Gruppenbild in Bulgarien mit Alfred Riedl
Mit Stolz präsentierte Angel Zhilanov, Bürgermeister der Gemeinde Gorna Malin (2.v.r.), der Gemeindebund-Delegation die neu errichtete Sporthalle.
© Gemeindebund

Bulgarien ist überraschend anders

Just zur Zeit des Treffens der 28 Regierungschefs der europäischen Staaten in Sofia, Bulgariens Hauptstadt, machte sich von 16. bis 19. Mai 2018 eine 46-köpfige Delegation des Österreichischen Gemeindebundes auf den gleichen Weg – allerdings um die kommunale Ebene des südosteuropäischen Landes zu erkunden. Beim Flug von Wien nach Sofia war kurzfristig auch Bundeskanzler Sebastian Kurz Teil der Reisegruppe. Durch die Lage zwischen der Türkei und Mazedonien ist Bulgarien, das 2007 zur EU stieß, zuletzt vielen Österreichern vor allem durch die sogenannte „Balkanroute" bekannt. Ein Land also, das für viele Flüchtlinge eine Etappe auf dem Weg in den Westen darstellt. Gedämpft waren daher die Erwartungen an den Besuch des ehemaligen kommunistischen Landes.

Schon bei der Busfahrt vom Flughafen in die Stadt wurde klar: Der Kommunismus prägt in den Außenbezirken durch seine Wohnbauten immer noch die Architektur. Je weiter man ins Zentrum von Sofia vordringt, desto stärker wird die Modernisierung sichtbar. Grün ist die Stadt, die Straßen sind sauber und die Infrastruktur ist intakt. Man merkt, dass viele der Prunkbauten wie der ehemalige Zarenpalast, das Theater oder das Parlament erst kürzlich renoviert wurden. Man sieht auch, dass Sofia eine sehr junge Stadt ist. Der Grund ist auch hier die Abwanderung der Jugend aus den ländlichen Räumen, die in der Stadt auf eine bessere Zukunft hoffen. Dementsprechend herzlich wird man empfangen. Die Menschen sind stolz darauf, was sie seit dem EU-Beitritt alles geschafft haben.

Religiöse Vielfalt

Beim Bau der U-Bahn setzte man sich mit der reichen Geschichte auseinander. Der Verlauf der römischen Via Militaris führt mitten durch die Stadt. Diese Funde sind heute überall präsent. Ebenso wie die Römer in der „Stadt der 50 Mineralquellen" ihre Spuren hinterließen, findet man auch jene der Osmanen, der Slawen – und der Sowjetunion. Neben der Geschichte prägt die Vielfalt der Religionen das Stadtbild. Hier finden sich Gotteshäuser der bulgarischen Orthodoxen auf engstem Raum mit einer Synagoge, einer Moschee und einer katholischen Kirche.

Abwanderung soll gestoppt werden

Nicht nur in der Hauptstadt lässt sich die positive Stimmung erleben. Neue Sportanlagen, eine neue Ausstattung für die Schulklassen, ein Golfplatz oder ein Freizeitpark – auch wenn bei weitem noch nicht alles unseren Standards entspricht, beim Ausflug in die Umlandgemeinden Elin Pelin und Gorna Malina zeigen die Bürgermeister stolz, was sie bisher schon für ihre Gemeinden erreichen konnten. Sie erwarten sich davon nicht nur einen neuen Aufschwung, sondern auch nachhaltiges Wachstum für ihre Gemeinden. Es gilt, den Abwanderungstrend zu stoppen, denn immerhin haben in den letzten Jahrzehnten fast zwei Millionen Menschen das Land Richtung Westen verlassen. Diese Auswanderer sind umgekehrt aber die wichtigsten Investoren im Land, wenn sie Geld an ihre Angehörigen überweisen.

„Im Gespräch zeigt sich: Die Problemlagen sind in vielen Fällen sehr ähnlich, auch wenn man natürlich die unterschiedlichen Ausgangslagen bedenken muss", stellt Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl fest.

