Straßenverkehr in einer großen Stadt
Rund ein Drittel aller Alltagswege in Österreich ist kürzer als zweieinhalb Kilometer. Doch anstatt es der Bevölkerung so einfach wie möglich zu machen, Alltagswege gesund und klimafreundlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen, wird es ihr oft massiv erschwert.
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Gehen und Radfahren brauchen mehr Platz

25. Februar 2021
Die Corona-Pandemie hat das Mobilitätsverhalten verändert, es wird so viel zu Fuß gegangen und Rad gefahren wie schon lange nicht. Eine Studie des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) zeigt, dass Österreich sowohl bei der Infrastruktur für aktive Mobilität als auch bei den rechtlichen Rahmenbedingungen großen Verbesserungsbedarf hat. Das Potenzial für mehr bewegungsaktive Mobilität ist groß. Über 700.000 Autofahrten pro Tag sind kürzer als ein Kilometer, mehr als vier Millionen sind kürzer als fünf Kilometer.

„Die Coronakrise hat gezeigt, dass die Bereitschaft der Bevölkerung mehr Alltagswege zu Fuß und mit dem Fahrrad zurückzulegen vorhanden ist und auch sichtbar gemacht, dass bewegungsaktive Mobilität deutlich mehr Platz braucht“, sagt VCÖ-Experte Michael Schwendinger.

Nicht die Bevölkerung, sondern vor allem die Politik sei gefordert, die Rahmenbedingungen für Gehen und Radfahren in Österreich deutlich zu verbessern. Umso mehr, als das Potenzial für mehr Fuß- und Radverkehr sehr groß ist, macht der VCÖ aufmerksam: Im Schnitt waren vor Covid-19 über 700.000 Autofahrten pro Tag kürzer als ein Kilometer, mehr als vier Millionen kürzer als fünf Kilometer.

Bewegungsmangel ist auch Gesundheitsrisiko

Gelingt es, dass viele Kurzstrecken künftig nicht mehr im Auto sitzend, sondern zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, dann kommt Österreich nicht nur dem Klimaziel einen großen Schritt näher, sondern reduziert auch den Bewegungsmangel, der ein großes Gesundheitsrisiko geworden ist. Allein die durch Bewegungsmangel verursachten Gesundheitskosten werden in Österreich mit mehr als 180 Millionen Euro pro Jahr angegeben.

Aus gesundheitlicher Sicht werden 10.000 bis 12.000 Schritte pro Tag empfohlen, das sind rund sieben bis neun Kilometer.

Dinge, die Alltagswege zu Fuß erschweren

Rund ein Drittel aller Alltagswege in Österreich ist kürzer als zweieinhalb Kilometer. Doch anstatt es der Bevölkerung so einfach wie möglich zu machen, Alltagswege gesund und klimafreundlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen, wird es ihr oft massiv erschwert.

Fehlende Gehwege, zu schmale Gehsteige, die durch Verkehrsschilder, Werbetafeln, Verteilerkästen oder falsch abgestellte Fahrzeuge noch weiter eingeengt werden, Fußgängerampeln mit kurzen Grün- aber langen Rotphasen, sind einige der häufigsten Hürden.

Der VCÖ weist darauf hin, dass laut offiziellen Planungsrichtlinien Gehsteige mindestens zwei Meter breit sein sollen, ebenso Einrichtungsradwege, Zweirichtungsradwege sollten mindestens drei Meter breit sein. „Die Realität sieht auf vielen Straßen anders aus, selbst abgestellten Autos wird meist mehr Platz gegeben als den Bürgerinnen und Bürgern, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad mobil sind“, gibt VCÖ-Experte Schwendinger zu bedenken.

Autoverkehr schränkt Mobilität von Kindern ein

Während in den Niederlanden 50 Prozent der Jugendlichen mit dem Fahrrad zur Schule fahren, waren es in Österreich vor Corona lediglich sechs Prozent. Werden Eltern befragt, warum ihre Kinder nicht mehr zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind, dann kommt häufig die Antwort: „Wegen dem Verkehr".

„Zu viel Verkehr, zu hohes Tempo, unübersichtliche Übergänge oder fehlende Radwege - all das schränkt die Mobilität von Kindern und Jugendlichen massiv ein. Und führt oft dazu, dass das motorisierte Elterntaxi zum Einsatz kommt - und damit das Problem weiter verschärft wird“, macht VCÖ-Experte Schwendinger auf die Folgen aufmerksam.

Die Vorteile von Tempo 30

Gerade für die sichere Mobilität von Kindern ist im Ortsgebiet als Höchstgeschwindigkeit Tempo 30 statt 50 sehr wichtig.

„Tempo 30 statt 50 senkt das Risiko bei einem Unfall tödlich verletzt zu werden um rund 75 Prozent. Mit dem Tempo steigt das Unfallrisiko und die Verletzungsschwere. Die Gesundheit muss nicht nur in Sonntagsreden, sondern auch im Straßenverkehr absoluten Vorrang haben“, betont VCÖ-Experte Schwendinger. Tempo 50 soll im Ortsgebiet nur dort erlaubt sein, wo es aus Sicht der Verkehrssicherheit zulässig ist.

Absurd: Gehende dürfen am Gehsteig nicht unbegründet stehenbleiben

Auch in der Straßenverkehrsordnung (StVO) gibt es nach wie vor zahlreiche Bestimmungen, die das Gehen und Radfahren behindern.

„Die Regelung, dass Gehende am Gehsteig nicht unbegründet stehenbleiben dürfen, ist das wohl absurdeste Beispiel. Angesichts der sich verschärfenden Klimakrise haben Schikanen und Behinderungen für die gesündeste und klimafreundlichste Form der Mobilität in der StVO nichts mehr verloren“, drängt VCÖ-Experte Schwendinger auf eine grundlegende StVO-Reform. Darüber fordert der VCÖ eine Infrastrukturoffensive für aktive Mobilität und eine Sanierungsoffensive für ausreichend breite Geh- und Radwege.

Umfrage zum Gehen

Der VCÖ hat eine Umfrage gestartet, wie zufrieden die Bevölkerung mit den Bedingungen zum Gehen in ihrem Wohnort ist. An der Umfrage kann auch online unter http://www.vcoe.at teilgenommen werden.