Coronaimpfung
In Notfällen wie der Corona-Pandemie kann der Prozess der Zulassung von Impfstoffen zwar beschleunigt werden. Doch ist es realistisch, dass in derart kurzer Zeit ein Impfstoff entwickelt werden kann, der auf lange Sicht bezogen wirksam und zugleich sicher ist?
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Wie der Zeitfaktor die Impfstoffforschung pusht

In Zeiten von Corona hat der omnipräsente Zeitfaktor die Vorstellung von wissenschaftlichen Vorgehensweisen auf den Kopf gestellt. Die Suche nach einem rettenden Impfstoff hat bis dato noch nie da gewesene Dimensionen erreicht.

Weltweit fürchten die Menschen einen weiteren Lockdown. Einen Shutdown wie im Frühjahr wünschten sich weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber – dennoch ist er zumindest für den November gekommen. Seit Ausbruch der Krise wird förmlich ein globaler Impfstoffwettlauf betrieben. Dessen Bedeutung wird unterstrichen durch die Tatsache, dass die österreichische Regierung 200 Millionen Euro bereitgestellt hat, um acht Millionen Dosen eines Impfstoffs zu kaufen –auch wenn noch gar nicht klar ist, welcher das sein wird.

Zeit, die wir nicht haben. Bis zum Ausbruch der verheerenden Pandemie hätten wohl die meisten Menschen die Meinung geteilt, dass ernsthafte Impfstoffforschung mehrere Jahre benötigt, bevor ein wirksamer Impfstoff auf den Markt gelangen kann.

Der aktuelle Unmut der Bevölkerung ist erklärbar, sehnt sich doch der Großteil der Menschen nach Sicherheit und nach dem ganz normalen Leben. Wissenschaftler und Politiker pochen zugleich unentwegt darauf, es müsse erst der richtige Impfstoff gefunden werden, um wieder Normalität einkehren zu lassen.

Faktor Zeit wirft Fragen auf

Das wirklich Bedenkliche ist dabei jedoch nicht die Tatsache, dass führende Politiker und ihre medizinischen Berater auf das Finden eines geeigneten Medikaments oder eines Impfstoffs gegen das Coronavirus drängen. Vielmehr ist es der Faktor Zeit, der einige Fragen aufwirft. Man bedenke, dass es 15 Jahre gedauert hat, bis ein Impfstoff gegen die Rotaviren entwickelt wurde. 

Der Weg zur Lösung des Problems ist steinig und schwer. Seit Monaten wird von unterschiedlicher Seite regelmäßig verkündet, dass ein Corona-Impfstoff in absehbarer Zeit erhältlich sein werde. Doch die sich hier logisch aufdrängenden Fragen, was die dafür notwendigen Testphasen anbelangt, werden im politischen Diskurs gerne ausgeblendet. Da stellt sich der Bürger wohl oder übel die Frage: Wahrheit oder Pflicht?

Der Versuch, die global verbreitete Paranoia der Menschen dadurch dämpfen zu wollen, dass mit Spekulationen, statistischen Imaginationen und schlichten Wunschvorstellungen jongliert wird, ist im Hinblick auf die Würde des Menschen überaus fragwürdig. In Notfällen wie der Corona-Pandemie kann der Prozess der Zulassung von Impfstoffen zwar beschleunigt werden. Doch ist es realistisch, dass in derart kurzer Zeit ein Impfstoff entwickelt werden kann, der auf lange Sicht bezogen wirksam und zugleich sicher ist?

Was braucht es zur Erstellung eines Impfstoffs und eines Impfstoffplans?

Im Folgenden soll primär das allgemeine Prozedere beschrieben werden, wie es letztendlich zu einer Impfung kommt und was zur Erstellung eines Impfstoffplans notwendig ist. Des Weiteren wird deutlich, warum die Impfstoffforschung Zeit braucht und welche Testphasen für die Erforschung eines funktionierenden Impfmittels vonnöten sind. Beim Thema Impfstoff spielt zudem auch die Verteilung desselben eine tragende Rolle. 

