Österreichischer Gerichtshof von außen
Das Höchstgericht hat seine bisherige Judikaturlinie fortgesetzt, wonach das Recht einer Gemeinde an ihrem eigenen Namen alleine noch keinen rechtlichen Anspruch auf Übertragung einer namensgleichen Internet-Domain vom bisherigen Inhaber der Internet-Domain auf die Gemeinde begründet.

Namensrecht von Gemeinden im Internet

Mit dem Teilurteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) vom 11.8.2015, 4 Ob 75/15f zur Frage der Homepage der Salzburger Gemeinde Unken erging ein höchstgerichtliches Judikat, das für Gemeinden in mehrfacher Hinsicht von besonderer Wichtigkeit ist.

Das Höchstgericht hat seine bisherige Judikaturlinie fortgesetzt, wonach das Recht einer Gemeinde an ihrem eigenen Namen alleine noch keinen rechtlichen Anspruch auf Übertragung einer namensgleichen Internet-Domain vom bisherigen Inhaber der Internet-Domain auf die Gemeinde begründet. Zum anderen wurde erstmals ausgesprochen, dass die Geltendmachung von namensrechtlichen Ansprüchen durch Gemeinden dann nicht mehr möglich ist, wenn die Gemeinde die Benutzung Ihres Namens als Internet-Domain für fünf aufeinanderfolgende Jahre geduldet hat und dabei in Kenntnis dieser Nutzung war. Insbesondere zur Frage der Kenntnis und auf wessen Wissen es für den Kenntnisstand der Gemeinde dabei ankommt, finden sich zu beachtende Ausführungen des Höchstgerichtes.

Der Sachverhalt



Dem im RIS veröffentlichten Judikat ist folgender (für den Beitrag gekürzter) Sachverhalt zu entnehmen:



Die Salzburger Gemeinde Unken und ein Internetdienstleistungsunternehmen sowie deren Geschäftsführer streiten über die Frage, ob Letztere zur Nutzung des - urkundlich erstmals 1128 erwähnten - Namens der Gemeinde als Internet-Domain berechtigt sind („unken.at“).



Der Geschäftsführer hatte die strittige Domain im Jahr 2000 von einem Dritten für das Unternehmen erworben. Dies stellte die Gemeinde 2002 fest, als sie versuchte, die Domain für sich selbst registrieren zu lassen. In weiterer Folge beschwerte sich der Obmann des regionalen Tourismusverbands beim damaligen Vizebürgermeister der Klägerin, dass die unter der Domain abrufbare Website keine Werbung für die Gemeinde Unken enthalte. Dieser ersuchte daraufhin den Geschäftsführer um eine Verlinkung zu den Webseiten der Gemeinde und des Tourismusverbands, über eine Übertragung der Domain an die Gemeinde sprachen die beiden nicht. In einer Gemeindevertretungssitzung berichtete der Vizebürgermeister über die beabsichtigte Verlinkung, die der Geschäftsführer dann auch tatsächlich einrichtete. Eine formelle Zustimmung zur Nutzung ihres Namens erteilte die Gemeinde nicht.



In den Folgejahren gestaltete die Erstbeklagte die Website um, löschte die Verlinkung und leitete Internetnutzer automatisch auf eine unter „lofer.at“ betriebene Website weiter. Dabei handelte es sich um eine Plattform für die Gemeinden der Region. (…). Weiters bildete das Unternehmen aus der Domain „unken.at“ Subdomains (wie „name.unken.at“) und E-Mail-Postfächer (wie „name@unken.at“) und stellte diese ihren Kunden zur Verfügung.



Im Jahr 2012 forderte der Bürgermeister der Gemeinde vom Unternehmen und deren Geschäftsführer die Herausgabe der Domain. Diese stimmten nicht zu, boten aber der Gemeinde die Gestaltung einer darunter aufrufbaren Website an, wofür die Gemeinde einmalig 4.000 bis 6.000 Euro sowie monatlich 2.000 Euro zahlen sollte. Die Gemeindevertretung lehnte das ab.



Nach Ergehen einer von der Gemeinde beantragten einstweiligen Verfügung löschte die Erstbeklagte den Inhalt der Website. Bei deren Aufruf unter der Domain „unken.at“ erscheint nun der Vermerk, dass „die Seite“ nicht erreichbar sei. Die E-Mail-Adressen und Subdomains stellt sie ihren Kunden weiter zur Verfügung.“



In der Klage vom November 2012 begehrte die Gemeinde neben der Unterlassung der Verwendung des Namens „Unken“ zur Kennzeichnung einer Internet-Website (nach einem Teilanerkenntnisurteil wurde dieses Unterlassungsbegehren modifiziert) weiters Übertragung der Domain „unken.at“ auf die Gemeinde und die Abgabe sämtlicher dafür notwendigen Erklärungen, insbesondere gegenüber der Domainvergabestelle „nic.at“.



