fröhliche Mitarbeiter
Gute Mitarbeiter muss man fordern und fördern - dann kann man sie auch halten.
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"Die Mitarbeiter wollen Sinn in der Arbeit sehen"

Wenn man alle Aufgaben einer Gemeinde in einer Excel-Tabelle aufschlüsselt, kommt ein Datenblatt mit drei Meter Höhe und rund eineinhalb Meter Breite raus. Dieser Job lässt sich nur mit motivierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bewältigen. Das aber geht nur, wenn die Mitarbeiter einen Sinn in ihrer Arbeit erkennen.

Gerhard Scharmer ist Amtsleiter vom Telfs, drittgrößte Gemeinde Tirols mit rund 300 Mitarbeitern. Sein Vortrag beim Kommunalwirtschaftsforum 2019 (Link angepasst auf die Website der Veranstaltung 2020) war für viele Zuhörer, die nicht direkten Kontakt zum Geschäft der Gemeinden haben, ein echtes Aha-Erlebnis.

„Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, alle Aufgaben einer Gemeinde zusammenzuschreiben. Rausgekommen ist ein Excel-Blatt mit rund drei Meter Höhe und rund eineinhalb Meter Breite. Das sind zwischen 1200 und 1500 Aufgaben und Produkte, die jede Gemeinde Österreichs ständig auf Trab halten.“

Scharmer hat sich auch einen durchschnittlichen Betrag ausgerechnet, über den in Gemeinden entschieden wird: „Entscheidungen über rund 100.000 Euro gehen täglich über den Tisch“, so Scharmer. Zwei Drittel dieser Ausgaben werden über das Vergabewesen abgehandelt. Allein für das Gebäudemanagement geben Gemeinden um die 200 Millionen Euro jährlich aus.

Dass es für so eine Bandbreite an Aufgaben – Scharmer spricht unverblümt davon, dass eine Gemeinde in Wahrheit einem Konzern gleicht – die richtigen Mitarbeiter braucht, liegt auf der Hand. Die große Frage ist auch für Gemeinden, wo man diese findet und wie man sie motivieren kann.

Sicherer Arbeitsplatz mit großem Weiterentwicklungspotenzial

Heute ist es so, dass nicht der Arbeitgeber sich die Mitarbeiter aussucht, sondern künftige Mitarbeiter sich aussuchen, wo sie arbeiten wollen.

Hier hat ein Arbeitsplatz in der Gemeinde den Riesenvorteil, dass der Job einen direkten Nutzen oder Sinn für den einzelnen Menschen und für die Allgemeinheit stiftet. Das reicht von Fragen zum Leinenzwang für Hunde bis hin zur Suche nach einer Hebamme. Auch das ist eine Aufgabe des Bürgermeisters, der, wie Scharmer anführt, auch „oberste Hebamme des Orts ist“.

Auch Aufgaben wie Winterdienst gehen weit übers Schneeschaufeln hinaus. „Unsere Leute wissen, dass der Winterdienst auch der eigenen Oma mit dem Rollator gerecht werden muss.“

Mitarbeiter haben laufend Kontakt zu den Gemeindebürgern

Zu dieser Fülle an Aufgaben einer Gemeinde kommt dazu, dass nahezu jeder Bürger direkt zur Gemeinde kommt oder ein Angebot der Gemeinde online nutzt und daher die Mitarbeiter laufend im Kontakt mit dem- oder derjenigen sind, für die sie die Arbeit erledigen.

Dafür braucht es aber qualifizierte und motivierte Mitarbeiter, was, wie Scharmer und Bürgermeister Herbert Thumpser aus dem niederösterreichischen Traisen, der mit auf dem Podium saß, erläuterten, immer schwieriger werde.

Es kommt auch auf die Bezahlung an

„Es braucht Mitarbeiter mit juristischen, betriebswirtschaftlichen, technischen und politischen Kenntnissen und Einblicken – was je nach Job einen mehrstufigen Auswahlprozess mit sich bringt“, sind sich beide einig.

