Tourismuspolitik ist Kommunalpolitik. Ein erfolgversprechendes Angebot kann nur in Zusammenarbeit der Gemeinden entstehen. Foto: shutterstock/Tatiana Popova

Österreich als „Urlaubsrepublik“

Das Buch „Die Urlaubsrepublik. Die Zukunft des Tourismus in Österreich“ beleuchtet die Facetten des österreichischen Tourismus von zwei Seiten – einerseits aus Sicht der Österreicher als Urlauber und andererseits aus Sicht als Gastgeber.





Das ist nicht nur für Touristiker wichtig, sondern für uns alle. Weil wir letztlich alle Gastgeber sind und weil ein Drittel unserer Arbeitsplätze – eben nicht nur der Anbieter im engeren Sinn – von der Tourismus- und Freizeitwirtschaft indirekt abhängt. Tourismuspolitik ist Kommunalpolitik. Ein erfolgversprechendes Angebot kann nur in Zusammenarbeit der regionalen Gemeinden entstehen. Angebot und Marke müssen unter Einbeziehung der Gastgeber, also der einheimischen Bevölkerung erarbeitet werden. Nur dann sind beide bodenständig, ehrlich also „authentisch“.

Die Bedeutung des Tourismus wird unterschätzt



Der Tourismus ist wohl unbestreitbar einer der wichtigsten Wirtschaftszweige und somit auch Arbeitgeber in Österreich. Das zeigt schon alleine der Beitrag der Tourismus und Freizeitwirtschaft von rund 15 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt und auch der Umstand, dass jeder sechste Vollarbeitsplatz dem Tourismus zugerechnet werden kann. Bezieht man die Tatsache mit ein, dass gerade in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft viele Neben- und Teilzeitbeschäftigte vertreten sind, kann man berechtigter Weise schätzen, dass annähernd jeder dritte unselbständig Erwerbstätige in diesem Wirtschaftszweig tätig oder teilweise davon abhängig ist. Es ist daher keinesfalls übertrieben, wenn man der Meinung ist, dass die volkswirtschaftliche Bedeutung des Tourismus in Österreich dramatisch unterschätzt wird. Das gilt zum einen, wenn man die weiteren Profiteure am Tourismus wie z. B. den Handel an Urlaubsorten mit einbezieht. Zum anderen, wenn man bedenkt, dass viele Gewerbe- und Handwerksbetriebe im ländlichen Raum nur deswegen noch aktiv sind, weil die Tourismuswirtschaft ein unersetzbarer Auftraggeber für sie ist. Der Umsatzanteil des Tischlers, der einer lokalen Bäckerei den Laden neu einrichtet, die es nur deswegen in dieser Region noch gibt, weil die Urlaubsgäste bzw. die Tourismuswirtschaft einen wesentlichen Absatzmarkt darstellen, wird statistisch nicht der Tourismuswirtschaft zugeordnet. Der Bevölkerung im direkten Wohnumfeld ist diese Tatsache sehr wohl, der Rahmenbedingungen gestaltenden Politik allerdings offensichtlich zu wenig bewusst.

50 Prozent sind Tourismusgemeinden



Rund 50 Prozent der österreichischen Gemeinden sind direkt als Tourismusgemeinden zu bezeichnen, sie hängen sehr stark von den Umsätzen der Freizeit- und Tourismusbetriebe ab. Aber auch für die meisten anderen Gemeinden gilt eine zumindest teilweise, indirekte Abhängigkeit. Das bestätigt auch eine Studie des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung (IFT): „Irgendwie ist fast jeder in unserer Region zumindest teilweise vom Tourismus abhängig“ meinen repräsentativ befragt 70 Prozent aller Gemeindebewohner vom Boden- bis zum Neusiedlersee. Nur 15 Prozent sind an Tourismusthemen gar nicht interessiert.



Die wirtschaftliche Bedeutung ist jedoch nur eine Betrachtungsebene: Auch für die Menschen selbst hat der Tourismus einen hohen Stellenwert: Nicht nur als Arbeitgeber, sondern auch als Nutzer, besser „Genießer“ der regionalen Freizeitinfrastruktur als Basis des touristischen Angebotes.



