Hecht im Badeteich
Ein Bub wurde von einem Hecht attackiert und musste im Krankenhaus behandelt werden.
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Ein Hechtbiss im Badeteich

Vor rund drei Jahren wurde im Badeteich eines See- und Naturbades, welches von einer Gemeinde betrieben wird, ein Bub von einem Hecht in den Fuß gebissen und verletzt. Die Gemeinde wurde in weiterer Folge auf Zahlung von Schmerzengeld und Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden geklagt. Das Gericht erster Instanz hat der Klage stattgegeben. Vor kurzem wurde diese Entscheidung vom Berufungsgericht bestätigt. Die Entscheidung stützt sich (auch) auf die sogenannte Tierhalterhaftung des § 1320 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB).

Zivilgerichtliche Verfahren und Urteile beruhen auf allgemein gültigen Grundsätzen und Vorschriften, insbesondere auf der Zivilprozessordnung. Auf Basis von wechselseitigem Vorbringen der Streitparteien, nach Vornahme eines Beweisverfahrens (Durchführung der beantragten Beweismittel, wie z. B Einholung von Sachverständigengutachten, Aussagen von Zeugen und Parteien) stellt das Gericht in freier Beweiswürdigung zunächst jenen Sachverhalt fest, den es für erwiesen erachtet.

Dieser festgestellte Sachverhalt wird sodann vom Gericht in rechtlicher Hinsicht beurteilt; das Gericht hat dabei zu prüfen, ob für den behaupteten und eingeklagten Anspruch (hier Schmerzensgeld) eine rechtliche Anspruchsgrundlage - auf Basis des vom Gericht zuvor festgestellten Sachverhaltes - besteht oder nicht. 

Raubfische sollten Wasserqualität sichern

Im gegenständlichen Fall war es nach den gerichtlichen Feststellungen so, dass die beklagte Gemeinde als Eigentümerin einer Liegenschaft, auf welcher sich ursprünglich ein großer Fischteich befand, diese zu einem öffentlichen See- und Naturbad nach ökologischen Maßstäben umbaute. Gerichtlich festgestellt wurde, dass der bestehende Fischbestand abgefischt und Wasserpflanzen zur Regulierung der Wasserqualität eingesetzt wurden. Das Gewässer wurde anschließend mit Raubfischen (zunächst Huchen) besetzt, um zu verhindern, dass diese Pflanzen von bodenwühlenden Fischen gefressen werden, wobei dies eine übliche, ökologisch zielführende Maßnahme ist.

2007 wurde (neben der naturschutzrechtlichen Bewilligung) die wasserrechtliche Bewilligung erteilt; diese mit der - gerichtlich festgestellten - Auflage: „Zur Vermeidung eines übermäßigen Fischbestandes ist in regelmäßigen Abständen (ca. alle fünf Jahre) eine Abfischung vorzunehmen“, wobei nach den Feststellungen damit eine professionelle Abfischung mit Netzen gemeint ist.

2006 und 2007 wurden Huchen (insgesamt 42 kg Biomasse) eingesetzt; diese überlebten jedoch nicht, weshalb im Jahr 2008 sodann Hechte (131 kg Biomasse) eingesetzt wurden.

Zu viele Hechte im Teich

Im Beweisverfahren wurde auch ein veterinärmedizinischer Sachverständiger mit der Erstellung von Befund und Gutachten beauftragt. Vom Gericht wurde in Beweiswürdigung dessen Gutachtens festgestellt, dass es grundsätzlich üblich ist, Badegewässer mit Raubfischen, so auch mit Hechten, zu besetzen. Das Gericht hat in Würdigung des Gutachtens auch Feststellungen zur Lebensart und Gefährlichkeit von Hechten (grundsätzlich für den Menschen ungefährlich, allerdings hoher Grad an Aggressivität in der Laichzeit, erhöhtes Aggressionspotential bei erhöhten Wassertemperaturen, …) getroffen. Nach der gerichtlichen Beweiswürdigung und den getroffenen Feststellungen kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass es im Badeteich zum Zeitpunkt des Vorfalls einen „absoluten Überbesatz an Hechten“ gab, weil die im Jahr 2008 eingesetzte (zu große) Hecht-Biomasse aufgrund der jährlichen Gewichtszunahme und Vermehrung der Fische ungehindert auf mehr als eine Vierteltonne Biomasse bis zum Jahr 2013 anwachsen konnte.

Vom Gericht wurde weiters festgestellt, dass ein Bediensteter der Gemeinde lediglich ca. 25 kg (4-5 Hechte, die über 80 cm groß waren) im Jahr 2013 entnommen hat, danach stieg die Hecht-Biomasse bis zum Zeitpunkt des Vorfalls 2015 ohne weitere Entnahmen an.

