wettbewerblicher Dialog
Beim wettbewerblichen Dialog steht der gesamtheitliche und prozesshafte Planungsansatz im Vordergrund. (Stadtentwicklung Rothneusiedl Wien, 2023)
© MA21/Christian Fürthner

Der wettbewerbliche Dialog für Städtebauliches

Der wettbewerbliche Dialog ist nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im städtebaulichen und freiraumplanerischen Kontext eine effektive Methode, um komplexe Planungsprojekte zu entwickeln und in die Umsetzung zu bringen.

Insbesondere in der nachhaltigen und klimaresilienten Raumentwicklung bietet dieses dialogische Verfahren zahlreiche Vorteile gegenüber einem „klassischen“ Planungswettbewerb und ermöglicht es, unterschiedliche Interessenslagen zusammenzuführen.

Was ist der wettbewerbliche Dialog in der Raum- und Stadtentwicklung?

Beim wettbewerblichen Dialog für städtebauliche Aufgaben handelt es sich um einen strukturierten Prozess im Einklang mit dem Bundesvergabegesetz, bei dem die öffentliche Hand, Planer:innen, Entwickler:innen und Expert:innen gemeinsam an der Konzeption von städtebaulichen und freiräumlichen Projekten arbeiten.

Im Mittelpunkt stehen dabei offene und transparente Diskussionen, in denen die verschiedenen Interessen und Anforderungen berücksichtigt werden.

Was ist der Charakter dieses dialogischen Prozesses?

Der Grundsatz des Verfahrens basiert auf einem ganzheitlichen und prozesshaften Ansatz. Der wettbewerbliche Dialog ermöglicht es, städtebauliche Projekte integriert zu betrachten, indem verschiedene Zielsetzungen wie etwa bauliche Dichte, städtebauliche und architektonische Qualität, Grün- und Freiraum, Verkehr und Mobilität, öffentlicher Raum, technische wie grün-blaue Infrastruktur, Klimaschutz, Klimaanpassung und Kreislaufwirtschaft zu- und miteinander diskutiert werden.

Planungsprozess in Rothneusiedel
 Dialogische Planungsprozesse ermöglichen den strukturierten Austausch zwischen den teilnehmenden Planer:innen und der Jury. Foto: MA21/Christian Fürthner

Durch die Einbindung der interessierten Öffentlichkeit sowie anderer Interessensgruppen von Beginn an fördert der wettbewerbliche Dialog maßgeblich die Akzeptanz der Projekte bei den betroffenen Bürger:innen und trägt so zu einer breiten Partizipation bei. Dabei steht immer auch das Lernen von- und miteinander im Zentrum des Prozesses: Die Bürger:innen lernen von den Planer:innen und umgekehrt. Eine frühzeitige und umfassende Einbindung aller relevanten Stakeholder:innen (Verwaltung, Politik, Grundeigentümer:innen, kommunale Betriebe, Planer:innen und Expert:innen) ist entscheidend, um unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen. Gleichermaßen ermöglicht der offene Austausch zwischen allen Beteiligten die Entwicklung innovativer Ideen und Lösungen, die die Qualität der städtebaulichen Planung und der weiterführenden Planungsprozesse verbessern. Den Aspekten der Innovation und Qualität kommt so im Rahmen des wettbewerblichen Dialogs besonderes Augenmerk zu. 

Darüber hinaus ist das Verfahren von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit geprägt: Der Dialog läuft in mehreren Phasen ab und damit können Projekte flexibel an neue Erkenntnisse angepasst werden.

Entscheidend für die erfolgreiche Durchführung eines wettbewerblichen Dialogs sind insbesondere die Festsetzung von klaren Zielen und Leitlinien für den Dialog, um den Prozess strukturiert und zielgerichtet gestalten zu können. Hier kommt der Verfahrensbegleitung eine tragende Rolle zu: Die Qualität der Moderation und Kommunikation ist von zentraler Bedeutung. Eine kompetente Moderation sowie eine offene und transparente Kommunikation sind entscheidend für die Schaffung eines vertrauensvollen Umfelds und damit für den Erfolg des Dialogs.

Stadtentwicklung Bregenz
Der wettbewerbliche Dialog ermöglicht die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger im laufenden Verfahren. (Stadtentwicklung Bregenz Mitte, 2022). Foto: Raumposition

Warum werden aktuell vermehrt dialogische Planungsverfahren für städtebauliche Aufgaben durchgeführt?

