Kommunale Investitionen wirken direkter und sichern mehr Arbeitsplätze

12. Februar 2009
KOMMUNAL zeigte in dieser Ausgabe erstmals auf, wie Kapitaltransfers von Bund und Ländern zu den Gemeinden die Situation (die Auswirkungen der Finanzkrise, ausgelöst 2008 durch den Crash von Lehman Brothers an der New Yorker Börse) zumindest entschärfen könnten. Der Wirtschafts- und Konjunkturforscher Gerhard Lehner, dokumentierte minutiös, wie durch einen solchen Kapitaltransfer kleinere und mittlere Unternehmungen stärker gefördert würden. Die Folge wäre, so der Experte, eine Stärkung der Gemeinden, und der hohe Multiplikator-Effekt der Gemeindeinvestitionen wäre es, den es für die Beschäftigungswirkungen zu nutzen gälte.

KOMMUNAL 2/2009, von Prof. Gerhard Lehner

Internationale Wirtschaftsprognosen zeigen für (fast) alle wichtigen Regionen der Weltwirtschaft für 2009 ein schrumpfendes reales Bruttoinlandsprodukt. Das gilt insbesondere für die USA, die EU und Japan. Die Exporte und Investitionen bewirken diese negativen Tendenzen. Aufschwungskräfte sind frühestens gegen Ende 2009 zu erwarten. Sie werden sich jedoch nur sehr zögerlich durchsetzen. Daher wird auch 2010 die wirtschaftliche Entwicklung noch (sehr) schwach bleiben. Österreich kann sich diesen internationalen Tendenzen nicht entziehen. Das WIFO rechnet in seiner jüngsten Konjunkturprognose (Dezember 2008) für 2009 erstmals seit 1981 wieder mit einem Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts um 0,5 Prozent. Für 2010 ist nur mit einer schwachen Erholung zu rechnen. Das BIP wird nächstes Jahr, nach dieser Prognose, um 0,9 Prozent steigen. Die österreichische Wirtschaft wird sich unter diesen Annahmen dennoch etwas günstiger entwickeln als der Durchschnitt der EU-Staaten. Für die Jahre nach 2010 rechnet das WIFO in einer mittelfristigen Prognose zwar wieder mit einem leichten Anstieg des BIP, aber im Durchschnitt bleiben die Wachstumsraten hinter den Werten der letzten Jahre deutlich zurück. Die schwache Konjunktur 2009/2010 wird neben den Exporten vor allem durch schrumpfende Investitionen geprägt. Sie werden 2009 real um knapp vier Prozent unter dem Niveau von 2008 liegen und für 2010 kaum steigen (+0,3 Prozent). Sie liegen damit im nächsten Jahr real noch immer unter dem Niveau von 2007. Aufgrund dieses starken Konjunkturabschwungs werden in allen Staaten umfangreiche wirtschaftspolitische Maßnahmen ergriffen, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Das gilt auch für Österreich. Neben den steuerlichen Maßnahmen (Tarifanpassung in der Lohn- und Einkommensteuer, Familienpaket, vorzeitige Abschreibung für Investitionen in den Jahren 2009/2010, Gewinnfreibetrag) sind auch zusätzliche Ausgaben geplant. Insgesamt dürften die Maßnahmen ein Ausmaß von gut zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen.  

