Wie geht man mit „Angst“ um

1. Februar 2011
Wieder gab es Drohungen gegen kommunale Mandatare – nun schon zum wiederholten Mal. Aber was tut ein Bürgermeister, wenn er eine tote Maus oder Pralinen in der Post findet? Wie „verdaut“ man so einen Vertrauensverlust in der Gemeinde, wenn am Auto herumgeschraubt wurde? Wie übt man das Amt weiter aus? Wohin wendet man sich um Hilfe? KOMMUNAL gab Tipps, wie Opfer mit diesen Situationen umgehen können und was in Tätern vorgeht.

KOMMUNAL 2/2011, von Mag. Hans Braun

Ausgerechnet zu Jahresbeginn 2011 – dem europäischen Jahr der Freiwilligkeit – wurden wieder Falle von Drohbriefen und Zusendungen an Bürgermeister publik. Dem einen wurde per Post eine tote Maus zugestellt, der andere fand im Briefkasten ein paar Pralinen jener Marke, die aus dem Fall des Spitzer Bürgermeisters noch in Erinnerung ist. Wieder anderen wurde bei Nacht und Nebel am Auto, an den Bremsleitungen, herumgepfuscht.
In vielen Fällen fand dann eine Diskussion darüber statt, ob „der Bürgermeister“ zu exponiert ist, ob er durch seine Funktionen „zu nah am Burger“ sei. Diskutiert wurde auch, ob eine seiner Entscheidungen so krause Aktionen, wie eine tote Maus in ein Paket zu stecken, vielleicht gar initiieren kann? Entscheidungen in Raumordnungsfragen oder Fragen der Widmungspläne, die ein gewählter Mandatar aufgrund seines Amtes treffen MUSS – und wehe, er trifft die Entscheidung nicht. Die Frage, wie ein Bürgermeister – oder auch eine Bürgermeisterin, wenngleich meist nur Männer die Adressaten waren – mit einer derartigen Extremsituation umgehen soll, fand weniger Aufmerksamkeit. Auch die Frage, an wen sich ein Bürgermeister oder ein anderer in der Öffentlichkeit Stehender wenden kann, wurde meines Wissens nicht gestellt. KOMMUNAL hat versucht, eine Antwort auf diese überaus heiklen Fragen zu finden und sprach darüber mit Cornel Binder-Krieglstein, einem erfahrenen Notfallpsychologen.
Was geht also vor im Empfänger?
Binder-Krieglstein: „Er wird in jedem Fall zuerst einen tiefen Schock verspüren, weil es eine Drohung ist, die es an sich schon ewig gibt. Eine tote Maus ist ja nur ein Symbol für eine weit hoher liegende Aggression.“
Ein weiterer Punkt, den man bedenken müsse, ist die Frage, ob ein Bekennerschreiben oder eine Forderung beiliegt – etwas, was man in Fragen der Raumordnung oder Flächenwidmung tun oder eben lassen solle. „Falls ja, kann man dem Schreiben eine Strategie zuordnen, was zu tun ist. Viel schwieriger wird es, wenn kein Bekennerschreiben beiliegt. In dem Fall wird die Phantasie freien Lauf haben. Die möglichen Anlasse gehen von ,Gilt das mir persönlich?‘ über ,Ist es was mit dem Amt?‘ bis hin dazu, dass die Angst ins Private geht.“ Was im Falle der Bürgermeister noch dazu kommt ist die Tatsache, dass die meisten die Tätigkeit fast ehrenamtlich ausführen. Die Bezahlung ist schlecht und die soziale Absicherung zumindest derzeit auch nicht geeignet, das Amt „zu honorieren“.
„Üblicherweise“, so der Experte, ist das Risiko größer, je größer die Kommune ist, der man vorsteht. Der Bürgermeister einer größeren Stadt macht das zudem nicht mehr ehrenamtlich, sondern das ist ein Fulltime-Job. Ein Täter kann sich auch mehr „Rampenlicht“ für sein Anliegen erwarten.