  • Die Komplexität in der Planung steigt: Räumliche Entwicklungsprojekte haben in den letzten Jahren stark an Komplexität gewonnen und erfordern ein breites Spektrum an Fachwissen und Erfahrung. Der wettbewerbliche Dialog ermöglicht es, verschiedene Expertisen frühzeitig einzubinden, um umfassende und integrierte Lösungen zu entwickeln, die den vielschichtigen Anforderungen und Zielsetzungen gerecht werden.
     
  • Die Einbindung der Bürger:innen ist gefragt: Städtebauliche Projekte betreffen die Lebensweise und Lebensqualität der Bürger:innen direkt. Der wettbewerbliche Dialog ermöglicht es, Anregungen, Bedürfnisse und Ideen der interessierten Bürgerschaft zu berücksichtigen und dadurch die Akzeptanz und Legitimität des Projekts zu erhöhen.
     
  • Innovative Lösungen werden gefördert: Der offene und iterative Charakter des wettbewerblichen Dialogs bietet Raum für die Entwicklung und Erprobung innovativer Konzepte und Technologien (auch soziale Innovationen). Dies kann dazu beitragen, neue Ansätze zur Lösung räumlich-funktionaler und -sozialer Herausforderungen zu identifizieren und umzusetzen.
     
  • Das Risiko will minimiert werden: Städtebauliche Projekte sind nicht selten Gegenstand kontroversiell geführter Diskurse, gefüllt mit Zielkonflikten (z. B. städtebauliche Dichte vs. Flächenverbrauch). Dies zeigt sich im Bereich der klimaresilienten Stadtentwicklung in einem besonderen Maße. Durch den Dialog können potenzielle Risiken und Konflikte frühzeitig erkannt und adressiert werden, was zu einer effektiveren Risikobewältigung im Verlauf des Projekts führt. Dies trägt zur Vermeidung von Verzögerungen (und damit verbundenen Kostensteigerungen) bei.

Wo liegen die Herausforderungen derartiger Planungsverfahren?

  • Komplexität der Interessenslagen: Städtebauliche Projekte involvieren oft eine große Vielzahl von Interessensgruppen mit unterschiedlichen Prioritäten und Anliegen. Die Koordination und Integration dieser Interessen kann eine Herausforderung darstellen und erfordert eine sorgfältige Moderation und Kommunikation.
     
  • Finanzielle und zeitliche Ressourcen: Die Durchführung eines wettbewerblichen Dialogs erfordert - im Vergleich zu klassischen Wettbewerbsverfahren - höhere finanzielle und zeitliche Ressourcen, sowohl vonseiten der öffentlichen Hand als auch der beteiligten Stakeholder:innen. Dies kann insbesondere für kleinere Gemeinden oder Entwicklungsprojekte eine Herausforderung darstellen.
     
  • Rechtliche Rahmenbedingungen: Der wettbewerbliche Dialog ist im Gegensatz zum klassischen Planungswettbewerb ein relativ neues und weniger häufig angewandtes Verfahren. Wesentlicher Unterschied ist, dass das Bundesvergabegesetz keine Verpflichtung zur Anonymität der Teilnehmer:innen bzw. der Wettbewerbsarbeiten vorsieht. Dadurch wird echter Dialog möglich. Gleichzeitig werden dadurch neue Rechtsfragen aufgeworfen, etwa zum Thema Ideenschutz, und sind gegebenenfalls intensivere Abstimmungen erforderlich, beispielsweise zur Anwendbarkeit der Wettbewerbsstandards der ZT-Kammer.
     
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Städtebauliche Projekte erfordern oft die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Fachbereiche, was zu Kommunikations- und Verständnisproblemen führen kann. Eine effektive interdisziplinäre Zusammenarbeit ist entscheidend für den Erfolg des wettbewerblichen Dialogs.

Der wettbewerbliche Dialog für städtebauliche Aufgaben ist eine effektive Methode, um innovative und nachhaltige Lösungen für die Herausforderungen der immer komplexer werdenden Stadtentwicklung zu entwickeln. Durch die Einbindung verschiedener Interessensgruppen, einen offenen Austausch und eine flexible Herangehensweise können städtebauliche Projekte geschaffen werden, die den Bedürfnissen der Bewohner:innen gerecht werden und langfristig zur Entwicklung lebenswerter Quartiere beitragen.