Wie wird üblicherweise ein Impfstoff erforscht und entwickelt? Die Historie der Impfstoffforschung ist noch nicht allzu alt. Dennoch konnten Wissenschaftler im Zusammenhang mit unterschiedlichsten Viren bereits mit Erfolg Impfstoffe erforschen und entwickeln. In der Forschung wird zum einen versucht, das Virus zu verstehen. Zum anderen wird daran gearbeitet, dem Virus Paroli zu bieten.

Der eigentliche Zweck einer Impfung ist die Vorbeugung und nicht die Therapie einer Erkrankung. Darum unterliegt jegliche Entwicklung eines Impfstoffs äußerst strengen Grundsätzen. Objektiv betrachtet ist somit das Herstellen eines sicheren und wirksamen Impfstoffs gegen ein neu auftretendes Virus ein aufwendiger und zugleich langwieriger Prozess. Denn einer Akzeptanz von Nebenwirkungen werden hier klare Grenzen gesetzt.

Der Weg also bis zu dem Zeitpunkt, an dem alle verfügbaren Daten für eine Zulassung bei den entsprechenden Behörden eingereicht werden, ist für alle Beteiligten eine mühselige und an der Geduld zehrende Angelegenheit. Erst nach der erfolgreichen Zulassung durch die verantwortliche Gesundheitsbehörde kann der Impfstoff an die Bevölkerung verteilt und verkauft werden. Im Detail lässt sich die Entwicklung eines Impfstoffs in fünf Schritte unterteilen:

  • Filteruntersuchungsphase
  • Präklinische Entwicklung
  • Klinische Entwicklung
  • Zulassung
  • Überwachung und Verteilung

Welche Testphasen gibt es?

Ziel der einzelnen Testphasen ist es, innerhalb der Erforschung des Impfstoffs Erkenntnisse über ein Impfstoffschema, über eine möglichst erfolgversprechende Verabreichungsart und über die geeignete Dosis zu gewinnen. Darüber hinaus verfolgen die Forscher im Labor das Ziel, erste Gewissheiten zur Sicherheit und zur Wirksamkeit des Impfstoffs zu erlangen. Dieser Prozess gliedert sich in mehrere Phasen. Der Faktor Zeit spielt hierbei eine maßgebende Rolle und entscheidet auch über den Erfolg oder Misserfolg eines Präparats.

In der sogenannten Filteruntersuchungsphase bzw. Screening-Phase wird im Labor die Identifikation von vielversprechenden Molekülen und Substanzen angestrebt. Dafür müssen in einem allgemeinen Prozedere zur Entwicklung eines Impfstoffs mehrere Impfstoffkandidaten diverse Tests durchlaufen. Die präklinische Entwicklung ist darauf fokussiert, erste Informationen zur Sicherheit, zur Immunogenität und allen voran zur Wirksamkeit des Impfstoffs zu liefern. Im Tiermodell werden im Zuge dieser Phase identifizierte Impfstoffkandidaten getestet. Das angestrebte Ziel in dieser Testphase ist es, einen geeigneten Impfstoffkandidaten zu finden.

Wurde von den Medizinern und Forschern ein solcher Kandidat gefunden, der sich bewährt hat, dann kann in die nächste Phase übergegangen werden. In der klinischen Entwicklung steht zu Beginn die Planung der klinischen Studien an gesunden und freiwilligen Probanden. Es geht in diesem Schritt darum, einen optimal passenden und effizienten Impfstoff zu entwickeln. Auf diese Weise kann das Risiko für die Probanden minimiert werden. Gesundheitsbehörden und die beteiligten Firmen stehen bereits in dieser Forschungsetappe im engen Austausch. Im Verlauf der klinischen Entwicklung wird zwischen drei Phasen unterschieden.