In dem Buch „Die Urlaubsrepublik“ werden daher bewusst beide Seiten des Tourismus gleichermaßen beleuchtet. Urlaub als Teilnehmer und Urlaub als Gastgeber. Die Erfahrungen in der einen Situation wirken auf die jeweils andere. Österreich ist bezogen auf die Einwohnerzahl so etwas wie „Tourismusgastgeber-Weltmeister“. Ist man selbst auf Reisen, kann man manches für die Entwicklung des heimischen Tourismusangebots lernen. Darüber hinaus kann man aus den Bedürfnislagen der Österreicherinnen und Österreicher als Urlauber auf vieles schließen, was die Wünsche unserer Gäste betrifft. Diese repräsentativ zu erfassen ist ohnedies die wichtigste Grundlage für die Weiterentwicklung der heimischen Tourismuswirtschaft.



Die notwendige Tourismusgesinnung muss in den Volksschulen aller Gemeinden ein Unterrichtsprinzip sein: Auf Gäste zugehen, grüßen, „Kann ich helfen?“. Es sind letztlich die Gemeinden die von einer zukunftstauglichen Tourismuspolitik am meisten profitieren können.

Die Österreicher als Gastgeber



Im zweiten Teil der „Urlaubsrepublik“ geht es daher um die Österreicher als Gastgeberinnen und Gastgeber: Wie ist der Tourismus in Österreich allgemein aufgestellt? Was sind die wichtigsten Kennzahlen? Wo sind die Stärken, wo eventuell die Schwächen? Daraus leiten die Autoren Handlungsvorschläge und Strategien für den österreichischen Tourismus ab.



Neben möglichen Fallen auf dem Weg in die Tourismuszukunft (Bedeutung des Tourismus wird unterschätzt, Probleme im Wintertourismus ziehen Schwierigkeiten für die gesamte Tourismuswirtschaft nach sich, u.a.) ist der Tourismus in Hinblick auf das Dienstleistungszeitalter ein zentraler Themenbereich in der „Urlaubsrepublik“.



Der Tourismus- und Freizeitwirtschaft kommt nämlich am Übergang vom Industrie- ins Dienstleistungszeitalter ein besonders hoher Stellenwert zu - gerade in diesem Bereich steht die personenbezogene Dienstleistung im Vordergrund. Von da her wird die Tourismuswirtschaft zur Leitwirtschaft des Dienstleistungszeitalters. Sie kann beispielgebend für den österreichischen Arbeitsmarkt insgesamt in ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden.



Der direkte Kundenkontakt, das Eingehen auf tatsächliche, nicht unterstellte, Kundenprobleme, Anfragen und Wünsche wird das entscheidende und damit wertschöpfende Merkmal der Dienstleistungsgesellschaft darstellen. In der Tourismuswirtschaft kann Empathie, richtig interpretiert und angewandt, für Regionen und Betriebe ein Alleinstellungsmerkmal darstellen.



Österreich, seine Gemeinden bieten den Gästen ungeheuer viel, oft mehr als manche andere Urlaubsländer. Auch aus diesem Grund haben sich die Autoren für den Buchtitel „Urlaubsrepublik“ entschlossen. Als Gastgeber haben wir einiges an Qualitäten für Touristen zu bieten. Aber gerade deshalb muss das Produkt laufend modernisiert, d. h. an die sich dynamisch verändernden Lebensstile angepasst werden.



Damit ist auch eine Modernisierung der Produktion des Angebots und des Marketings gemeint. Den diversen regionalen Marken muss mehr „Spirit des 21. Jahrhunderts“ eingehaucht werden, wenn Österreich als Reiseziel weiterhin so prominent gewählt werden soll. Es braucht eine geänderte „geistige“ Haltung und aus dieser heraus ein anderes Arbeiten als moderne Dienstleister. Unser aller Ziel sollte es sein, dass man Österreich europa- und weltweit als ein Land sieht, in dem "Zeit" (haben, nehmen, geben) eine Grundlage für Lebensqualität ist: vor allem im Urlaub. Diese Einsicht stellt für viele Gemeinden ein großes Wirtschafts- und damit kommunales Wertschöpfungspotenzial dar: Der Tourismus ist nicht alles, aber ohne Tourismus wäre in vielen Gemeinden alles nichts.