neue Volksschule in Bruckneudorf
Im Hauptgebäude der „Erbse“ finden sich heute neben der Volks- auch eine Musikschule und eine große Veranstaltungshalle. Ein Wirtshaus wird sich noch dazugesellen.
© Robert Heilinger

Ortsentwicklung

Wie aus der alten „Erbse“ eine moderne Schule wurde

Historische Bausubstanz erhalten und doch modern für die Zukunft sorgen: In Bruckneudorf ist dieser Spagat gelungen. Die einst größte Konservenfabrik der Kaiserzeit wurde dort zu einem neuen Stadtzentrum mit Volksschule umgestaltet.

Es klingt wie eine Mär, aber ja – es gibt Gemeinden in Österreich, in denen keine Kirche steht. Bruckneudorf ist eine davon. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde dort eine k. und k. Konservenfabrik angesiedelt, die der Versorgung der österreichisch-ungarischen Armee diente. Auch ein Erbsenschälwerk zählte zum weitläufigen Industriehof der Gemeinde.

Was tun mit der „Erbse“?

Eines Tages stand Bürgermeister Gerhard Dreisz­ker vor der „Erbse“, wie die alte Fabrik im Ort genannt wird. „Ich weiß nicht mehr weiter – ich weiß nicht, was ich damit machen soll“, sagte er damals zu seiner Frau. Das Dach war stellenweise eingebrochen, es regnete in den denkmalgeschützten Bau hinein.

Der Name für das großteils leer stehende Gelände rührt von einer Kulturinitiative her, die bis vor einigen Jahren Veranstaltungen im Hauptgebäude ausrichtete. Und in diesem Moment sei die Idee entstanden, die „Erbse“ zu einer Volksschule umzuwandeln, meint Dreiszker. Denn die Kinder von Bruckneudorf mussten bis dahin im benachbarten Bruck an der Leitha in die Schule gehen.

Von der Idee zur Umsetzung

Vor elf Jahren wurde Dreiszker erstmals zum Bürgermeister gewählt. Schon zu Beginn seiner Amtszeit setzte er eine Reihe von Initiativen. Dann kam ihm der eine Gedanke, wie man das Ortsbild seiner Gemeinde völlig umkrempeln könnte. Aus der Idee wurde ein Konzept, 2016 begann die Planung. Die Oberwarter Siedlungsgenossenschaft (OSG) kaufte das über vier Hektar große Gelände 2019 auf.

Gerhard Dreisz­ker
Gerhard Dreiszker, Bürgermeister von Bruckneudorf: „Man braucht einen mutigen Gemeinderat und muss viel Überzeugungsarbeit leisten.“

„Man braucht einen mutigen Gemeinderat und muss viel Überzeugungsarbeit leisten,“ meint Dreiszker. „Es hat über ein Jahr gedauert, die Finanzierung für das Projekt aufzustellen. Da sind viele Kriterien der Gemeindeaufsicht zu erfüllen.“ Ohne finanzielle Unterstützung des Landes in Form von Förderungen wäre das Projekt nicht möglich gewesen. Unerlässlich sei die Expertise der Sachverständigen gewesen, die das Vorhaben begleiteten. Die Gesamtkosten aller Baumaßnahmen werden sich auf 14,5 Millionen Euro belaufen – damit wird aber natürlich nicht nur eine Volksschule finanziert.

Im Hauptgebäude der „Erbse“ finden sich heute neben der Volks- auch eine Musikschule und eine große Veranstaltungshalle. Ein Wirtshaus wird sich noch dazugesellen.

Die Fassade des romantischen Industriebaus wurde originalgetreu restauriert, inklusive Ziegelwänden und kleinen Türmchen; Kastenfenster, Steher und Holzdecken wurden beibehalten. Erstmals hat Bruckneudorf nun außerdem einen Hauptplatz mit Gemeindezentrum. In dessen Umfeld errichtet die OSG aktuell Reihen- und Wohnhäuser. In über 40 Meter hohen ehemaligen Getreidesilos werden rund 70 Wohnungen entstehen, die sogenannten „Si-LOFTS“, inklusive einer „Skybar“ am Dach.

ehemalige Konservenfabrik in Bruckneudorf
Die verfallene Erbsenfabrik aus der Kaiserzeit stand jahrelang leer. Dann hatte Bürgermeister Dreiszker einen Geistesblitz. Der neue Hauptplatz von Bruckneudorf ist heute durchgehend barrierefrei und von allen Seiten fußläufig erreichbar. Foto: Robert Heilinger

Die Bevölkerung wächst rasant

Der Bürgermeister reagiert mit der Bauoffensive nicht zuletzt auf ein starkes Bevölkerungswachstum, das Bruckneudorf doppelt so viele Einwohner verschafft hat wie noch vor 40 Jahren. In den kommenden Jahren sollen noch 500 oder 600 Personen dazukommen, „dann ist hoffentlich Schluss“, scherzt Dreiszker. 