Eine professionelle Abfischung der Fische mit Netzen war, so die Feststellungen des Gerichts, seit der Bewilligung der Anlage nicht erfolgt.

Schließlich wurde vom Gericht aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens festgestellt, dass sich vor Beginn der Badesaison ein Hechtangriff ereignete; ein Taucher mähte das Seegras im Badeteich und wurde von einem Hecht angegriffen, er konnte den Hecht mit seiner Sichel töten.

Festgestellt wurde auch, dass beim Badeteich ein Schild mit der Aufschrift „Baden auf eigene Gefahr“ aufgestellt war.

Diese - auszugsweise wiedergegebenen – Sachverhaltsfeststellungen hat das Gericht erster Instanz sodann dahingehend rechtlich gewürdigt, dass ein Fall der sogenannten Tierhalterhaftung des § 1120 Satz 2 ABGB vorliegt. Diese Bestimmung lautet:

„Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte.“

Gemeinde war „Halter“ der Fische

Das Gericht führt in rechtlicher Hinsicht aus, dass die beklagte Gemeinde „Halter“ (im Sinne dieser Gesetzesbestimmung) der im Badeteich lebenden Hechte ist, weil allein die beklagte Partei Entscheidungen darüber treffen konnte, wie viele Hechte welcher Größe und welchen Gewichts in dem Badeteich lebten und damit ihr Verhalten regulieren konnte.

Nach Auffassung des Gerichts hatte es nur die beklagte Gemeinde in der Hand, derartige Entscheidungen durch die Anordnungen einer Abfischung auch umzusetzen. Das Gericht führte aus, dass das Verhalten der Hechte sich allein durch die Regulierung ihrer Menge, Größe und ihres Gewichts beeinflussen ließ.

Zwar führt das Gericht an, dass der Gesetzestext sichtlich von Sachverhalten mit domestizierten Tieren ausgeht („Beaufsichtigung und Verwahrung“), führt aber weiters begründend aus, dass auch in einem Badeteich lebende Hechte in dem Sinne beaufsichtigt und verwahrt werden können, als ihr Verhalten gegenüber Menschen durch Regulierung ihrer Menge, Größe und ihres Gewichts kontrolliert werden kann. 

Abfischen hätte Gefahr gebannt

Weiters führte das Gericht - entscheidungswesentlich - aus, dass durch die professionelle Abfischung eines allfälligen Überbestands das mit einem solchen verbundene, gesteigerte Aggressionspotential des Hechts eingedämmt und dadurch eine Gefährdung des Menschen durch Hechtangriffe reduziert werden kann.

Die beklagte Gemeinde wäre aufgrund der Gefahr, die von dem Überbestand an Hechten ausging, zu einer solchen Abfischung in regelmäßigen Abständen - ca. alle fünf Jahre laut der wasserrechtlichen Auflage - verpflichtet gewesen (Nach den Feststellungen erfolgte eine solche Abfischung seit der Bewilligung der Anlage nicht).

Verwahrung muss zumutbar sein

Im Berufungsurteil wurde zur Verwahrungspflicht des Tierhalters gemäß § 1320 ABGB ausgeführt, dass es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, welche Verwahrungspflicht den Tierhalter trifft. Die Vorkehrungen müssen dem Tierhalter jedenfalls zumutbar sein. Der beklagten Gemeinde wurde vom Berufungsgericht zugestanden, dass an die Verwahrung von Fischen in einem Teich andere Anforderungen als an diejenige etwa von Hunden und Pferden zu stellen sind.

Nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes im Berufungsurteil ist es aber generell so, dass der Tierhalter (auch das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Gemeinde Halterin der Fische des von ihr betriebenen Badeteichs ist) die Einhaltung der objektiv erforderlichen Sorgfalt bei der Verwahrung und Haltung der Tiere zu beweisen hat. Der Tierhalter hat daher zu beweisen, dass er sich nicht rechtswidrig verhielt. Misslingt dem Tierhalter dieser Beweis, so haftet er nach der Rechtsprechung für sein rechtswidriges, wenn auch schuldloses Verhalten.

Sorgfalt ist maßgeblich für Schadenersatzpflicht

Das Berufungsgericht hat in Bestätigung des Urteils des Erstgerichtes hierzu ausgeführt, dass für die Bejahung oder Verneinung der Schadenersatzpflicht des Tierhalters die - objektiv - gebotene Sorgfalt maßgeblich ist. Dabei ist darauf abzustellen, was nach der Verkehrsauffassung vernünftigerweise geboten, (orts)üblich und zumutbar ist.

Basierend auf dem festgestellten Sachverhalt führte das Berufungsgericht aus, dass aufgrund des absoluten Überbestandes an Hechten in dem Badeteich ein erhöhtes Aggressionspotential bestand, bei welchem es vorkommen kann, dass Hechte auch Menschen attackieren, um ihr Revier zu verteidigen.

