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Verfassungsgerichtshof: Die Gemeinden haben Recht!

1. Mai 2014
Nach 15 Jahren hat sich der Österreichische Gemeindebund erstmals entschlossen, aktiv den Konsultationsmechanismus auszulösen. Grund dieses auch von den Gemeinden als drastischen Schritt erachteten Vorgangs war die „Eisenbahnkreuzungsverordnung“, wo den Gemeinden ohne die Kosten zu bedenken, ja ohne die Gemeinden auch nur mitreden zu lassen, aufgezwungen wurde. Die Konsequenzen aus der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs wurden genau unter die Lupe genommen. Mit dem Ergebnis, dass der Bund den Gemeinden die Kosten ersetzen musste.

KOMMUNAL 5/2014, von Hofrat Dr. Walter Leiss

Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs wurde festgestellt, dass der Bund gegenüber dem Österreichischen Gemeindebund die aus Artikel 4 Absatz 1 der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften folgende Verpflichtung bei der Verwirklichung des rechtsetzenden Vorhabens der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 nicht erfüllt hat. Die in dem Spruch des Verfassungsgerichtshofs getroffene Feststellung klingt recht juristisch und sperrig, hat aber für viele Gemeinden unmittelbare finanzielle Folgen. Es war das erste Mal, dass sich der Verfassungsgerichtshof ausführlich mit dem Konsultationsmechanismus befasst hat. Fest steht nunmehr, dass der Konsultationsmechanismus ein überaus wichtiges Instrument für die Gemeinden darstellt, um sich gegen die mit vielen Gesetzen und Verordnungen verbundenen Kostenfolgen effektiv zur Wehr zu setzen.

Weshalb bedarf es eines „Konsultationsmechanismus“?

Die Ursachen liegen im staatlichen Aufbau Österreichs, der durch die Bundesverfassung vorgegeben ist. Die Bundesverfassung nennt zwar Bund, Länder und Gemeinden, gibt jedoch vor, dass Gesetzgebungskompetenz nur dem Bund und den Ländern zusteht. Wer wofür im Bereich der Gesetzgebung und Vollziehung zuständig ist, ergibt sich aus den Kompetenzartikeln der Bundesverfassung. Wer konkret welche Aufgaben zu erfüllen hat, ergibt sich dann aus den unzähligen Gesetzen. Diese Gesetze sagen jedoch noch nichts über den mit der Vollziehung verbundenen Aufwand aus. Dafür dient der allgemeine Grundsatz, dass jede Gebietskörperschaft den mit der Erfüllung der Aufgaben verbundenen Aufwand selbst zu tragen hat. Während es also der Bund und die Länder selbst in der Hand haben, durch die Erlassung von Gesetzen und Verordnungen Vollzugsaufgaben und damit einen Aufwand zu erzeugen, können die Gemeinden (auch die Länder hinsichtlich der vom Bund zur Vollziehung übertragenen Aufgaben) keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der Regelungen nehmen, die für den Kostenaufwand ursächlich sind. Die mit jedem Gesetz oder jeder Verordnung verbundenen Kostenfolgen sind zwar im Gesetzgebungs- oder Verordnungserlassungsverfahren darzustellen, aber eine Kostenabgeltung erfolgt nicht im Einzelfall. Dazu soll der Finanzausgleich dienen. Der Finanzausgleich als ein befristetes Gesetz verteilt die Erträge (Steuern), die vom Bund eingehoben werden, auf die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden und regelt auch, welche Abgaben von den Gemeinden direkt eingehoben werden können. Die Aufteilung im Gesamten soll so erfolgen, dass jede Gebietskörperschaft die ihr zugewiesenen Aufgaben auch erfüllen kann. Dass dessen ungeachtet auch während einer laufenden Finanzausgleichsperiode den Gemeinden viele Aufgaben übertragen werden, die nicht gesondert abgegolten werden, wurde schon oft dargelegt. Man nennt dies den grauen Finanzausgleich.
Von den Gemeinden wird genauso wie von den anderen Gebietskörperschaften entsprechende Haushaltsdisziplin eingefordert, da bei der Beurteilung der Erreichung der Budgetziele der Gesamtstaat – also alle drei Gebietskörperschaften – beurteilt werden. Aus diesem Grund wurde schon im Jahr 1998 ein erster Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und österreichischen Gemeinden abgeschlossen. Im Bewusstsein, dass die Gemeinden Stabilitätsziele nur dann erreichen können, wenn sie auch davor „geschützt“ werden, dass man ihnen ständig neue Aufgaben mit Kostenfolgen überträgt, wurde auch der Konsultationsmechanismus vorgesehen.

Was regelt der Mechanismus?