Der Zuwachs geht auf die Ausbreitung des Wiener Speckgürtels zurück, der in mehreren Gemeinden im Burgenland Rekordzuwächse bewirkt. Das habe man zuletzt bei der Einführung des wienweiten Parkpickerls gespürt.

„Viele Leute, die in Wien arbeiten und dort eine kleine Wohnung zum Übernachten haben, haben ihren Hauptwohnsitz wieder in Wien angemeldet, damit sie das Parkpickerl bekommen“, erklärt Dreiszker. 

Das neue Stadtzentrum von Bruckneudorf zeichnet sich durch Fortschrittlichkeit aus, die aber zugleich Rücksicht auf die Vergangenheit und gewachsene Strukturen nimmt. Und durch Weitsicht.

„Für den Adventmarkt oder zukünftige Märkte haben wir am Hauptplatz schon die Steckdosen setzen lassen, unterflur. Wir haben wirklich jahrelang an dem Konzept gefeilt“, sagt Dreiszker. „Das Schlimmste wäre, wenn ein Nachfolger von mir einmal sagt: Was habt ihr da für einen Blödsinn gemacht? Habt ihr nicht nachgedacht?“ Die Prämisse sei dabei durchwegs gewesen: vorhandene Bausubstanz nutzen und nicht weiter und unnötig versiegeln. 

Der ganze Hauptplatz ist barrierefrei

Der Hauptplatz ist zudem – anders als in vielen anderen kleinen österreichischen Gemeinden – verkehrsfrei und von allen Seiten über Rad- und Fußwege erreichbar.

„Wenn man sich Dörfer in Niederösterreich oder im Burgenland ansieht, findet man oft einen Hauptplatz mit Kirche, zu dem die Hauptstraße hinführt. Wir hatten die einmalige Gelegenheit, alles barrierefrei gestalten zu können“, so der Bürgermeister. Das i-Tüpfelchen sei nun die geplante Kirche, für deren Entwicklung und Planung sich zahlreiche Architekturbüros beworben haben. Sie soll Ende des Jahres eröffnet werden. „Man kann dann barrierefrei heiraten, zu Fuß zur Agape ins Gasthaus gehen und die Hochzeit in der ‚Erbse‘ feiern.“

Die Bevölkerung sei bis auf wenige Ausnahmen hinter dem Projekt „Erbse“ gestanden und habe die Vorteile des Vorhabens erkannt. Ein Schlüsselfaktor sei dabei ein transparentes Vorgehen gewesen. Wenn Fragen in der Bevölkerung aufgekommen seien, habe jeder Gemeinderat Einsicht in die Pläne nehmen und Antworten geben können. Man müsse eine klare Vorstellung davon haben, was man will. 

Es braucht immer ein offenes Ohr

Was Gerhard Dreiszker noch gelernt hat? „Egal, in welchem Bundesland oder welche Couleur ein Bürgermeister hat: Es geht nicht ohne den guten Willen der Politik. Zuallererst muss man sich den Rückhalt des Landes holen. Und da muss man schon sehr gut vorbereitet sein“, sagt er. Außerdem brauche es ein offenes Ohr, um konstruktive Vorschläge aus der Bevölkerung aufzugreifen und umzusetzen.

So werden zum Beispiel auf Anregung lokaler Pädagogen moderne Bildungskonzepte in die Volksschule einbezogen. Das Projekt wurde gemeinsam entwickelt. Auch deshalb sind die Leute in Bruckneudorf so stolz auf die neue „Erbse“. 

So geht man große Projekte an

  • Einen Anfang machen. Nicht reden, tun. Setzen Sie erste kleine Schritte zur Ortskernbelebung. Weitere folgen fast automatisch.
  • Auf Projektbasis denken. Denken Sie nicht zuerst an die Kosten. Oft lässt sich über geeignete Projekte eine Förderung lukrieren, von der Sie bisher nichts wussten.
  • Keine Angst vor Konflikten. Jede Neuerung provoziert Widerstände – in der Politik und in der Bevölkerung. Lassen Sie sich davon nicht beirren. Die meisten Menschen schätzen Mut.
  • Langfristig denken. Maßnahmen zur Belebung des Ortskerns machen sich nicht sofort bezahlt. Wer etwas verändern will, braucht langen Atem. Planen Sie über eine Amtsperiode hinaus. Man wird es honorieren.

Dieser Beitrag wurde zuerst in der „Bürgermeister Zeitung“ veröffentlicht, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit dem Thema „Ortsbild“ beschäftigt hat.