Die Gemeinde beruft sich auf ihr Namensrecht gemäß § 43 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) sowie auf das Vorliegen von unlauterem Domain-Grabbing gemäß der Rechtsprechung zu § 1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).



Das Landesgericht Salzburg gab dem Klagebegehren in I. Instanz Folge, das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.



Gegen die Berufungsentscheidung erhoben das Unternehmen und deren Geschäftsführer außerordentliche Revision an den OGH, die als zulässig und teilweise auch als berechtigt angesehen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Kein Anspruch auf Übertragung der Domain



Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen beurteilte der OGH, dass „unlauteres Domain-Grabbing im gegenständlichen Fall nicht vorliegt. Weder eine Domainvermarktung noch eine Domainblockade trifft zu. Das Unternehmen hat die Domain wirtschaftlich genutzt. Das steht der Annahme entgegen, das Unternehmen hätte die Domain (zumindest überwiegend) in der Absicht erworben, sie der Gemeinde gegen Entgelt anzubieten oder die Gemeinde durch eine bloße Scheinregistrierung zu behindern“.



Der OGH führte auch aus, dass „angesichts der im maßgebenden Zeitraum durchaus schwankenden Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Ortsnamendomains dem Unternehmen und dem Geschäftsführer auch kein sonst in irgendeiner Weise unlauteres Verhalten vorgeworfen werden kann.



Die Gemeinde kann sohin Ihre Ansprüche nicht auf Domain-Grabbing sondern „nur auf ihr Namensrecht stützen. Auf dieser Grundlage besteht jedoch kein Anspruch auf Übertragung der Domain“. Der OGH führt unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine hierzu bereits ergangene Rechtsprechung „Schladming.com II“ und „Omega.at“aus, dass er an dieser Judikaturlinie „festhält“.



Zur Begründung wird weiters angeführt, dass § 1041 ABGB, auf welcher eine sogenannte Verwendungsklage mit Übertragungsanspruch gestützt werden könnte, „mangels ausschließliche Zuweisung des Namens „Unken“ an die Gemeinde nicht anwendbar ist; die Existenz eines anderen Namensträgers ist nicht ausgeschlossen. (…). Besitzrechtliche Erwägungen scheitern daran, dass die Gemeinde über die strittige Domain nie verfügt hatte.“ Eine analoge Anwendung europarechtlicher Regelung in Bezug auf eu-Domains wurde mangels erkennbarer Regelungslücke nicht vorgenommen.



Der OGH hat aus diesen genannten Gründen das Begehren der Gemeinde auf Übertragung der Domain - unter ausdrücklicher Beibehaltung seiner bisherigen Judikatur - abgewiesen.

Verwirkung namensrechtlicher Ansprüche von Gemeinden



a) Im zweiten Teil seiner Entscheidung schafft der OGH sodann insofern eine neue Rechtslage zum Namensrecht von Gemeinden, als mit dem vorliegenden Judikat erstmals ausgesprochen wurde, dass namensrechtliche Ansprüche von Gemeinden - analog zu markenrechtlichen Ansprüchen von Markeninhabern - dann ausgeschlossen („verwirkt“) sein können, soweit von der Gemeinde die Benutzung ihres Namens als Internet-Domain für fünf aufeinanderfolgende Jahre in Kenntnis dieser Benutzung geduldet wurde, wobei der Nutzer bei Aufnahme der Nutzung nicht bösgläubig gewesen sein darf.



Ohne auf die dogmatischen Überlegungen des Höchstgerichts, die zur analogen Anwendung der Verwirkungsbestimmung des § 58 Abs. 1 Markenschutzgesetzes auf namensrechtliche Ansprüche von Gemeinden geführt haben, im Detail einzugehen, sei erwähnt, dass das Höchstgericht die Auffassung vertritt, dass einer Gemeinde - im Unterschied zu einer natürlichen Person - die Verfolgung ihrer namensrechtlichen Ansprüche ohne weiteres zumutbar ist. Ausgeführt wird weiters, dass „zudem Gemeinden regelmäßig auch selbst wirtschaftlich tätig werden, was im gegebenen Zusammenhang ebenfalls für die Gleichbehandlung mit (anderen) Unternehmen spricht“.



