
Die Nominierten zum LandLuft-Sonderpreis beim Hearing in Waidhofen/Ybbs.
© LandLuft-Lupi-Spuma
Baukultur
Initiativen, die zeigen, wie man Baubestand vernünftig nutzt
Der Verein LandLuft prämierte neben den Baukulturgemeinden 2021 auch neun Initiativen, die „Boden g’scheit nutzen“ und damit außergewöhnliches zivilgesellschaftliches Engagement zeigen. Eine märchenhafte Geschichte mit Happy End beispielsweise hat die Initiativgruppe „Kanaltaler-Siedlung Villach“ zu erzählen. Sie beginnt mit dem drohenden Abriss der rund 80 Jahre alten, architekturhistorisch bedeutsamen Kanaltaler-Siedlung in Villach.
Da eine verantwortungsvolle Bodennutzung nicht nur von der kommunalen Ebene getragen wird, sondern vielfach vom Engagement und den Aktivitäten regionaler Zusammenschlüsse, Bürgerinitiativen und Einzelpersonen lebt, haben wir einen Sonderpreis für außergewöhnliches Engagement ins Leben gerufen. Im Fokus stehen Beispiele für einen zukunftsweisenden Umgang mit Grund und Boden“, so LandLuft-Obfrau Elisabeth Leitner zur Idee hinter dem Sonderpreis.
In Villach formierte sich die Initiativgruppe „Kanaltaler-Siedlung Villach“, sammelte Wissen zu den Themen leistbares Wohnen sowie Umbau statt Abriss und bewies, dass der Erhalt einer Siedlung wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll sein kann. Die Kanaltaler-Siedlung steht noch und das gesammelte Wissen mündete im Leitfaden „Quartier & Wir“, der seit 2020 in der Wohnbauförderung des Landes Kärnten rechtsverbindlich verankert ist.
Auch im steirischen Irdning-Donnersbachtal verhinderte eine Gruppe lokaler Bürgerinnen und Bürger den Abriss eines Objekts. Das „Fürstenhaus“ im Ortskern sollte ein Parkplatz werden. Doch die Projektgemeinschaft „Central Wohnen“ kaufte kurzerhand das sanierungsbedürftige Objekt und verwandelte es in ein architektonisches Schmuckstück, einen gastronomischen Treffpunkt und Wohnort für zehn junge Paare. Das Impulsprojekt soll nun den Anstoß für eine weitere Ortskernbelebung geben.
architektur:lokal, eine Gruppe Tiroler Architektinnen und Architekten, verbindet die Bodenfrage mit Leerstandsberatung und der Förderung des lokalen Handwerks. Sie nutzen revitalisierte Bauernhöfe und Bauten in der Region als Best-Practice-Beispiele, um Baukultur zu vermitteln. Ihre Leerstandserhebungen, Exkursionen und Vorträge gaben vielerorts den Anstoß, um gegen Zersiedelung und das Sterben der Ortskerne vorzugehen.
Boden schützen
Der Verein Bodenfreiheit hat eine ganz eigene, raffiniert einleuchtende Methode gefunden, Bewusstsein für irreversiblen Bodenverbrauch im Vorarlberger Rheintal zu schaffen. Um massiven Verbauungen entgegenzuwirken, kauft der 300 Mitglieder zählende Verein mittels Crowdfunding kleine Grundstücke oder Rechte an strategisch wichtigen Flächen. „Wir wollen nichts verhindern, wir wollen es besser machen“, so Obmann Martin Strele.

Auch in Vorarlberg beheimatet ist die Initiative vau | hoch | drei. Sie strebt nach gemeinwohlorientierter Raumentwicklung, die Vorarlbergs Gemeinden und Landschaftsräume zukunftsfähig machen soll.

„Der Anlass für unsere Gründung war die zunehmende Baulandhortung durch einige Ländle-Oligarchen und ein zu geringes Maß an Mobilisierung von Bauflächen”, erklärt Raumplaner Markus Aberer. Mit fünf konkreten Forderungen startete die fachkompetente Gruppe eine Petition, die von mehr als einem Drittel der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister des Landes unterzeichnet wurde und letztlich im Raumplanungs- und Grundverkehrsgesetz Beachtung fand.
Im Osten Österreichs, im Römerland Carnuntum unweit Wiens, haben sich 30 Gemeinden die 2017 veröffentlichten Baukulturellen Leitlinien des Bundeskanzleramts zu Herzen genommen. Sie erarbeiteten gemeinsame mit dem Regionalentwicklungsverein eine Strategie und einen darauf basierenden, leicht zu vermittelnden Baukasten namens LENA. Alle 30 Gemeinden verpflichteten sich dem „Pactum Römerland Carnuntum“, womit kluge Bodennutzung und qualitative Bauweisen nicht mehr Absichtserklärungen bleiben.

Ortskernstärkung
Der Architekturstudent Benjamin Altrichter hat eine Einmanninitiative gestartet, um sein Heimatdorf im Waldviertel neu zu beleben. Denn Kautzen ist nichts erspart geblieben: Donut-Effekt, Leerstand, verfallende Bausubstanz, viele Auspendler und Zweitwohnsitze sowie eine von Eigeninteressen und Gartenzaun-Mentalität getriebene Ortsentwicklung.
Mit „Kautzen 90 | 20 | 50 – Gestern | Heute | Morgen?“ möchte er dem Ausbluten des Dorfs entgegenwirken. Fragebögen, Gespräche, Dorffrühstück und einfühlsame Hinweise auf Fehlentwicklungen erweckten das Interesse der Bevölkerung und ermutigten ihn, gegen den Identitätsverlust des Ortes vorzugehen.


Auch der Architekturstudentin Julia Schmid liegt ihre Heimat Hüttau in Salzburg am Herzen. Im Rahmen ihrer Diplomarbeit entwickelte sie elf mögliche Maßnahmen gegen die Stagnation der Bevölkerungsentwicklung, den Leerstand und zur Ortskernbelebung. Sie verteilte Fragebögen und Ideenkarten an die Bewohnerinnen und Bewohner, um sie sanft auf Fehlentwicklungen hinzuweisen und in Entscheidungen der Ortsentwicklung zu involvieren. Ihr Masterplan, der darstellt, wie Hüttau in 15 bis 20 Jahren ausschauen könnte, ist alles andere als für die Schublade.
Matthias Hartmann leitet das Leaderprojekt „Wohnen im Land um Laa“. Elf Gemeinden der Region im nördlichen Weinviertel haben sich zum Ziel gesetzt, Leerstand zu reduzieren, vorhandene Wohnraumressourcen speziell für junge Menschen zu nutzen und Ortskerne zu stärken. Sie kartieren Leerstände in der Region und klären Eigentümerinnen und Eigentümer über den Wert ihrer Ressource und Wohnungssuchende über Möglichkeiten des Bauens und Adaptierens im Ortskern auf.
