Stromzähler
Je nach Strom- und Gasliefervertrag können empfindliche Nachzahlungen drohen, falls die Gemeinde (aufgrund der Lockdowns) weniger Energie bezogen hat, als sie für die gewährten Konditionen mindestens beziehen müsste.
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Drohen Nachzahlungen vom Stromversorger?

Wegen der Lockdowns wurde vielerorts oft weniger Energie verbraucht. „Mehr-/Mindermengen“-Klauseln in den Energieverträgen verursachen nun mitunter empfindliche Nachzahlungen.

Durch die Lockdowns wurde vielerorts oft weniger Energie verbraucht. Je nach Strom- und Gasliefervertrag können nun empfindliche Nachzahlungen drohen. Ab einer gewissen Energieabnahme gibt es in den Energieverträgen sogenannte „Mehr-/Mindermengen“-Klauseln, in denen eine Mindestabnahme fixiert ist. Liegt der tatsächliche Verbrauch darunter, kommt es zu Nachzahlungen.

Einige Bereiche wie zum Beispiel Kultureinrichtungen haben im Vergleich vom April 2019 zum April 2020 einen Verbrauchsrückgang von bis zu 59 Prozent gehabt. Das Thema wurde jetzt von Februar bis März 2021 akut, nachdem die Messwerte für 2020 vollständig vorlagen. 

Energieeinkaufsexperte Horst Pachler erklärt: „Im Wesentlichen sind es vier Punkte bzw. Fragestellungen, die Gemeinden überprüfen sollten, um sicherzustellen, dass Nachzahlungen beim kommunalen Energiebezug keine Zusatzbelastungen darstellen.“ 

Wie sieht eine Gemeinde, ob in ihrem Vertrag Minder-Verbrauch ein Thema ist? Welche Vertragsklauseln sind üblich? Welche Parameter sind dabei zu beachten?

Dazu lohnt sich laut Pachler ein Blick in die aktuellen Strom- und Gaslieferverträge. Am besten hält man Ausschau nach Vertragsklauseln, die den Begriff Mehr-/Mindermenge oder Mindestverbrauch aufweisen. Auch kann ein Prozentsatz angegeben sein, der zum Beispiel plus/minus 10 Prozent, aber auch 15 oder 20 Prozent von der Jahresvertragsleistung ausmacht. Dieser Vertragspassus regelt auch, was bei Über- oder Unterschreitung an zusätzlichen Kosten anfallen wird. Hier kommen am häufigsten Zuschläge auf den Energiepreis beziehungsweise Strafpönalen vor oder auch direkte Indizierungen an den Spotpreis Strom beziehungsweise Gas.

Wo wurde weniger verbraucht

Wie schätzt man ab, ob in der Gemeinde weniger Strom und Gas verbraucht worden sein könnte (auch wenn man keine Messwert-Datenbank hat)?

Viele Infrastruktureinrichtungen haben auch während des Lockdowns den gleichen Energieverbrauch wie sonst, unter anderem die Wasserversorgung oder Abwasser-Entsorgung. Manche Bereiche haben geringere Veränderungen, bei denen es sich nicht extra auswirkt. Das kann zum Beispiel die Abfallentsorgung oder die Gemeindegebäude betreffen. Starke Auswirkungen hat man in jenen Bereichen, die durch den Lockdown gravierende Einschränkungen erfahren haben, wie zum Beispiel Sporthallen, Schwimmbäder, Freizeiteinrichtungen usw.

Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten, die in der Regel auch im Lockdown geöffnet hatten, haben den Energieverbrauch durch die Teilanwesenheit von Schülern nicht so stark reduziert. Sollte nun die Gemeinde viele vom Lockdown betroffene Einrichtungen haben und solch eine Klausel im Vertrag vorhanden sein, muss man mit Mehr-/Mindermengen-Nachzahlungen rechnen.

Wie kann man abschätzen, wie hoch die Nachzahlung sein kann?

Entweder vertraut man hier den Energieversorgern und den Nachzahlungsbeträgen, die sie schicken, oder man lässt dies professionell von einem Experten prüfen und nachrechnen. Mit den genauen Messwerten und den Lastgängen bei großen Anlagen kann man die genauen Nachzahlungen sehr gut abschätzen. Diese können über den Kundenbetreuer vom Energieversorger angefordert werden.

Welche Möglichkeiten hat man, um sich gegen eine Nachzahlung vom Energieversorger zu wehren? In vielen Verträgen gibt es einen Passus zu sogenannter höherer Gewalt, und dieser könnte im Fall von Covid-19 schlagend werden. In diesem sind die übergeordneten Naturkatastrophen geregelt. „Es gibt aktuell eine OGH-Entscheidung, in der SARS2 als höhere Gewalt eingestuft wird“, erklärt Horst Pachler. „Wenn man jetzt Covid-19 ähnlich wie SARS2 einstuft, dann müsste diese Entscheidung auch hier zum Zug kommen. Dies hätte in der Folge einen starken Einfluss auf die Mehr-/Mindermengenklausel.“ 

Der erste Schritt, der in jedem Fall von der Gemeinde erfolgen kann, ist es, diese Nachzahlungen nicht zu akzeptieren und sich dabei auf Covid-19 als höhere Gewalt und Ausschlusskriterium zu berufen, rät der Energieexperte. 

Zur Person

Horst Pachler arbeitet seit 18 Jahren in der Energiewirtschaft. Unter anderem hat er für die Energieversorger Verbund, Wien Strom bzw. Wien Energie gearbeitet. Von 2013 bis 2020 war für den zentralen Energieeinkauf des Eigenverbrauchs der Stadt Graz verantwortlich und beschaffte jährlich rund 72.000.000 kWh Strom und 10.000.000 kWh Gas. Seit 2021 ist er selbstständiger Unternehmensberater für strategischen Energieeinkauf von Städten, Gemeinden und Unternehmen.

Horst Pachler