichen sind. Ein administrativer Aufwand des Verwaltungsorgans im Zusammenhang mit der Beauftragung hat daher außer Betracht zu bleiben.

Sollten mehrere Organe eine Studie, ein Gutachten oder eine Umfrage in Auftrag gegeben haben, so sind gleichzeitig mit dem, von jedem dieser Organe zu veröffentlichendem Werk die Kosten anteilig zu veröffentlichen.

Wer muss veröffentlichen?

Nur diejenigen Organe, die die betreffenden Werke „in Auftrag gegeben haben“ sind veröffentlichungspflichtig. Organe, die lediglich im Besitz dieser Werke sind, sind nicht veröffentlichungspflichtig. Die Bestimmung spricht von Verwaltungsorganen und meint damit nicht nur jene im organisatorischen Sinn sondern (auch) jene im funktionalen Sinn.

Neben Gemeindeverbänden sind etwa auch mit Aufgaben der Hoheitsverwaltung „beliehene“ private natürliche oder juristische Personen sowie ausgegliederte Einrichtungen veröffentlichungspflichtig. Sollte etwa eine Immobilien GmbH einer Gemeinde mit einem Gutachten beauftragt werden, dann ist dieses Gutachten zu veröffentlichen.

(Ab) Wann und wie lange muss veröffentlicht werden?

Explizit wird in den Übergangsbestimmungen (Art. 151 Abs. 67 B-VG) ausgeführt, dass die Veröffentlichungspflicht nur für Studien, Gutachten und Umfragen gilt, die nach Inkrafttreten (1. Jänner 2023) in Auftrag gegeben wurden. Eine Veröffentlichung von bis dahin in Auftrag gegebenen Werke muss daher ebenso wenig erfolgen, wie eine Nacherfassung von alten Studien, Gutachten oder Umfragen.

Mangels gesetzlicher Regelung ist davon auszugehen, dass die Werke unter Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie nach Abschluss des Werkes und Kenntnis der Erstellungskosten spätestens binnen drei Monaten zu veröffentlichen sind. Die Veröffentlichung muss „solange“ und „soweit“ deren Geheimhaltung nicht aus Gründen der Amtsverschwiegenheit (Geheimhaltungsgründe) geboten ist erfolgen. Nachdem Studien, Gutachten und Umfragen auch dann zu veröffentlichen sind, wenn offensichtlich gar kein öffentliches bzw. allgemeines Interesse daran besteht, sind ebenso mangels gesetzlicher Schranken die Werke unbefristet zu veröffentlichen.

Wann darf (nicht) veröffentlicht werden?

Ein Werk im Sinne der neuen Bestimmung darf dann und insoweit nicht veröffentlicht werden, als einer Veröffentlichung Gründe der Verschwiegenheitspflicht (Art. 20 Abs. 3 B-VG) entgegenstehen.

Wenn daher die Geheimhaltung „im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts“, „zur Vorbereitung einer Entscheidung“ oder „im überwiegenden Interesse der Parteien“ geboten ist, sind diese Informationen nicht zu veröffentlichen, bzw. erst dann zu veröffentlichen, wenn der Geheimhaltungsgrund weggefallen ist.

Wenn daher ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde, das als Grundlage für eine erst zu treffende Entscheidung (etwa Sanierungsprojekt) dient, dann wird diese Information mitsamt Kosten erst dann zu veröffentlichen sein, wenn die Entscheidung getroffen wurde. Komplizierter wird die Angelegenheit dann, wenn durch die Veröffentlichung des Gutachtens Interessen des Gutachters (Urheberrecht, Datenschutzrecht, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) berührt werden. Denn hierzu ist im Wege einer Interessensabwägung zu prüfen, welches Interesse schwerer wiegt: jenes der Öffentlichkeit an einer Veröffentlichung oder jenes des Gutachters an einer Geheimhaltung.

