Bürgermeisterinnentreffen
Rund 65 Ortschefinnen versammelten sich in der 3.000-Einwohner-Gemeinde St. Ulrich bei Steyr, um sich zu vernetzen, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen.
© Franz Gleiß

Bürgermeisterinnentreffen als starkes Zeichen für Frauen in der Politik

Anfang Juli kamen die österreichischen Bürgermeisterinnen zum alljährlichen Treffen zusammen. Austragungsort war heuer St. Ulrich bei Steyr. Rund 65 Ortschefinnen versammelten sich in der 3.000-Einwohner-Gemeinde, um sich zu vernetzen, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Das alljährliche Bürgermeisterinnentreffen bietet einen hervorragenden Rahmen, um sich mit den Kolleginnen zu vernetzen und einander den Rücken zu stärken. „Wir stellen immer wieder fest, dass der Austausch untereinander für die Arbeit in der eigenen Gemeinde unglaublich bereichernd sein kann“, wie Gastgeberin Bürgermeisterin Annemarie Wolfsjäger bei der Begrüßung meinte.

Erfahrung teilen und Inspiration sammeln

Der Montag startete mit einem Erfahrungsaustausch der Ortschefinnen über aktuelle Pilotprojekte in den Gemeinden. Im historischen Gebäude des Museums Arbeitswelt in Steyr diskutierten die Frauen über die brennenden Themen Kinderbetreuung, Verkehr und Energie sowie die praktische Umsetzung von entsprechenden Projekten.

So berichtete Maria Knauder aus St. Andrä im Lavanttal über einen geförderten Kindergarten-Neubau und das damit verbundene Betreuungs­konzept sowie eine neue Verbindung des Pflegeheim-Gebäudes mit dem Betreuten Wohnen über einen Glaskorridor.

Reka Fekete aus Au am Leithaberge erzählte von der raschen Umsetzung einer Tagesbetreuungseinrichtung für unter Dreijährige in einer kleinen Gemeinde. Und Claudia Bock aus Wolfsgraben gewährte einen Einblick in die Errichtung einer Energiegemeinschaft mit gemeindeeigener PV-Anlage mit der Energie Zukunft Niederösterreich (EZN) und die damit verbundenen Probleme, etwa im Zusammenhang mit der Speicherung von Strom und rechtlichen Vorgaben.

Öffentlicher Verkehr ist im ländlichen Raum ein großes Problem – Sabine Dorner-Leyerer aus Winklarn berichtete vom Projekt EMIL (Elektromobilität im ländlichen Raum), im Rahmen dessen die Gemeinde ein E-Auto ankaufte und ein bedarfsorientiertes Kinderschulbus-Modell ins Leben rief.

Thema Kinderbetreuung als Dauerbrenner

Im Anschluss stattete Frauenministerin Susanne Raab den Bürgermeisterinnen einen Besuch ab und betonte die wichtige Rolle der Gemeinden im Land. „Besonders im Kinderbetreuungs- und Pflegebereich sind die Kommunen die treibende Kraft bei der Umsetzung und beim Ausbau des Angebots“, so die Ministerin. „Der Bund ist dafür da, die Rahmenbedingungen zu schaffen, und wir brauchen euch, um gemeinsam an einem Strang zu ziehen.“

Raab richtete einen Appell an die Eigenverantwortung in der Bevölkerung, auch im Bereich der Kinderbetreuung und Kindererziehung. Künftig solle mehr Geld an die Bundesländer und an die Gemeinden zur Unterstützung von schutzbedürftigen Frauen verteilt werden, so die Ministerin, die auch auf den geringen Frauen­anteil in politischen Positionen einging.  

Raab hob auch das Projekt „Girls in Politics“ hervor, in dessen Rahmen Mädchen und junge Frauen zum internationalen Tag der Mädchen ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bei der Arbeit begleiten und dadurch Kommunalpolitik „schnuppern“ dürfen. Mit den Bürgermeisterinnen diskutierte die Frauenministerin über die Themen Karenzverkürzung, Haftung, Kinderarmut, Ferienbetreuung, Regelungen zum Schülertransport, Gleichstellung in der Politik und den wachsenden Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Gemeinden.

Was die Körpersprache verrät

Das Highlight des Nachmittags bildete der Workshop „Der Körper kann nicht lügen“ mit dem Pantomimen und Körpersprache-Experten Samy Molcho, bei dem die Teilnehmerinnen vieles über die Macht der Körpersprache erfuhren und wie diese im zwischenmenschlichen Kontakt gedeutet und eingesetzt werden kann.

Samy Molcho
Das Highlight des Nachmittags bildete der Workshop „Der Körper kann nicht lügen“ mit dem Pantomimen und Körpersprache-Experten Samy Molcho.

Friedensgemeinde St. Ulrich setzt Zeichen. Am Dienstag bekamen die Bürgermeisterinnen einen Einblick in das Projekt „Friedensgemeinde St. Ulrich“: Die Kommune wurde im Jahr 1982 im Zuge einer Deklaration zur ersten Friedensgemeinde der Welt. Seitdem wurde ein internationales Partnerstädte-Netzwerk geschaffen und es wurden zahlreiche Initiativen für den Frieden gesetzt – angefangen von Denkmälern über den St. Ulricher Friedensappell bis hin zu Jugendprojekten zum Beginn des Ukraine-Kriegs.

Als Zeichen der Solidarität knüpften die Bürgermeisterinnen anschließend mit bunten Bändern ein symbolisches Kunstwerk. Bei einem Workshop mit Petra Gajar vom Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) wurden diese Themen weiter vertieft sowie Gesundheit im Amt angesprochen.

Friedensgemeinde St. Ulrich
St. Ulrich wurde 1982 per Deklaration zur weltweit ersten „Friedensgemeinde“ .

Landeshauptmann zu Gast am Galaabend

Den Abschluss des Bürgermeisterinnentreffens machte der traditionelle Galaabend, an dem auch Landeshauptmann Thomas Stelzer teilnahm. Stelzer: „Auf die Gemeinden und Regionen kommen in den nächsten Jahren viele Herausforderungen zu. Als Bürgermeisterinnen habt ihr es da nicht immer leicht, ihr seid direkt dran an den Sorgen der Menschen. Vielen Dank für eure Arbeit in den Gemeinden!“

Angereichert mit vielen neuen Informationen, Kontakten und Erfahrungswerten konnten die Bürgermeisterinnen nach dem Treffen wieder in ihre Gemeinden zurückkehren. „Es ist schön zu spüren, dass man nicht allein ist“, lautete das Fazit der Ortschefinnen, die sich bereits auf das Bürgermeisterinnentreffen 2024 in den burgenländischen Gemeinden Rauchwart und Deutsch-Kaltenbrunn freuen.