Gernot Kremser
Gernot Kremsner: „Ich verstehe oft nicht, dass sich viele meiner Kollegen so sehr mit irgendeiner Partei identifizieren, dass sie wegen der Interessen einer Partei Schwierigkeiten in der Gemeinde riskieren und Konflikte mit den eigenen Bürgern in Kauf nehmen.“

"Kostenloses Mithelfen ist nicht umsonst"

Bürgermeister Gernot Kremsner bringt seine Bürger dazu, wie früher, freiwillig für die Gemeinschaft zu arbeiten. Beim Glasfaserausbau ging er selbst mit gutem Beispiel voran.

Herr Bürgermeister, wie sind sie in die Politik gekommen?

Ich stamme eigentlich aus St. Michael und nicht aus Rohr, bin also ein Zugezogener. Seit 2003 bin ich in Rohr und habe 2007 mit meiner Frau hier Haus gebaut. Ich hatte bereits einen guten Kontakt zu meinem Vorgänger gehabt, der mich immer wieder gefragt hat, ob ich Interesse habe, für die Liste zu kandidieren. Wir sind ja in Rohr nicht ÖVP, sondern eine Liste. Das habe ich aufgrund des Hausbaus etc. immer verneint.

Dann hatten wir in unserer kleinen Gemeinde abseits der Hauptverkehrswege das Problem betreffend Internet. Ich habe versucht mit dem Bürgermeister und den Gemeinderäten, eine ordentliche Internetversorgung zu bekommen. Ich habe mich ins Zeug gehaut, und schließlich haben wir tatsächlich eine Glasfaserleitung über vier bis fünf Kilometer von Stegersbach nach Rohr gegraben. Das hat vieler Gespräche bedurft, doch letztendlich haben wir das - auch noch kostengünstig geschafft. Obwohl ich zu dem Zeitpunkt kein Gemeinderat oder sonst etwas war, war das mein eigentlicher Start in die Politik. Im Oktober 2014 bin ich schließlich als Gemeinderat angelobt worden.  

Sie kommen aus der Baubranche. Hat das beim Glasfaserausbau geholfen?

Auf alle Fälle. Jedes Projekt benötigt einen Projektleiter, der plant, der die Bauaufsicht macht, und der Angebote einholt. Ich habe das alles selbst gemacht und natürlich hat das die Gemeinde nichts gekostet. Angefallen sind nur die tatsächlichen Grabungskosten bzw. die Finanzierung dafür.

Die Liste Rohr widerspricht jeder Behauptung, die sie in die Nähe der ÖVP rückt. War dadurch die Hemmschwelle niedriger, der Liste beizutreten, da man nicht auch für bundepolitische Anliegen laufen muss, die man vielleicht gar nicht so sehr vertritt?

Wir sind in Rohr bereits seit 26 Jahren eine Liste. Natürlich muss man dazusagen, dass mein Vorgänger ÖVP-Mitglied und auch ÖVP-Obmann war. Aber ich persönlich und alle meine Gemeinderäte sind keine Mitglieder irgendeiner Partei.

Mir ist es schon wichtig, dass jeder seine Meinung hat, doch wesentlich ist für uns und die Gemeinde, dass wir für die Bevölkerung da sind. Da ist Parteipolitik nicht wirklich wichtig. Ich verstehe auch oft nicht, dass sich viele meiner Kollegen so sehr mit irgendeiner Partei identifizieren, dass sie wegen der Interessen einer Partei Schwierigkeiten in der Gemeinde riskieren und Konflikte mit den eigenen Bürgern in Kauf nehmen. Ich gehe zu jedem Bürger hin und kann mit jedem reden. Das ist natürlich ein Vorteil.

Rohr war bereits rund 20 Jahre lang mit zwei Nachbargemeinden zusammengelegt. Anfang der 90er wurden sie wieder getrennt. Ist eine Gemeindefusion, angesichts der gegenwärtig forcierten Zusammenlegungen wieder ein Thema?

Im Burgenland sind Gemeindefusionen generell kein Thema. Das hat auch schon Landeshauptmann Nissel deutlich gesagt. Wenn ich mit meinen Kollegen rede, egal welcher Partei, habe ich auch den Eindruck, dass das niemandes Wunsch ist, sondern es so bleiben soll, wie es ist.

Ich weiß, in der Steiermark hat es die Zusammenlegungen gegeben. Ich weiß aber nicht, wie es nun um diese Gemeinden bestellt ist. Ob die nun einen riesigen finanziellen Vorteil haben oder nicht kann ich nicht beurteilen. Bocksdorf, Heugraben und Rohr waren eine gemeinsame Gemeinde, und wurden 1991 wieder getrennt. Es gibt weiterhin eine gemeinsame Gemeindeverwaltung und einen Gemeindeverband mit Sitz in Bocksdorf, jedoch hat jede Gemeinde einen eigenen Bürgermeister, Amtsleiter und Bauhof. Wir nützen Synergien, bleiben aber eigenständig.

Was war ihre schwierigste Entscheidung im Amt?

Das war mit Sicherheit jene, ob ich meinen Vorgänger nochmals mit auf die Liste nehme oder nicht. Er hat gut 25 Jahre sehr viel für Rohr getan. Letztendlich habe ich mich allerdings dagegen entschieden. Das war nicht einfach, weil es von der menschlichen Seite her notwendig war mit aller Deutlichkeit zu sagen: „Nein, ich will das nicht.“ Wenn ich ihn brauche, kann ich ihn weiterhin jederzeit anrufen.