Gemeinde hätte schneller reagieren müssen

Nach den Ausführungen im Berufungsurteil liegt der maßgebliche Vorwurf darin, dass die beklagte Gemeinde der bescheidmäßigen Auflage der Verringerung der Fischbiomasse durch Abfischen alle fünf Jahre nicht nachgekommen ist. Auch hätte, so das Berufungsgericht, nach Bekanntwerden des ersten Vorfalls (Taucher wurde von einem Hecht angegriffen) der Ursache für diesen Angriff nachgehen, zumindest aber der behördlichen Auflage, eine Abfischung vorzunehmen, nachkommen müssen.

Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts ist letztlich die Ursache der Hechtattacke in einem Überbestand infolge der unterbliebenen Abfischung gelegen, weshalb der beklagten Gemeinde der Nachweis einer ordentlichen Verwahrung der Hechte nicht gelungen ist und daher die Gemeinde nach der Bestimmung des § 1320 Satz 2 ABGB als Tierhalter haftet.

Warntafel reicht nicht

Beide Gerichte haben, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, ausgeführt, dass das bloße Aufstellen einer Warntafel „Baden auf eigene Gefahr“ zur Haftungsbefreiung nicht genügt, weil diese Aufschrift nicht auf die von den im Teich gehaltenen Tieren ausgehenden Gefahren hinweist. Mit anderen Worten: es fehlte sohin eine Warnung vor den konkret ausgehenden Gefahren, also eine Warnung spezifisch vor Hechtattacken.

Aus den wiedergegebenen Urteilsinhalten folgt zunächst, dass - wie auch das Berufungsgericht ausführt - es von den Umständen des Einzelfalles abhängt, welche Verwahrungspflicht den Tierhalter trifft. Vorkehrungen zur Verwahrung müssen dem Tierhalter jedenfalls zumutbar sein. Der Tierhalter hat die Einhaltung der objektiv erforderlichen Sorgfalt bei der Verwahrung und Haltung der Tiere zu beweisen, er hat zu beweisen, dass er sich nicht rechtswidrig verhielt.

Im konkreten Fall ist dies der beklagten Gemeinde nicht gelungen, weil es zu keiner, mit behördlicher Auflage vorgeschriebenen, professionellen Abfischung in regelmäßigen Abständen (ca. alle fünf Jahre) kam, um einen übermäßigen Fischbestand zu vermeiden.

Auch wurde - nach den gerichtlichen Feststellungen und Ausführungen - der Ursache des Vorfalles mit dem Taucher nicht näher nachgegangen.

Schlussfolgerungen

Es wäre meiner Auffassung nach falsch, wenn der gegenständliche Fall lediglich unter der Rubrik „Einzelfall“ eingereiht würde.

Mit den vorliegenden Urteilen gibt es eine Rechtsprechungslinie zu einem Hechtbiss in einem Badeteich einer Gemeinde (wenn auch nicht höchstgerichtlich, da eine ordentlichen Revision gegen das Berufungsurteil an den Obersten Gerichtshof aufgrund der Höhe des Streitwertes (nicht mehr als 30.000 Euro) dem Gesetz entsprechend für nicht zulässig erklärt wurde).

Aus diesen beiden Urteilen ergeben sich die angewandten und ausführlich begründeten Kriterien für eine Haftungszurechnung an eine Gemeinde.

Im Berufungsurteil findet sich dazu die Ausführung, dass es für die Haftung des Tierhalters auf dessen - objektiv - gebotenen Sorgfalt ankommt, wobei darauf abzustellen ist, was nach der Verkehrsauffassung vernünftigerweise geboten, (orts)üblich und dem Tierhalter zumutbar ist. Die fristgerechte Einhaltung und Umsetzung einer behördlichen Auflage ist nach den Urteilsausführungen darunter jedenfalls zu verstehen.

Der vorliegende Fall sollte daher jedenfalls zum Anlass genommen werden, die in der Gemeinde bestehende Bescheidlage samt Auflagen und Prozess- und Fristenmanagement unter Beteiligung aller Verantwortlichen nachzuprüfen und dort, wo mögliche Risikopotentiale aufgrund einer denkmöglichen Tierhalterhaftung bestehen könnten, zu überlegen, ob die Gemeinde (bzw. deren Organe) bei der Verwahrung und Haltung der Tiere die objektiv gebotene Sorgfalt nach den dargestellten Kriterien einhält. Auch dies wird nicht generell beurteilt werden können, sondern wiederum vom konkreten Einzelfall abhängen. Mit den vorliegenden Urteilen sind jedenfalls die Kriterien hierfür vorgegeben.