Bei den Ortschefs kleinerer Kommunen gründet ein Drohbrief wahrscheinlich eher auf einem privaten Streit – „und ist leichter zurückzuverfolgen, weil die Zahl der möglichen Absender überschaubar ist“. Was geht also in so einem Menschen vor, wenn der einen anonymen Brief bekommt? Binder-Krieglstein: „Was man auch bedenken muss ist, dass ein Bürgermeister nicht unbedingt mit einem sozusagen, normalen‘ Burger verglichen werden kann. Allein die Tatsache, dass er Bürgermeister ist, beweist, dass er die Fähigkeit hat, sich gegen einen oder mehrere Mitbewerber durchzusetzen. Und in politischen Wahlkämpfen, egal welcher Ebene, werden selten Samthandschuhe angezogen, und man kann davon ausgehen, dass er eher kein ,Sensibelchen‘ ist. Aber mit Sicherheit wird er seine Motivation überdenken, den Job weiter auszuführen.“ Eine weitere Unterscheidung ist, ob die Motivation von innen oder von außen kommt. Die innere Motivation, der Psychologe spricht von „intrinsischer Motivation“, bezeichnet die Gründe, die vor einem selbst besondere Bedeutung haben. Es hat mit „Selbstwert“ und „Selbstbild“ zu tun – gemeint sind Werte wie „Sinnvolles tun zu können“ und „sich selbst zu verwirklichen“. Die andere Motivation ist die sogenannte „extrensische“, also die von außen. Diese Gründe liegen in den Bereichen wie Ansehen, Wählergunst und Anerkennung von anderen. „Aber egal, wie die Motivation aussieht, der Bürgermeister wird sich die Frage stellen (müssen), „wie viel Gefahr mute ich mir und meiner Familie zu?“ Er wird sich auch die Frage stellen, hat der – beispielsweise – Brief mit mir nichts zu tun oder ist er auf mich persönlich gemünzt. „Nach der Antwort auf die Frage, ob es ihm das wert ist, diese Tätigkeit weiter auszuüben, wird sich auch seine weitere Vorgehensweise richten.“ Gefragt, wohin sich ein Bürgermeister wenden kann, wenn er Hilfe braucht, meint Binder- Krieglstein: „Das ist nicht so einfach bei Leuten, die in der Öffentlichkeit stehen. Aber es gibt zum einen Opferschutzeinrichtungen wie den ,Weisen Ring‘, die Beratungsstellen in größeren Städten haben. Und es gibt beispielsweise auch die Helpline des Österreichischen Psychologenverbandes (01/504 80 00), wo man gleich und kostenlos mit einem Psychologen sprechen kann. Aber jedenfalls hat der Schutz für Leib und Leben Vorrang – also falls etwas ist, unbedingt die Polizei kontaktieren.“

Drohungen gehen nicht gegen das Amt an sich

In einer Hinsicht gibt Cornel Binder-Krieglstein Entwarnung: „Diese Drohungen richten sich nicht gegen das Amt an sich. Es geht grundsätzlich nicht darum, ob wir das Amt ,brauchen‘, weil wir – also die Gesellschaft – ja schon die Entscheidung getroffen haben, dass wir den Bürgermeister, die Bürgermeisterin haben wollen! Wir haben auch eine demokratische Form der Wahl ,erfunden‘, um eine Wahl zu haben. Wir brauchen und wollen auch die Menschen, die dieses Amt mit Leben erfüllen, die für uns sprechen, die uns in heiklen Dingen vertreten und sich für die Weiterentwicklung der Gemeinden einsetzen ... es muss sie geben.“ Auf die eine entscheidende Frage, wie man mit der Angst umgeht, gibt es daher kein Patentrezept, da die Planung der wirkungsvollsten Vorgangsweise immer von der aktuellen Person und dem Lebensumfeld des Betroffenen abhängt.