  • Eine beschränkte Anzahl von freiwilligen Studienteilnehmern erhält das Präparat. Sinn dieser ersten Phase ist es, die richtige Dosis ermitteln zu können. Im Normalfall kann sich die erste Phase über mehrere Jahre erstrecken.
  • In der zweiten Phase bekommt eine größere Gruppe von Freiwilligen den Impfstoff verabreicht. Die Intention ist, die finale Konzentration des Impfstoffwirkstoffs zu eruieren. In dieser Phase kommt auch der Anzahl der einzelnen Impfungen entscheidende Bedeutung zu. Davon ausgehend ermitteln die Forscher, wie viele Impfungen insgesamt vonnöten sind, um überhaupt einen adäquaten Schutz gegen das Virus aufbauen zu können. In der Regel dauert auch diese Phase mehrere Jahre.
  • In der entscheidenden dritten Phase wird der Impfstoff dann über einen bestimmten Zeitraum an Tausenden Menschen getestet. Diese müssen gesund sein und sich freiwillig am Testprojekt beteiligen. Es werden mehrere Gesichtspunkte genau unter die Lupe genommen. Nur auf Basis dieser Methode kann eine Zulassung vonseiten der Gesundheitsbehörde erfolgen. Zusammenfassend wird in dieser Phase untersucht, ob der neue Impfstoff wirklich vor einer Infektion schützt und ob er die Patienten ausreichend gut versorgt. Außerdem wird beobachtet, ob es zu unerwünschten Wechselwirkungen mit Impfstoffen gegen andere Erkrankungen kommt. Des Weiteren wird genauestens untersucht, wie selten oder häufig Nebenwirkungen auftreten. 

Eine Zulassung des Impfstoffs kann erst nach der erfolgreichen Beendigung der ersten drei Entwicklungsphasen erfolgen. Selbst der Prozess der Zulassung dauert auf EU-Ebene für gewöhnlich ein gutes Jahr. Die gesammelten Daten der Ärzte und Labore belegen im umfassenden Ausmaß die Sicherheit und die Wirksamkeit der verschiedenen Herstellungschargen des neuen Impfstoffs.

Per Gesetz unterliegen Impfstoffe nach der Zulassung regelmäßigen Kontrollen. Außerdem werden sie in Zusammenarbeit mit den zuständigen Gesundheitsbehörden laufend überwacht. Die Sicherheit und das leibliche Wohl der Menschen haben Priorität. Auftretende Nebenwirkungen oder anderweitige Verdachtsfälle in Zusammenhang mit einem Impfstoff sollten den entsprechenden Stellen (Hersteller/Gesundheitsbehörde) sofort gemeldet werden. 

Wie erfolgt im Allgemeinen die Verteilung eines neu erforschten Impfstoffs?

Der Verband der österreichischen Arzneimittel-Vollgroßhändler PHAGO sorgt bei jedem neu entwickelten Impfstoff für eine gute und zentral koordinierte Verteilung. Die Impfdosen müssen zudem schnell an die Verbraucher verteilt werden können. Allgemein wurden etwa bei den Grippeimpfstoffen die zur Verfügung stehenden Dosen auf unterschiedlichen Wegen garantiert. Die Bestellung von Impfstoffdosen können Apotheken, einzelne Städte, Bundesländer sowie der Bund vornehmen.

Was den aktuellen Stand einer möglichen Verteilung des Impfstoffs gegen das Coronavirus anbelangt, sind sowohl das Kontingent der erforderlichen Impfdosen als auch die konkreten Kriterien für ein faires und sinnvolles Verteilen des Impfstoffpräparats gesetzlich noch nicht festgelegt.

Risikogruppen schützen!

Das Gebot der Stunde lautet: Risikogruppen schützen! Doch wer nun letztendlich genau zu den oft erwähnten Risikogruppen gehört, hat etwa laut dem niederösterreichischen Patientenanwalt Gerald Bachinger selbst bei einer herkömmlichen Grippeimpfung noch keine rechtliche Basis.

In Anbetracht dessen, dass zurzeit rund 200 Impfstoffe gegen das Coronavirus in Entwicklung sind, haben die Verantwortlichen noch ein wenig Planungszeit, um die Verfügbarkeit eines probaten Impfmittels zu garantieren und um die Logistik bei einer anstehenden Impfstoffdosenverteilung in Österreich auf bestmögliche Weise zu gewährleisten.