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Was ist ein Maibaum rechtlich überhaupt?

1. April 2002
Obwohl es heiklere Themen dieser Ausgabe die eigentlichen Aufmacher waren – so wurde erstmals unter wütendem Protest der Gemeinden das Verbundsystem des Finanzausgleichs abgewichen – war die rechtliche Betrachtung des Maibaums der Aufreger schlechthin. Die Meinung des Autors, dass das Aufstellen eines Maibaumes einer Bewilligung als „Bauwerke“ inklusive der statischen Kenntnisse benötigen würde, ließen die Telefone in der Redaktion Heißlaufen. Heftige Beschwerden von wegen „Anschlag auf das Brauchtum“ bis hin zur Frage, ob jetzt „in Wien alle deppert geworden sind“ waren die Folge. Aber im Grunde lautete der Rat des Autos an die Gemeinden nur, sehr vorsichtig beim Aufstellen von Maibäumen zu sein und wenn möglich eine geeignete Versicherung abzuschließen.

KOMMUNAL 4/2002, von Dr. Roman Häußl

In vielen Dörfern gehört der Maibaum heute noch oder wieder zum festen Brauchbestand. Ein oder zwei Tage vor dem 1. Mai wird eine gerade gewachsene Fichte gefällt, im Wald bis auf die Krone ausgeastet und ins Dorf gebracht. Dann wird der Baum aufgerichtet und im Aufstellschacht fest verkeilt. Steht der Maibaum, werden vielfach Zunftschilder des dörflichen Handwerks oder auch Wappenschilder vieler Einrichtungen des Dorfes angebracht. Für die Maibaumaufstellung zeichnen entweder die Freiwilligen Feuerwehren oder örtliche Vereine verantwortlich. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Errichtung eines Maibaumes allenfalls baubehördlich bewilligungspflichtig ist oder anderen Rechtsvorschriften unterliegt.

Worum handelt es sich bei einem Maibaum?

Zuerst ist die Frage zu klären, worum es sich bei einem Maibaum überhaupt handelt. Geht man von einem weiten Bauwerkbegriff aus, so wird der Maibaum gemäß § 4 Z.4 der NÖ Bauordnung 1996 als bauliche Anlage zu werten sein. Das sind alle jene Bauwerke, die nicht Gebäude sind. Nach Hauer/Zaussinger, NÖ Baurecht, 6.Auflage, S.235, ergibt sich aus § 4 Z.3 leg.cit., daß Einfriedungen und Werbeanlagen dann bauliche Anlagen sind, wenn zu ihrer standsicheren Aufstellung (Fundierung, Absicherung gegen Sturmschäden) wesentliche bautechnische Kenntnisse erforderlich sind, nicht also z.B. zwischen Pflöcken gespannte Drähte oder kleine Tafeln auf Pflöcken. Für die Aufstellung einer Plakattafel im Ausmaß von 10,60 m mal 2,60 m hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 7.9.1976, Zl.1230/75, jedenfalls das Erfordernis gewisser fachlicher Kenntnisse bejaht, da seiner Meinung nach die Gefahr des Umstürzens einer Plakattafel von solcher Größe bei starkem Wind und die sich daraus ergebende Gefährdung von Personen und Sachen evident ist. Auf der Grundlage dieser Judikatur wird man wohl davon ausgehen können, daß auch für die Aufstellung eines Maibaumes, der in der Regel 10 m und mehr mißt, zumindest hinsichtlich der Statik bestimmte bautechnische Kenntnisse erforderlich sind. Dabei ist zu beachten, daß Maibäume in aller Regel am Dorfplatz aufgestellt werden und daher - anders als z.B. Hochstände, die weder bewilligungs- noch anzeigepflichtige Vorhaben darstellen - eine wesentlich höhere Gefährdung für Mensch und Tier darstellen. So gesehen werden Maibäume daher als bauliche Anlagen im Sinne des § 14 Abs.2 NÖ Bauordnung 1996 anzusehen sein, durch welche Gefahren für Personen und Sachen entstehen könnten und die demnach einer baubehörldichen Bewilligungspflicht unterliegen. Diese für Niederösterreich angestellten Überlegungen gelten analog wohl auch für die ande-ren Bundesländer, da bauliche Anlagen, von denen eine Gefährdung von Personen oder Sachen ausgehen können, in aller Regel baubehördlich bewilligungspflichtig sind. Faktum ist allerdings, daß in der Praxis wohl kaum ein Maibaum baubehördlich bewilligt wird. Bezüglich der Haftung für allfällige Schäden ist auf § 1319 ABGB hinzuweisen. Wird durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes jemand verletzt oder sonst ein Schaden verursacht, so ist der Besitzer des Gebäudes oder Werkes zum Ersatz verpflichtet, wenn die Ereignung die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, daß er alle zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Sorgfalt angewendet habe. In Übereinstimmung mit den Gesetzesverfassern interpretiert die Rechtsprechung die Begriffe „Gebäude“ und „Werk“ in einem weiten Sinn. Unter den Begriff des „Werkes“ fallen Anlagen aller Art. Gebäude bzw. Werke sind z.B. ein Baugerüst, ein Telegrafenmast, Werbeankündigungstafeln und dergleichen. Auch ein Baum, der als Verankerung eines Tragseiles dient, wird dadurch zu einem Teil des Werkes im Sinne des § 1319 ABGB. Werk in diesem Sinn ist ferner auch jede Anlage, die einer Genehmigung durch die Bauordnung oder nach der Gewerbeordnung bedarf. Besitzer im Sinne des § 1319a ABGB ist derjenige, der in der Lage war, durch die erforderlichen Vorkehrungen die Gefahr rechtzeitig abzuwenden; das werden wohl jene Personen sein, die den Maibaum aufrichten.

Ein guter Rat

Selbst wenn man eine baubehördliche Bewilligungspflicht verneint, bleibt die Haftung nach § 1319a ABGB. Es empfiehlt sich daher, diesbezüglich eine geeignete Versicherung für allfällige Schadensfälle abzuschließen.