Wasseranschluss  in Großaufnahme
Es ist nicht zulässig, die Aufhebung eines Bescheides mit Rechtsverletzungen durch einen anderen Bescheid zu begründen.
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Keine Anschlusspflicht

Mit Bescheid des Bürgermeisters wurde ein Gemeindebürger dazu verpflichtet, gemäß § 6 Abs. 1 iVm § 1 Abs 1 des NÖ Wasserleitungsanschlussgesetzes 1978 sowie der gemeindeeigenen Wasserleitungsverordnung eine Hausleitung herzustellen. Dagegen hat der Gemeindebürger sowohl Berufung als auch – nach Bestätigung des Bescheides des Bürgermeisters durch den Gemeindevorstand – Vorstellung erhoben. Der Landeshauptmann von Niederösterreich hat sodann der Vorstellung mit der Begründung Folge gegeben, dass es die Gemeinde verabsäumt habe, einen Ausnahmetatbestand der „unverhältnismäßig hohen Kosten“ in Bezug auf die Herstellung der Hausleitung zu prüfen.

Die Vorstellungsbehörde hat ausgeführt, dass die im Bescheid des Bürgermeisters getroffenen Ausführungen, wonach die herzustellende Anschlussleitung technisch möglich und auch nicht mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sei und sich somit der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 1 Z 4 NÖ WLAG nicht auf diesen Fall beziehe, verfehlt seien. Nach Ansicht der Vorstellungsbehörde könne nämlich aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht abgeleitet werden, dass sich dieser Ausnahmetatbestand auf die von der Gemeinde herzustellende Anschlussleitung beziehen würde. Die Gemeinde habe nämlich bereits bei der Erstellung ihrer Wasserleitungsordnung die Möglichkeit darauf zu achten, dass Liegenschaften, deren Anschluss für sie zu aufwändig wäre, gar nicht in den Versorgungsbereich aufgenommen werden. Der Ausnahmetatbestand der Z4 leg. cit. beziehe sich vielmehr auf die vom Eigentümer auf seiner Liegenschaft herzustellende Hausleitung.

Prüfung der Kosten nötig



Im Vorstellungsbescheid ordnete sohin die Vorstellungsbehörde aufgrund dieser – wie sich nachträglich herausgestellt hat – verfehlten Gesetzesauslegung an, dass ein dem Bescheid des Bürgermeisters vorangehender Bescheid, womit festgestellt wurde, dass der Anschlusszwang für die Liegenschaft des Vorstellungswerbers besteht, aufzuheben sei. Nach Ansicht der Vorstellungsbehörde wäre sohin die ihrer Ansicht nach unterlassene Prüfung des in der Vorstellung neuerlich vorgebrachten Einwandes der unverhältnismäßig hohen Kosten durchzuführen gewesen.



Mit dieser Entscheidung der Vorstellungsbehörde wurde somit nicht nur der Bescheid des Gemeindevorstandes aufgehoben, sondern dem Gemeindevorstand sogar aufgetragen, einen bereits rechtswirksamen Bescheid des Bürgermeisters, der nicht im von der Vorstellung betroffenen Verfahren, sondern in einem anderen Verfahren ergangen ist, aufzuheben.



Die Vorstellungsbehörde hat mit ihrem Bescheid das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde verletzt; und zwar dadurch, dass sie der Gemeinde den Auftrag erteilt hat, einen im eigenen Wirkungsbereich ergangenen, bereits rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters aufzuheben. Die Rechtsverletzungen der Gemeinde wurden nämlich nicht durch den angefochtenen und aufgehobenen Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes begründet, sondern damit, dass die Rechtsverletzungen durch einen anderen, in einem anderen Verfahren ergangenen Bescheid des Bürgermeisters eingetreten wären.



Aufgrund dieses unzulässigen Eingriffes in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde durch die Vorstellungsbehörde wurde gegen den Vorstellungsbescheid Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben.



Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.1.2016 wurde der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.



Ganz richtig hat der VwGH ausgesprochen, dass es nicht zulässig ist, die Aufhebung eines Bescheides mit Rechtsverletzungen durch einen anderen Bescheid (sohin nicht mit Rechtsverletzungen im angefochtenen Bescheid) zu begründen. Diese Vorgangsweise widerspricht nach Meinung des VwGH § 7 Abs 5 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz, der die Aufhebung eines mit Vorstellung angefochtenen Bescheides nur bei Rechtsverletzungen durch diesen vorsieht. Eine bereits vorliegende rechtskräftige Entscheidung hat daher eine unter allen Umständen bindende Wirkung.



Eine eigene Beurteilung durch die Behörde ist bei Vorliegen einer bindenden rechtskräftigen Entscheidung nicht mehr zulässig, die Behörde ist vielmehr verpflichtet, die bereits entschiedene Rechtsfrage ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Hiebei handelt es sich um ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sodass auch durch die Schaffung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit (das NÖ Landesverwaltungsgericht ist an die Stelle der Vorstellungsbehörde getreten) nicht davon auszugehen ist, dass diese Rechtsprechung überholt ist.



Ein Angriff auf das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde konnte somit erfolgreich abgewehrt werden.