Gemeinden wichtigster Investor Österreichs

Die Gemeinden sind der wichtigste Investor im öffentlichen Sektor und leisten daher einen erheblichen Beitrag zur Konjunkturstabilisierung. Sie erbringen (einschließlich Wien) knapp die Hälfte der gesamten öffentlichen Investitionen (in Abgrenzung laut ESVG 95), aber auch ohne Wien investieren die Gemeinden etwa gleich viel wie die Bundes- und Landesebene zusammen (Abbildung 1). Langfristig ist zwar der Anteil der Gemeinden an den gesamten öffentlichen Investitionen leicht rückläufig (Abbildung 1), aber das lässt sich großteils durch Ausgliederungen von Aufgaben in den marktbestimmten Sektor erklären. Ein umfassendes Bild der Investitionen der Gemeinden (einschließlich der Ausgliederungen) ist allerdings gegenwärtig aufgrund mangelnder Daten nicht möglich. Jedenfalls wäre inklusive der Ausgliederungen das Investitionsvolumen der Gemeinden noch erheblich größer. Die Gemeinden (ohne Wien) haben im Jahre 2007 rund zwei Milliarden Euro investiert, das sind mehr als 12 Prozent ihrer Gesamtausgaben. Der Anteil der Investitionen am gesamten Budgetvolumen ist daher in den Gemeinden deutlich höher als beim Bund und den Ländern. Die Investitionen sichern pro Milliarde knapp 10.000 Arbeitsplätze. Daraus ergibt sich, dass die Gemeinden mit ihren Investitionen rund 20.000 Arbeitsplätze sichern. Dazu kommt noch der Kauf von Vorleistungen (Instandhaltungen, Rohstoffe etc.) wofür die die Gemeinden im Jahre 2007 rund 2,8 Milliarden Euro ausgegeben haben. Die große Bedeutung der Gemeinden für die Konjunkturstabilisierung wird noch dadurch verstärkt, dass ein erheblicher Teil ihrer Investitionen als Aufträge an kleinere und mittlere Unternehmungen erfolgt. Das hängt damit zusammen, dass der Großteil der Investitionen von kleineren und mittleren Gemeinden getätigt wird. Das Volumen einzelner Aufträge ist daher auch für kleinere und mittlere Unternehmungen durchführbar, wogegen die Investitionen des Bundes und teils auch der Länder von der Größenordnung her eher für größere Unternehmungen gedacht sind. Eine Aufgliederung der Gemeindeinvestitionen nach Größenklassen zeigt, dass mehr als 40 Prozent der gesamten Gemeindeinvestitionen von kleineren und mittleren Gemeinden (bis 2500 Einwohner) getätigt werden. Einschließlich der Gemeinden bis 5000 Einwohner entfallen sogar mehr als 60 Prozent der gesamten Investitionen der Gemeinden auf diese Größenklassen. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren recht konstant geblieben (Übersicht 1). Die großen Gemeinden (über 20.000 Einwohner) verloren in den letzten Jahren hingegen Anteile, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass möglicherweise diese Gemeinden Ausgliederungen (Umgliederungen) in größerem Ausmaße durchgeführt haben als die kleineren und mittleren Gemeinden. Aus dieser Aufgliederung ergibt sich, dass die kleineren und mittleren Gemeinden für die Konjunkturpolitik eine maßgebliche Rolle spielen und insbesondere die Beschäftigung in den kleineren und mittleren Unternehmungen beeinflussen, die von den Konjunkturpakten des Bundes nur wenig profitieren. Die Gemeindeinvestitionen sind daher eine wichtige Ergänzung für die Konjunkturmaßnahmen des Bundes (und auch der Länder). Die Gemeinden bis 5000 Einwohner haben im Jahre 2007 rund 1,25 Milliarden Euro investiert und damit etwa rund 12.000 Arbeitsplätze gesichert.

Finanzierung der Gemeindeinvestitionen

Investitionen zählen großteils zu den Ermessensausgaben, die bei finanziellen Engpässen oder schwachen Einnahmenentwicklungen meist zuerst unter Druck kommen. Das lässt sich in der Vergangenheit deutlich zeigen. Die Entwicklung der Steuereinnahmen ist daher ein wichtiger Faktor für die Investitionstätigkeit und inwieweit die Gemeinden das Investitionsniveau von 2007 erhalten können, oder aus konjunkturellen Gründen sogar ausweiten. Die Gemeinden finanzieren rund 45 Prozent ihrer Ausgaben durch Steuern (Ertragsanteile, gemeindeeigene Abgaben). In den letzten Jahren sind die Einnahmen der Gemeinden aus Steuern aufgrund der guten Konjunktur spürbar gestiegen. In den Jahren 2001/2008 nahmen die Ertragsanteile der Gemeinden (ohne Wien) jährlich um 3,6 Prozent zu (einschließlich Wien um 3,3 Prozent) (Übersicht 2). Die Einnahmen aus der Kommunalsteuer stiegen in den letzten Jahren ebenfalls überdurchschnittlich und profitierten von der Zunahme der Lohn- und Gehaltssumme. Diese Steuern stiegen im Durchschnitt der Jahre 2001/2007 um 3,7 Prozent, im Jahre 2008 dürfte der Zuwachs sogar noch höher gewesen sein.