Letztlich bedeutet diese Auffassung des Höchstgerichts, dass die Geltendmachung namensrechtlicher Ansprüche von Gemeinden nach Ablauf von fünf Jahren unter Umständen dann nicht mehr möglich (verwirkt) ist, wenn die Gemeinde die Benutzung ihres Namens (in Form einer Internet-Domain, wodurch ein eigenes Kennzeichenrecht des Nutzers entstehen kann) in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat. Ob alle Voraussetzungen für eine mögliche Verwirkung vorliegen, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles.



b) Von entscheidender Bedeutung für Gemeindevertreter sind die abschließenden Ausführungen des Höchstgerichts zur Frage der „Kenntnis“ der Benutzung. Es geht dabei darum, auf „wessen Wissen es für den Kenntnisstand der Gemeinde ankommt“, sohin um die Frage der Zurechnung eines Wissens/Wissensstandes von Organen bzw. Gemeindevertretern oder auch Gemeindebediensteten zur Gemeinde als Trägerin des Namensrechts.



Der OGH unterscheidet in seinen Ausführungen dabei zwischen der „Wissenszurechnung, die weder den Abschluss von Rechtsgeschäften noch das Fassen von Beschlüssen betrifft“, und der Frage, wer aufgrund der internen gemeinderechtlichen Organisationsvorschriften für die (gerichtliche) aktive Geltendmachung oder den etwaigen Verzicht auf namensrechtliche Ansprüche befugt ist.



Im Ergebnis muss das Wissen über die Nutzung des Gemeindenamens als Internet-Domain durch eine dritte Person nicht bei jenem Organ (oder den Mitgliedern jenes Organs) vorliegen, welches nach der Gemeindeordnung für eine aktive Beschlussfassung über einen Verzicht auf das Namensrecht oder eine gerichtliche Geltendmachung zuständig ist.



Nach den Ausführungen des OGH „ist grundsätzlich der Wissensstand des Bürgermeisters maßgebend. Denn seine Vertretungsbefugnis erfasst auch die passive Vertretung im Zusammenhang mit der Kenntnis rechtserheblicher Tatsachen. (…). Daher ist Kenntnis der Gemeinde jedenfalls dann anzunehmen, wenn dem Bürgermeister - als dem allgemeinen vertretungsbefugten Organ - die noch strittige Nutzung des Gemeindenamens bekannt war.“



Das Höchstgericht führt aber auch aus, dass „sich aus der internen Organisation einer Gemeinde auch die Relevanz des Wissens einer anderen Person - etwa des Amtsleiters - ergeben könnte“, sodass diesfalls dessen Wissen der Gemeinde zugerechnet würde.



Auch ein Wechsel im Amt des Bürgermeisters wäre unerheblich, weil das Wissen des bisherigen Bürgermeisters bereits der Gemeinde als deren Kenntnis zuzurechnen ist.



Der OGH stützt seine Auffassung auch auf schadenersatzrechtliche Judikatur im Zusammenhang mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wonach „für den Beginn der Verjährungsfrist die internen Organisationsvorschriften der jeweiligen Gebietskörperschaft maßgebend sind, es genügt das Wissen des „zuständigen Referatsleiters“.

Bedeutung der Entscheidung



Das Wissen einer Bürgermeisterin/eines Bürgermeisters oder einer/eines für die jeweilige Sachmaterie zuständigen und verantwortlichen Referats-(Amts)leiterin/leiters von (gesicherten) Fakten, Informationen, Umständen, im Zweifel wohl auch Gerüchten, die geeignet sind, Rechte und Ansprüche einer Gemeinde zu begründen oder zu verletzen, wird für die Berechnung von Fristen zur Setzung von Verfolgungs-, Durchsetzungs- oder Abwehrhandlungen der Gemeinde zugerechnet.



Für die Auslösung des Fristenlaufs kommt es sohin nicht darauf an, dass jenes Organ, welches beispielsweise über die Einbringung einer Klage oder über den Abschluss eines Vergleichs nach der Gemeindeordnung zu entscheiden hat, über diese Umstände in Kenntnis ist. Die Wissenszurechnung an die Gemeinde und sohin die Auslösung der Frist erfolgt bereits durch Kenntnis der Bürgermeisterin/des Bürgermeisters bzw. der/des verantwortlichen Referats-(Amts)leiterin/leiters der rechtserheblichen Tatsache.



Gelangen sohin solche rechtserheblichen Tatsachen zur Kenntnis, ist das für ein aktives Handeln nach der NÖ Gemeindeordnung zuständige Organ (Gemeinderat, gegebenenfalls Gemeindevorstand) unverzüglich zu informieren, damit dieses gegebenenfalls aktive Handlungen fristgerecht beschließen kann.