Häuser in Andelsbuch
„Würden sich Bund, Länder und Gemeinden auf Qualitätskriterien als Ziele gegen den Bodenverbrauch einigen, die bei Erreichung auch monetär belohnt würden, wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung getan“, so Architekt Ernst Rainer vom Büro für Resiliente Raum- und Stadtentwicklung.
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Raumplanung

Mit Baukultur gegen Bodenverbrauch

Das Thema Bodenverbrauch wird vom Bund und den Gemeinden schon lange als äußerst dringlich erachtet und sozusagen zur Chefsache erklärt. Die relevante Handlungskompetenz liegt nach wie vor bei den Gemeinden, was auch gut ist. Viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister tun ihr Bestes – dies sollte sich für die Gemeinden aber auch finanziell lohnen.

Österreichs Böden stehen im Spannungsfeld zahlreicher Bedürfnisse: Sie liefern die Fläche für Straßen, Gewerbe und Wohnen, sie dienen der Produktion von Nahrungsmitteln und Rohstoffen und sie sind Lebensraum für Mikroorganismen, Insekten, Pflanzen und Tiere. Zwar konnte der Bodenverbrauch in Österreich seit 2010 halbiert werden – von 24 Hektar auf 12 Hektar pro Tag  -, dennoch besteht weiterhin dringender Handlungsbedarf. 

Lösungen werden insbesondere im Bereich der Baukultur geortet. Die vom Bundeskanzleramt herausgegebenen „Baukulturellen Leitlinien des Bundes“ legen einen Schwerpunkt auf Flächensparen und kompakte Siedlungsentwicklung. Auch der kürzlich veröffentlichte vierte Baukulturreport sieht die sorgsame baukulturelle Gestaltung unserer Umwelt als wesentliches Mittel, um die begrenzte Ressource Boden effizienter und nachhaltiger zu nutzen.

Die Rolle der Gemeinden

Im Gegensatz zu anderen Staaten bilden in Österreich Landesgesetze die Grundlage für die überörtliche und örtliche Raumordnung und Raumplanung. Die Vollziehung der örtlichen Raumplanung fällt nach dem Bundesverfassungsgesetz in den Wirkungsbereich der Gemeinden – eine Kompetenzverteilung, die immer wieder heiß diskutiert wird. Österreichs Gemeinden stehen dabei regelmäßig und pauschal im Zentrum öffentlicher Kritik. 

Selbst wenn in der Vergangenheit Kritik manchmal ihre Berechtigung hatte (was sehr zu diskutieren wäre), wurde längst ein Schwenk vollzogen. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister greifen zunehmend auf kluge Instrumente der Architektur zurück und etablieren baukulturelle Konzepte.

Wie nachhaltig und erfolgreich viele von ihnen eine aktive Bodenpolitik umsetzen, zeigt die Verleihung des diesjährigen Landluft Baukulturgemeinde-Preises, der unter dem Motto „Boden g’scheit nutzen“  stand. Aus den 37 Einreichungen prämierte die Jury in einem mehrstufigen Prozess acht Kommunen für ihr baukulturelles Engagement. Alle sind Vorzeigebeispiele im Umgang mit der Ressource Boden.

Mut zu wirksamen und innovativen Instrumenten

Innenentwicklung, Nachverdichtung, Leerstandsmanagement und Baulandmobilisierung heißen die Schlagworte, durch die sich diese Gemeinden ausgezeichnet haben. In den meisten Fällen setzen kluge architektonische Konzepte auf Strategien zur Ortskernstärkung, gegen Leerstand und Zersiedelung nach dem Motto: „Im Kern wird verdichtet und gebaut wird ausschließlich im Bestand.“

Auch Architekt Daniel Fügenschuh, Vorsitzender der Bundessektion ArchitektInnen und Vizepräsident der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen, plädiert für qualitätsvolle Nachverdichtungskonzepte.

Daniel Fügenschuh
Daniel Fügenschuh, Vorsitzender der Bundessektion ArchitektInnen und Vizepräsident der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen: „Im Balanceakt zwischen nachhaltigem Ressourcenschutz und den aktuellen Bedürfnissen der Bevölkerung leisten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister täglich große Arbeit.“

„Im Balanceakt zwischen nachhaltigem Ressourcenschutz und den aktuellen Bedürfnissen der Bevölkerung leisten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister täglich große Arbeit. Wichtig ist dabei, dass vonseiten der Immobilienentwickler, Architekturschaffenden und der öffentlichen Hand die Bodenversiegelung bei der Planung und Entwicklung von neuen Projekten immer mitgedacht wird, um so Lösungen zu finden, die nachhaltiger sind. Das bedarf allerdings des Muts zu Innovation, den hoffentlich immer mehr Menschen im Bauwesen beweisen“, betont Fügenschuh. 