Der Parteienbegriff des Art. 20 Abs. 3 B-VG, der die Geheimhaltungsgründe aufzählt, ist deutlich weiter als etwa der Parteienbegriff des AVG. Im Sinne des Art 20 Abs. 3 B-VG („im überwiegenden Interesse einer Partei“) ist jeder „Partei“, über den die Behörde geheime Tatsachen besitzt. Wenn daher in einem beauftragten Verkehrswertgutachten zu einer Liegenschaft personenbezogene Daten Dritter enthalten sind, so ist auch dieser Dritte „Partei“. Sollte eine Geheimhaltung im überwiegenden Interesse dieser Person (des Dritten) geboten sein (Recht auf Datenschutz), so darf die Information (das Gutachten) nicht veröffentlicht werden.

Andererseits sind Werke auch teilweise zu veröffentlichen (arg. „soweit“), wenn nur Teile davon geheim zu halten sind und die Inhalte trennbar sind (insbesondere durch teilweise Unkenntlichmachung wie z.B. Schwärzung). Eine Geheimhaltung des ganzen Werks scheidet diesfalls aus.

Aber nicht nur datenschutzrechtliche, sondern etwa auch urheberrechtliche Aspekte spielen eine Rolle. Bereits bei der Beauftragung von Studien, Gutachten und Umfragen wird daher auf die grundsätzliche Veröffentlichungspflicht hinzuweisen sein. Ebenso sollten bereits bei der Beauftragung des Werkes die Verfasser daran erinnert werden, dass die Aufnahme potentieller Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in die Studie, das Gutachten bzw. die Umfrage von vornherein möglichst vermieden werden sollte.

Wie muss veröffentlicht werden?

Die Veröffentlichung hat in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise zu erfolgen. Eine Veröffentlichung kann daher im Wege der jeweiligen Internetseite des Organs erfolgen (Gemeindehomepage). Werden die Werke im Internet veröffentlicht, sind diese barrierefrei darzustellen. Auch eine Veröffentlichung über eine zentrale Internetseite für mehrere Organe ist möglich.

Ein zentrales (Metadaten-)Register, wie es etwa der - nach wie vor aktuelle - Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes vorsieht, ergibt sich nicht aus der neuen Bestimmung. Im Gegenteil. Die Veröffentlichung im Internet ist nicht die einzige zulässige Art und Weise.

Das Bundeskanzleramt wie auch die Länder gehen davon aus, dass die Bestimmung auch derart vollzogen werden kann, dass die zu veröffentlichenden Studien, Gutachten und Umfragen (mitsamt Kosten) während der Parteiverkehrszeiten zur öffentlichen Einsicht in den Amtsgebäuden aufgelegt werden. In der Praxis wird das wohl darauf hinauslaufen, dass die Werke archiviert werden und bei Interesse eine Einsichtnahme ermöglicht wird.

Gibt es ein Recht auf Veröffentlichung?

Art. 20 Abs. 5 B-VG ist als objektive verfassungsgesetzliche Verpflichtung der funktionellen Verwaltungsorgane formuliert. Mit dieser Bestimmung wird kein subjektives Recht auf Veröffentlichung eingeräumt. Diese ist daher individuell nicht im Rechtsweg durchsetzbar. Die Nichteinhaltung dieser Pflicht ist vielmehr gemäß den allgemeinen Bestimmungen betreffend eine rechtliche und politische Verantwortung der veröffentlichungspflichtigen Organe sanktioniert.[3]

 

[1] Vgl. Miernicki, Die Veröffentlichungspflicht von Informationen der Verwaltungsorgane, ÖJZ 2002, 1132, sowie Bundeskanzleramt Verfassungsdienst, Rundschreiben 1. Dezember 2022, Veröffentlichungspflicht gemäß Art. 20 Abs. 5 B-VG, sowie Land Oberösterreich Abteilung Präsidium, LEITFADEN – Veröffentlichungspflicht von Gutachten, Studien und Umfragen (Art. 20 Abs. 5 B-VG).

[2] Vgl. Miernicki, aaO, S. 1134.

[3] Bundeskanzleramt Verfassungsdienst, Rundschreiben 1. Dezember 2022, Veröffentlichungspflicht gemäß Art. 20 Abs. 5 B-VG.