Der Konsultationsmechanismus regelt die wechselseitige Information der Gebietskörperschaften über rechtsetzende Maßnahmen einschließlich der Gelegenheit zur Stellungnahme, die Einrichtung von Konsultationsgremien zur Beratung über die Kosten solcher rechtsetzenden Maßnahmen sowie die Kostentragung selbst. Mit dieser Vereinbarung, die 1999 abgeschlossen wurde, wurde den österreichischen Gemeinden, vertreten durch den Österreichischen Gemeindebund, ein wichtiges Instrument in die Hand gegeben, um sich gegen „ungerechtfertigte“ Kostenfolgen von rechtsetzenden Maßnahmen zur Wehr zu setzen. In rechtssetzenden Maßnahmen des Bundes oder der Länder ist eine Darstellung der finanziellen Auswirkungen aufzunehmen und sind diese zur Stellungnahme in angemessener Frist zu übermitteln. Vom Gemeindebund kann verlangt werden, dass in einem Konsultationsgremium Verhandlungen über die durch ein Vorhaben verursachten finanziellen Ausgaben aufgenommen werden, wenn bestimmte Mindestgrenzen überschritten werden. Wird kein Einvernehmen über die Kostentragung erzielt, so ist ein Ersatz der durch die Verwirklichung des Vorhabens zusätzlich verursachten finanziellen Ausgaben zu leisten. Die Ersatzpflicht trifft jene Gebietskörperschaft, der das Organ angehört, welches das Gesetz oder die Verordnung erlassen hat. Obwohl die Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus nunmehr schon fast 15 Jahre lang gilt, war es das erste Mal, dass der Konsultationsmechanismus auch durchgesetzt wurde. Anlassfall war die Erlassung der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie. Die Verordnung normiert zusätzliche Eisenbahnkreuzungssicherungen, deren Kosten anteilig von den Gemeinden als Träger der Straßenbaulast bei Gemeindestraßen zu übernehmen sind. Ein Verordnungsentwurf wurde dem Österreichischen Gemeindebund zur Stellungnahme vorgelegt. Vom Gemeindebund wurde kritisiert, dass eine konkrete und detaillierte Aufstellung der auf die Gemeinden zukommenden Kosten fehle und die Gemeinden nicht in der Lage seien, die grob geschätzten Kosten in der Höhe von ca. 250 Millionen Euro zu tragen. In der Folge wurde der Konsultationsmechanismus ausgelöst und die Durchführung von Verhandlungen begehrt. Diesem Ersuchen wurde durch den Bund nicht nachgekommen. In letzter Konsequenz musste der Verfassungsgerichtshof angerufen werden, der nun mit der vorliegenden Erkenntnis vom 12. März 2014, F1/2013- 20 ein richtungweisendes Erkenntnis gefällt hat.

Konsequenz des Erkenntnisses

Der Verfassungsgerichtshof hat festgestellt, dass die Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus vom Bund gegenüber dem Österreichischen Gemeindebund nicht erfüllt wurde. Die wichtigste Folge davon ist, dass die Kosten, die aus dem Vollzug dieser Verordnung resultieren, vom Bund zu tragen sind, und dies unabhängig von der im Eisenbahngesetz geregelten Kostenaufteilung. Was das für einzelne Gemeinden bedeutet, liegt auf der Hand. So waren doch schon einzelne Gemeinden mit Kostenforderungen in Millionenhöhe konfrontiert – für eine ländliche Gemeinde mit einem Budget von ein bis zwei Millionen Euro ein nicht zu finanzierender Betrag. Es ist davon auszugehen, dass sich die Eisenbahnunternehmen bzw. die Behörden an dieses Erkenntnis halten und die Gemeinden mit keinen Kostenforderungen resultierend aus der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 konfrontieren. Sollten einzelne Gemeinden schon bezahlt haben, so wird die Zahlung vom Bund zurück zu erstatten sein. Notfalls steht der Weg zum Verfassungsgerichtshof offen.
Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof wurde der Österreichische Gemeindebund von Rechtsanwalt Dr. Franz Nistelberger vertreten (siehe den nachfolgenden Beitrag). Das Erkenntnis hat nicht nur für den vorliegenden Fall besondere Bedeutung. Bund und Länder können in Zukunft nicht ohne Bedacht Maßnahmen setzen, die dann von anderen Gebietskörperschaften (den Gemeinden) zu finanzieren sind. Dem Gemeindebund ist damit ein wirksames Instrument in die Hand gegeben worden, um unbegründete Kostenfolgen abwehren zu können. Auch auf die Darstellung der Kostenfolgen wird künftig besonderes Augenmerk zu legen sein, da ansonsten mit einem „vorsichtshalber“ ausgelösten Konsultationsmechanismus gerechnet werden muss. Der Gemeindebund war sich in der Vergangenheit auch seiner staatspolitischen Verantwortung bewusst. Das zeigt der Umstand, dass es fast 15 Jahre gedauert hat, bis es zu dieser Erkenntnis gekommen ist. Die normsetzenden Körperschaften Bund und Länder haben aber auch eine Verantwortung für die Gemeinden. Es kann in Zukunft nicht so sein, dass immer neue Aufgaben und Anforderungen gestellt werden, die dann von anderen zu finanzieren sind. Dies sollte schon im Vorfeld vor der Erlassung berücksichtigt werden. Die Gemeinden haben aber zukünftig auch Möglichkeiten dies einzufordern.