Wodurch sind sie geprägt worden?

Wir waren vier Kinder. Mein Vater war Gemeindediener und meine Mutter war Hausfrau und hat ebenfalls in der Gemeinde mitgearbeitet. Als die Schulkollegen in der Hauptschule auf Schikurs gefahren sind, sind wir nicht mitgefahren, denn wir haben das Geld dazu einfach nicht gehabt. Allerdings haben nicht unsere Eltern gesagt, dass wir uns das nicht leisten könnten, sondern ich und mein Zwillingsbruder haben das selbst gesehen. Unsere Eltern haben immer darauf geachtet, dass es uns gut geht, doch wir haben mitbekommen, dass wir uns nicht alles leisten können und haben selbst Nein gesagt. Rücksichtnahme und das Hineinversetzen in andere waren immer präsent und hat uns in unserer Entwicklung sicherlich geprägt, und so schaut man auch in der jetzigen Zeit vielleicht mehr auf andere Leute, denen es oft nicht so gut geht.

Prägend war auch der Zusammenhalt der Menschen. Nachbarn haben zusammengearbeitet, und wenn etwas für die Gemeinde zu tun war, haben alle gemeinsam mit angepackt. Das versuche ich auch jetzt in Rohr zu forcieren. Vor 25 Jahren ist hier viel geschehen. Es herrschte eine Aufbruchstimmung, das Gemeindehaus ist gebaut worden und dabei haben alle mitgearbeitet. Danach ist die Wasserleitung von der Bevölkerung gebaut worden. Doch dann ist das Ganze mit der Zeit mehr und mehr eingeschlafen.

Voriges Jahr, als wir eine Eisstockbahn gebaut haben, habe ich mich bemüht, Bürger, die ca. in meinem Alter sind, dazu zu bewegen, dass wir gemeinsam und unentgeltlich in unserer Freizeit bei der Errichtung mithelfen, und da ist wirklich etwas entstanden. Rund 30 bis 40 Leute, längst nicht nur in meinem Alter, sondern auch Junge und Pensionisten haben fleißig, freiwillig und kostenlos mitgearbeitet. So, wie ich es früher selbst erlebt habe. Das freut mich sehr, denn das fördert natürlich die Gemeinschaft.

Sind die Bestrebungen in Rohr, Österreichs größtes Niedermoor zu fördern, noch aktuell?

Wir haben das größte Niedermoor im pannonischen Raum, das auch ein zertifiziertes Heilmoor ist. Das würden wir gerne verwerten. Allerdings nicht in der Form, dass wir es mit einem Bagger auslöffeln, abtransportieren und derart irgendwie verwerten. Vielmehr denken wir da an etwas Kleines, Lokales. Eine Heilmooranstalt wäre eine schöne Aufwertung des regionalen Angebots. Aber natürlich ist es schwer Investoren zu finden. Nachdem die Therme Stegersbach in der Nähe ist, wäre das eine gute Ergänzung: Stegersbach hat das Thermalwasser und Rohr hat das Moor. Den Moorwanderweg haben wir auf alle Fälle jetzt schon, und die Bestrebungen das Moor bekannter zu machen laufen.

Doch es gibt noch genug anderes zu tun. Ein Problem wird die Kanalisation werden. Die kommt in die Jahre und wir wissen, dass wir schon jetzt Geld dafür einkalkulieren müssen. Der Bauhof braucht einen Zubau und die Feuerwehr ebenso. Wir haben nur knapp 400 Einwohner und müssen uns nach der Decke strecken. Natürlich haben auch wir das Problem mit der Abwanderung, daher bemühen wir uns den Einfamilienhausbau zu fördern. Die jungen Leute kommen zum Großteil wieder zurück, wenn sie hier das eigene Haus haben

Die Einwohnerzahl ist in den vergangenen 40 Jahren in Rohr annähernd gleich geblieben. Für das Südburgenland ein vergleichsweise guter Verlauf.

Vielleicht auch aufgrund der Nähe zu Stegersbach sind die Häuser, die leer stehen, immer relativ schnell wieder vermietet. Was aber schmerzt, ist speziell die Abwanderung der jungen Leute. Wenn die einmal nach Wien oder Graz gehen, sind sie weg und bleiben es auch. Die Abwanderung der Rohrer tut weh, auch wenn der Zuzug anderer natürlich ok ist. Ohne die Abwanderung der jungen Einheimischen hätten wir vielleicht 30 oder 40 Personen mehr.

Der Mensch hinter dem Bürgermeister

Zuhause ist für mich: Wenn ich zuhause bei meiner Familie bin.  

Ich rege mich auf... Wenn jemand die Unwahrheit sagt und falsche Behauptungen durch den Ort trägt.

Ich fahre: einen sieben Jahre alten Ford Galaxy (Firmenwagen) und privat einen ebenfalls sieben Jahre alten Ford Kuga.

Das will ich unbedingt noch erleben: Mich würde sehr interessieren, wie es in 50 Jahren um unsere Erde bestellt ist.

Mein Lebensmotto: Ich habe keines, aber ich versuche Aufgaben schnellstmöglich und zur größtmöglichen Zufriedenheit aller zu erledigen.

Wie würden Sie sich selbst beschreiben? Hilfsbereit

Zur Person

Name: Gernot Kremser

Alter: 44

Gemeinde: Rohr im Burgenland

Einwohnerzahl: 387 (1. Jänner 2017)

im Amt seit: 28. Oktober 2016

Partei: Liste Rohr