Paradigmenwechsel

Für 2009/2010 ändert sich das Bild jedoch grundlegend. Aufgrund der kräftigen Konjunkturabschwächung und der steuerpolitischen Maßnahmen ist in diesen beiden Jahren mit sinkenden Einnahmen aus Ertragsanteilen zu rechnen. Diese Entwicklung betrifft insbesondere die einkommensabhängigen Steuern (Lohnsteuer, Einkommensteuer, Kapitalertragsteuern und KöSt). Die Maßnahmen umfassen neben der Tarifsenkung in der Lohn- und Einkommensteuer, das Familienpaket, die auf 2009/2010 beschränkte vorzeitige Abschreibung sowie den Gewinnfreibetrag. Dazu kommen noch die Ausfälle in der Mehrwertsteuer durch die Senkung des Steuersatzes auf Medikamente von 20 Prozent auf zehn Prozent. Wenngleich die steuerlichen Maßnahmen heuer noch nicht in vollem Ausmaß die Einnahmen dämpfen, so ist doch für das laufende Jahr mit Einnahmenrückgängen in den Ertragsanteilen der Gemeinden um etwa 3,2 Prozent zu rechnen (für die Gemeinden mit Wien ist der Rückgang mit 2,5 Prozent etwas geringer, weil Wien von der Bevölkerungsentwicklung und der erstmaligen Registerzählung 2009 profitiert). Im Jahre 2010 setzt sich der Rückgang der Ertragsanteile fort (Übersicht 2). Die Steuereinnahmen der Gemeinden werden im nächsten Jahr (ohne Wien) weiter um 3,1 Prozent zurückgehen (mit Wien 3,2 Prozent) und damit 2010 um etwa 6,4 Prozent unter dem Niveau von 2008 liegen (Übersicht 2). Diese Schätzungen könnten sich sogar als zu vorsichtig erweisen. Ferner ist damit zu rechnen, dass die Lohnsumme (vor allem aufgrund der schwachen Beschäftigung) 2009/2010 schwächer zunehmen wird als in den letzten Jahren. Das dämpft die Einnahmen aus der Kommunalsteuer. Die Grundsteuer ist von der konjunkturellen Entwicklung weniger betroffen, aber ihr Anteil an den Gesamteinnahmen der Gemeinden (ohne Wien) beträgt etwa 3,5 Prozent. Erst ab 2011 ist wieder ein stärkerer Anstieg der Ertragsanteile (der Steuereinnahmen) zu erwarten (Übersicht 2). Die Einnahmen aus den Ertragsanteilen werden erst 2011 wieder das Niveau von 2008 annähernd erreichen, wobei diese Prognose möglicherweise eine Obergrenze darstellt. In den Jahren 2008/2012 steigen die Einnahmen aus den Ertragsanteilen für die Gemeinden im Jahresdurchschnitt mit 0,9 Prozent nur etwa ein Viertel so stark wie in der Periode 2001/2008 (Übersicht 2). Daraus lässt sich das Dilemma der Gemeindehaushalte unter konjunkturpolitischen Aspekten erkennen. Auf der einen Seite erfüllen sie wichtige Stabilisierungsfunktionen durch ihre Investitionen, insbesondere für die mittelständische Wirtschaft. Auf der anderen Seite engt die Entwicklung der Steuereinnahmen die Finanzierungsmöglichkeiten stark ein. Eine zusätzliche Verschuldung der Gemeinden eignet sich nur beschränkt für eine Ausweitung des Finanzierungsspielraumes. Der Schuldenstand der Gemeinden (ohne Wien) stieg bis 2006 kontinuierlich. Er wuchs in der Periode 2001/2006 um rund eine Milliarde Euro und erreichte 2006 etwa elf Milliarden (Übersicht 3). In diesem Schuldenstand sind auch die Kreditaufnahmen der umgegliederten Einheiten (Quasikapitalgesellschaften), die in den Voranschlagabschnittenen 85/89 verrechnet werden, enthalten. Im Jahre 2007 konnten die Gemeinden ihren Schuldenstand auf 10,2 Milliarden Euro verringern. Für das Jahr 2008 liegen noch keine umfassenden Zahlen vor. Die Aufwendungen der Gemeinden (ohne Wien) für Zinsen betrugen im Jahre 2007 370 Millionen Euro, die wiederum den Budgetspielraum stark einengen. Von diesen Zinsaufwendungen entfiel der Großteil auf die umgegliederten Einheiten (Quasikapitalgesellschaften).

Conclusio

Die Gemeinden sind immer stärker durch wachsende Aufgaben aus der zunehmenden Alterung der Bevölkerung (Pflege, Sozialausgaben, Gesundheit) aber auch im Bildungsbereich, etwa Kinderbetreuungseinrichtungen, Pflichtschulen belastet. Es wäre daher zu diskutieren, ob nicht unter den gegenwärtigen konjunkturellen Gegebenheiten, die Gemeinden für die Finanzierung ihrer Investitionen Finanzierungszuschüsse (Kapitaltransfers) vom Bund (und allenfalls von den Ländern) erhalten könnten, um die beschriebenen positiven Beschäftigungseffekte, insbesondere für die KMU, zu erreichen. Das wäre eine wichtige Ergänzung der Konjunkturprogramme des Bundes (und der Länder), die von der Auftragsgröße eher auf die Großunternehmungen abzielen. Dadurch könnten die kleineren und mittleren Unternehmungen, wie bereits beschrieben, stärker gefördert werden. Die Gemeindeinvestitionen weisen einen hohen Multiplikatoreffekt auf, den es für die Beschäftigungswirkungen zu nutzen gilt.