Andrea Kaufmann
Andrea Kaufmann: „Ich bin ein Fan von gemischten Gremien.“
© Stadt Dornbirn

Die erste Frau an der Spitze eines Gemeindeverbandes

Mit Andrea Kaufmann steht erstmals eine Frau an der Spitze des Vorarlberger Gemeindeverbandes, ja überhaupt an der Spitze eines Gemeindeverbandes in Österreich. Neu ist die Rolle für die 51-jährige Bürgermeisterin von Dornbirn dennoch nicht.

Die erste Novemberhälfte 2020  hatte es in sich. In der Republik Moldau wurde erstmalig eine Frau ins Präsidentenamt gewählt, in den USA wählten die Bürger erstmals eine Frau zur Vizepräsidentin, und in Vorarlberg wurde zum ersten Mal eine Frau Präsidentin des Gemeinde­verbandes. Sie heißt Andrea Kaufmann, ist 51 Jahre alt und seit 2013 Bürgermeisterin ihrer Geburtsstadt Dornbirn - auch in diesem Amt übrigens als erste Frau.

Von der Stadt ins Land und wieder zurück

Die studierte Volkswirtin ist politisch erfahren. Über die JVP und den ÖAAB kam sie als Stadträtin erstmals in ein Regierungsamt, wechselte als Landesrätin ins Kabinett von Landeshauptmann Sausgruber und kehrte nach vier Jahren als Bürgermeisterin nach Dornbirn zurück.

Am 9. November wurde Kaufmann nun mit beachtlichen 66 von 70 Stimmen beim coronabedingt über Videokonferenz abgehaltenen Gemeindeverbandstag offiziell zur Präsidentin gekürt. Ganz neu ist die Rolle für sie allerdings nicht mehr. Das war sie, wenn überhaupt, dann schon vor einem Jahr, denn: „Ich habe auch für mich selbst relativ überraschend schon letzten Dezember interimsmäßig übernommen, nachdem Harald Köhlmeier zurückgetreten ist und der zweite Vizepräsident Werner Müller schon zuvor angekündigt hatte, sich aus gesundheitlichen Gründen eher zurückzuziehen.“

Corona warf alle Pläne über den Haufen

Kaufmann war in Folge ohne Präsidium mehr oder weniger auf sich gestellt und nutzte die Situation als Chance, in die Rolle hineinzuwachsen. Dank der Jahre als Landesrätin kannte sie die Abläufe und Zuständigkeiten in der Landesregierung bereits, und auch ihr ausgesprochen gutes Verhältnis zum Landeshauptmann half ihr, die Funktion tatkräftig auszufüllen: „Im Prinzip haben wir bereits im Februar in einer ersten Runde begonnen, ein Gemeindefinanzpaket auszuverhandeln, doch dann kam Corona und das warf alles über den Haufen“, erklärt sie.  

Die weiteren Verhandlungen standen im Zeichen der Soforthilfe für die Gemeinden. In einem ersten Paket mit einem Volumen von rund dreieinhalb Millionen Euro wurden vor allem für Einnahmenausfälle Sofortzuschüsse im Bereich Schülerbetreuung, Kindergarten und Musikschule sowie erhöhte Förderungen für die Gemeinden beschlossen. Man vereinbarte, bis in den Herbst zu warten, da die Ausfälle der Ertragsanteile, der Kommunalsteuern und der Gästetaxe von Tourismusgemeinden noch nicht absehbar waren. Man blieb aber in ständigem Kontakt, um die Zahlen zu eruieren.

Im Herbst verhandelte Kaufmann bereits die zweite Runde. Zum einen die Soforthilfe von zehn Millionen Euro, die direkt an die Gemeinden fließt, vor allem für die Einnahmenentfälle.

„Aber wir konnten auch noch drei langfristig wirkende Pakete zusätzlich verhandeln, die ursprünglich Teil des ersten Forderungspakets waren“, freut sich Kaufmann und meint damit die Deckelung beim Sozialfonds, die man gemeinsam halten will, die Reform der Musikschulgehälter, die das Land zur Gänze übernimmt, sowie den Strukturfonds. Dieser wurde bisher zu 25 Prozent aus Landesmitteln und zu 75 Prozent aus Bedarfszuweisungen gefüttert.  Nun erhöht das Land in zwei Schritten auf 50 Prozent Landesmittel. „Das sind drei nachhaltige Ergebnisse, die auf viele Jahre wirken, und das ist ein ganz gutes Signal“, resümiert Kaufmann.