Thumpser: „Es sind aber auch Fragen der Bezahlung, ob der Job ‚bis zur Pension‘ ausfüllend ist und wie mit den Mitarbeitern umgegangen wird, die entscheiden.“

„Die Wertigkeit, die Mitarbeiter in der Gemeinde haben, lässt sich feststellen. Wir geben unseren Leuten vorab – das ist ganz wichtig – Informationen, was in der Gemeinde geplant ist und warum, damit unsere Leute auf Fragen der Menschen auch antworten können. Das erhöht auch die Mitarbeiter-Bindung“, so Scharmer. Aber, schränkt er ein, „interne Kommunikation kostet auch Geld!“

Mitarbeiter fordern, fördern und halten

Entscheidend für den Erfolg einer Gemeinde – oder eines Unternehmens – ist das Engagement der Mitarbeiter. Bernhard Scharmer präsentierte eine Studie des renommierten Gallup-Instituts, wonach Mitarbeiter grob in drei Gruppen einzuteilen sind.

  • Gruppe A sind die 20 Prozent proaktiven Leute, die mit viel Engagement an die Arbeit herangehen, die eine emotionale Bindung an die Gemeinde haben. „Sie sind die Motoren der Gemeinde, die sich selbst motivieren, sich ihres Werts bewusst sind und die Begeisterung auch weitergeben.“
  • Gruppe B sind die „Arbeitsbienen“, die unauffällig, fleißig und nach Vorschrift ihre Arbeit erledigen. Se machen demnach rund 60 Prozent der Belegschaft aus.
  • Und Gruppe C sind die rund 20 Prozent „aktiv unangepassten“. Sie sind das Problem jedes Arbeitsablaufs. Das sind diejenigen, die innerlich gekündigt haben, die destruktiv sind, deren Zielerfüllung schlecht ist. Scharmer nennt sie diejenigen mit einer „freizeitorientierten Schonhaltung“. Aber: Diese Leute sind meist nicht oder nur schwer vermittelbar, daher trägt fast jede Gemeinde diese Leute auch aus ihrer „sozialen Verantwortung“ heraus.

Wenig überraschend die Punkte, die als entscheidend für gute Mitarbeiter gelten. Es muss für Mitarbeiter den richtigen Mix aus „Wollen – Können – Dürfen“ geben, sonst wird’s schwierig. Dass es im eigenen Interesse der Gemeinde liegt, formuliert Scharmer so:

„Geht’s dem Mitarbeiter, der Mitarbeiterin gut, geht’s dem Bürgermeister gut.“ 

Dafür gibt es Faktoren wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (siehe auch Audit familienfreundliche Gemeinde), die Möglichkeit, auch auf spontane Gegebenheiten reagieren zu können, wenn nötig eine Kinderbetreuung im Amt und vieles mehr. Wenn das gegeben ist, ist die Bindung zwischen Firma und Mitarbeitern viel größer.

Woher kommen diese Leute, wie findet man diese Mitarbeiter?

Dass es auf diese Frage kein „Geheimrezept“ gibt, liegt auf der Hand. Viele Gemeinden bilden beispielsweise in der Gemeinde Lehrlinge aus, geben wenn nötig Sonderdienstverträge, organisieren Projekte für den öffentlichen Nahverkehr, nutzen technologische Möglichkeiten, um bei der Arbeitszeit flexibler zu sein und vieles mehr. „Man muss in diesem Punkt einfach innovativ sein“, ist der Ansatz sowohl des Amtsleiters als auch des Bürgermeisters.

Motivationsfaktoren

Dieser Beitrag basiert auf einem Workshop des Kommunalwirtschaftsforums 2019 in St. Pölten. KOMMUNAL war Medienpartner der Veranstaltung des Business Circles.