Anreize schaffen

Die Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im Rahmen der Raumordnung ist regelmäßig Mittelpunkt von Kritik. Übersehen wird dabei, dass diese bereits jetzt ausreichend Handlungsspielraum bietet, um dem massiven Verbrauch unserer Böden langfristig entgegenzuwirken. Wie immer hängt der Erfolg von der gelebten Praxis ab. Eine Schwachstelle des Systems: Es gibt kaum Faktoren, die Länder und Gemeinden zum Eindämmen des faktischen Bodenverbrauchs auch animieren würden – Versiegelung wird derzeit vom Bund belohnt.

Dabei wollen zunehmend mehr Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aktiv gegen den Bodenverbrauch steuern. Ein Anreizsystem, das beispielsweise im Rahmen des Steuerausgleichs jene Gemeinden belohnt, die aktiv einen Beitrag gegen den Klimawandel leisten, wäre der richtige Ansatz. Und würden sich Bund, Länder und Gemeinden auf Qualitätskriterien als Ziele einigen, die bei Erreichung auch monetär belohnt würden, wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung getan.

Ernst Rainer
Architekt Ernst Rainer, Büro für Resiliente Raum- und Stadtentwicklung: „Zersiedelung wird durch den Steuerausgleich belohnt. Zu viele Best-Practice-Gemeinden schauen leider durch die Finger.“ Foto: Nikola Milatovic

Architekt Ernst Rainer vom Büro für Resiliente Raum- und Stadtentwicklung meint dazu: „Zersiedelung wird derzeit durch den Steuerausgleich belohnt. Zu viele Best-Practice-Gemeinden schauen dabei leider durch die Finger. Im Fokus des einsetzenden Klimawandels, der Zielvorgaben der Europäischen Union, des New Green Deal und des damit verbundenen neuen Europäischen Bauhaus müssen auch wir in Österreich endlich umdenken. Wir brauchen dringend rechtlich verbindliche nationale Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Raumentwicklung. Städte und Kommunen, die eine Innenentwicklung forcieren, müssen über einen entsprechenden nationalen Städtebaufonds finanziell und logistisch unterstützt werden.“

Geheimwaffe Gestaltungsbeirat

Um qualitative und nachhaltige Raumpolitik zu betreiben, greifen immer mehr Gemeinden auf einen Gestaltungsbeirat zurück. Fügenschuh: „Ein Gestaltungsbeirat ist ein beratendes Gremium, das es Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ermöglicht, den Anforderungen in Bezug auf Transparenz und Bürgerbeteiligung besser gerecht zu werden. Noch in der Frühphase eines Projekts erstellen die Beiräte typischerweise Gutachten, in denen sie die Qualität neuer Bauwerke im Spannungsraum ihrer Umgebung bewerten, und liefern damit ein wichtiges Instrument für Entscheidungsträger.“

Beispielsweise setzt Mödling (NÖ), eine der Gewinnerkommunen des Baukulturgemeinde-Preises, ihr erfolgreiches Gartenstadt-Konzept mit dem Ziel, Altes zu erhalten und Neues nur mit Bedacht zu schaffen, mit Unterstützung eines Gestaltungsbeirats um. Dazu wurde bereits in den 1980er-Jahren der erste Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für ganz Mödling erstellt und im Jahr 2000 das erste Örtliche Entwicklungskonzept beschlossen. Weiters gibt es unterschiedliche Schutzzonenkategorien, die kleinteilig den Gebäudebestand schützen und unterschiedliche Entwicklungen gestatten.

Bei geplanten Veränderungen an diesen Gebäuden wird von Beginn an der seit 2008 bestehende Gestaltungsbeirat beigezogen. Er setzt sich aus fünf Architekt*innen zusammen, die keine Planungsaufträge in der Stadt annehmen dürfen.

Fazit

Wie so oft in der Politik ist es die sachliche, emotionsfreie Betrachtung, die es zu suchen gilt. Wenn der Bund über seinen Schatten springen könnte und ein gut abgestimmtes Anreizsystem schüfe, so könnte ein beispielloser Schulterschluss aller Ebenen herbeigeführt werden. Nutznießer wäre niemand Geringerer als unsere Umwelt.