Gespräch
Der stellvertretende bulgarische Außenminister Todor Stoyanov (li.) nahm sich trotz EU-Ratssitzung Zeit, um der österreichischen Delegation einen kurzen Besuch abzustatten.

Gemeinden haben keine eigenen Einnahmen

In der wirtschaftlich starken Gemeinde Elin Pelin (6800 Einwohner) – 33 der größten Steuerzahler Bulgariens haben hier ihren Sitz – gibt man beispielsweise Boni für Neugeborene. Rund 750 Euro gibt es beispielsweise ab dem dritten Kind für eine Familie. Damit möchte man die Geburtsrate erhöhen und somit die eigene Zukunft in der Gemeinde sichern.

Generell ist es aber um die Gemeindefinanzen schlecht bestellt, erklärt Bürgermeister Ivaylo Simeonov: „Wir erbringen 70 bis 80 Prozent der Dienstleistungen für den Bürger und erhalten dafür 15 Prozent der staatlichen Mittel." Ähnlich wie in Österreich können Gemeinden eigene Einnahmen lukrieren. Diese bewegen vor allem im Feld der Immobilien und Kraftfahrzeuge. Die Hauptausgabefelder liegen in den Bereichen Bildung, teilweise Gesundheit und Kultur.

Differenzen bei der Wasserversorgung

Eine der größten Differenzen zwischen Bund und Gemeinden wurde in den letzten Jahren beim Thema Wasserversorgung ausgetragen, wie die stellvertretende Vorsitzende des bulgarischen Gemeindebundes, Bürgermeisterin Donka Michaylova, erzählte: „Vor einigen Jahren wollte die bulgarische Regierung die kommunalen Wasserbetriebe verstaatlichen. Damals haben wir uns als Gemeindebund entschieden dagegen eingesetzt. In den kommunalen Betrieben ist nicht nur die Qualität besser, das Wasser kann auch noch günstiger verkauft werden."

Das Veto der Gemeinden führte dazu, dass die Wasserbetriebe keine EU-Fördermittel mehr erhalten haben. Nun gibt es beim zuständigen Ministerium eine neue Initiative. Michaylova ist zuversichtlich, dass es dieses Mal einen Kompromiss geben wird: „Wir sehen nun, dass unsere Arbeit Früchte trägt und hoffen, dass das neue Gesetz die kommunalen Wasserversorger schützt."

So eine starke kommunale Position kommt nicht von ungefähr. Der bulgarische Gemeindebund besteht seit 21 Jahren. Ihm gehören alle Gemeinden Bulgariens an. Das sind 265 Gemeinden, die sich auf 28 Oblaste und sechs Regionen aufteilen.

Ähnlich wie in vielen Gemeinden Österreichs werden auch hier die Bürgermeister/innen direkt gewählt. Dies stärkt deren Position auf der einen Seite, führt aber auch auf der anderen Seite dazu, dass die Bürgermeister einer Mehrheit der Opposition gegenüberstehen können. In Bulgarien sind derzeit elf Prozent der Bürgermeister weiblich – auch die Hauptstadt Sofia hat mit Jordanka Fandakowa eine Bürgermeisterin.

Zusammenarbeit erwünscht

Der Bürgermeister von Elin Pelin strebt eine engere Zusammenarbeit mit österreichischen Gemeinden an, wie auch die Umweltvorreitergemeinde Gorna Malina (1482 Einwohner). Der stellvertretende Außenminister Todor Stoyanov, der nach dem Rat der EU bei der österreichischen Delegation vorbeischaute, betonte, wie sehr man sich einen näheren Austausch mit Österreich wünsche.

Bulgarien mag in manchen Bereichen noch hinter dem österreichischen Lebensstandard zurück sein, doch die Menschen sind auf Errungenschaften wie einen neuen Kindergarten oder eine neue Sportanlage sehr stolz – und weisen auch darauf hin, dass dies ohne die Hilfe der EU nicht möglich gewesen wäre. Eine Einstellung, die sich Österreich vielleicht von Bulgarien abschauen kann.