2021 keine Entspannung zu erwarten

Die frischgebackene Präsidentin war also schon vor ihrer Kür schwer im Einsatz. Und sie wird es weiter sein müssen, denn sie weiß: „Wir werden 2021 noch eine verschärfte finanzielle Situation erleben. Bis Jahresende 2020 beträgt der Einnahmenverlust bei den Ertragsanteilen für die Gemeinden 43 Millionen, und die Prognosen des Bundesministeriums sagen für 2021 weitere rund 60 Millionen Verlust voraus. Das heißt für uns keine Entspannung nächstes Jahr, was die Einnahmenentfälle angeht.“ Die laufenden Kosten, wie etwa für das Personal, steigen jedoch weiter, „daher wird man auch strukturell hinter die Bücher gehen müssen und schauen, was man verändern kann“, denkt Kaufmann über Auslagerung und Gemeindekooperation als Entschärfungsmaßnahmen nach.

Gemeindekooperationen statt -zusammenlegungen

„Wir haben gute Erfahrungen mit Gemeindekooperationen gemacht. Beispielsweise machen wir als Stadt Dornbirn fast für den gesamten Bregenzerwald die Personalverrechnung mit. Für uns ist es praktisch kein Zusatzaufwand, weil wir ohnehin eine Personalabteilung haben, die das macht. Für kleine Gemeinden ist es aber eine echte Hilfe. Das kann im finanziellen Bereich und vor allem im Freispielen von Ressourcen ganz enorme Erleichterungen bringen. Schon jetzt haben wir über 260 formelle Gemeindekooperationen in Vorarlberg. Dennoch sollte man solche nochmals verstärkt angehen.“

Gemeindezusammenlegungen hingegen erteilt Kaufmann eine klare Absage: „Gemeindeautonomie hat in Vorarlberg einen ganz wichtigen Stellenwert, und das soll auch so bleiben.“ Stattdessen soll man, wo es Sinn macht und wo Kooperationen möglich sind,  in den Verwaltungsbereichen die Zusammenarbeit verstärken.

Kaufmann hat sich eine schwierige Zeit ausgesucht, dennoch freut sie sich auf ihre Aufgaben im Vorarlberger Gemeindeverband, bei dem übrigens tatsächlich sämtliche 96 Gemeinden des Landes mit dabei sind. „Wir stehen derzeit auch deshalb vor starken Herausforderungen, weil wir gerade die eigenen Institutionen Gemeindeinformatik, Umweltverband und Gemeindeverband zusammengelegt haben. Das war ein sehr spannender Prozess und ich freue mich, den auch weiterhin mit zu begleiten.“

Videokonferenzen ersparen Anfahrt nach Wien

Ebenso spannend ist es für Kaufmann, im Bundespräsidium mitzuarbeiten: „Ich finde, man lernt auf jedem Meeting etwas dazu“, konstatiert sie und kann der Corona-Situation auch etwas Positives abgewinnen: „Wir machen jetzt auch viel über Videokonferenzen. Das ist für uns Vorarlberger ein Riesenvorteil, da wir sonst wegen einer zweistündigen Sitzung nicht nach Wien fahren müssen. Der Austausch ist darüber hinaus jetzt eigentlich intensiver, als er vorher war. Jetzt in Corona-Zeiten haben wir fast wöchentlich eine Präsidiumsvideokonferenz gehabt und es ist schon sehr spannend zu schauen, wie in den anderen Bundesländern verfahren wird.“

Den Umstand, die erste und einzige Frau zu sein, sieht Kaufmann pragmatisch: „Ich bin eigentlich ein Fan von gemischten Gremien. Ich finde es nicht gut, wenn nur Männer oder nur Frauen in Gremien sind, denn es gibt doch in manchen Bereichen unterschiedliche Zugänge, Sichtweisen und Erfahrungen. Die schlagkräftigsten und auch inhaltlich besten Gremien sind jene, die gemischt sind. Von daher schadet es sicher auch nicht, dass man als Frau in diese Funktion kommt, aber an sich macht es, glaube ich, nicht viel Unterschied. Man muss sich durchsetzen können, man muss es gerne machen und man muss es mit Leidenschaft machen -  und das gilt für Mann und Frau gleichermaßen.