Rauchende Person
Das Nichtraucherschutzvolksbegehren „Don‘t smoke“ erhielt innerhalb von nur vier Tagen bereits mehr als 200.000 Unterstützungen, obwohl für die Einleitung des Eintragungsverfahrens nur 8401 Unterstützungen notwendig sind. Dieser Fall ist seit 1964 ohne Beispiel.
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Das Recht geht vom Volk aus

26. Februar 2018
Österreich ist eine demokratische Republik. Die staatliche Willensbildung soll daher vom Volk ausgehen – die digitale Zeit ist angebrochen.

Mit der Gründung der Republik, also vor 100 Jahren, einigte man sich auf einen Vorrang der repräsentativen Demokratie. Die Verfassung von Hans Kelsen sah dafür auf Bundesebene vorrangig die Wahlen zum Nationalrat vor, ein Gedanke, der in der damaligen Zeit mit Sicherheit auch vom Gedanken der Nützlichkeit getragen war.



Allerdings wurden schon im Bundes-Verfassungsgesetz 1920 direktdemokratische Ansätze verankert. Neben der Volksabstimmung findet sich von Anfang an ergänzend das Institut eines Volksbegehrens, jedoch spielte dies in der Ersten Republik noch keine Rolle, es war lediglich die Möglichkeit vorhanden, Plebiszite waren theoretisch mitgedacht.



Es dauerte bis ins Jahr 1958, bis das Parlament Ausführungsbestimmungen für die Durchführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene erließ, 1963 wurden ebensolche für die Durchführung von Volksbegehren auf Bundesebene geschaffen. Diese waren also erst die Voraussetzung dafür, dass in den letzten 55 Jahren insgesamt 39 Volksbegehren durchgeführt werden konnten.

Vereinheitlichung und Modernisierung des Wahlrechts



Das im November 2016 beschlossenen Wahlrechtsänderungsgesetz 2017 sah nicht nur kleinere Korrekturen im Wahlrecht vor, die sich aus den Lehren der Bundespräsidentenwahl ergaben. Vielmehr legte man auch den rechtlichen Rahmen für eine seit Längerem überlegte Vereinheitlichung und Modernisierung des Wahlrechts.



Bereits Anfang 2013 wurden die Gemeinden mit dem Plan zur Umsetzung eines Zentralen Wählerregisters befasst. Damals standen die Nationalratswahlen allerdings unmittelbar bevor, und die Gemeinden hätten parallel zur Abwicklung der Wahlen nach bisherigem Muster einen Probebetrieb des neuen Registers zu führen gehabt.



Grundsätzlich, so war die Argumentation der kommunalen Spitzenverbände, verschließe man sich nicht den Bemühungen für Verwaltungsmodernisierung, aber vor allem für Vereinfachungen im Wahlrecht. Man wies aber darauf hin, dass man hier einen äußerst ambitionierten Zeitrahmen gesetzt habe, und dass Zeitdruck bei solchen grundlegenden Änderungen ein schlechter Ratgeber sei.



Die Kommunen wiesen darauf hin, dass sie mit der Einführung anderer Zentralregister innerhalb eines kurzen Zeitraums eine sehr große Arbeitsbelastung zu leisten haben und hatten. Die bisherigen Erfahrungen hatten auch gezeigt, dass der immer wieder angesprochene Minderaufwand für Städte und Gemeinden sich oft nicht eingestellt hätte.

Bundesweite Erfassung soll Doppelregistrierungen verhindern



Mitte 2016 wurde das Projekt des Zentralen Wählerregisters reaktiviert, man sprach von einer kleinen Wahlrechtsnovelle, weil sich die Koalitionspartner nicht auf mehr Inhalte verständigen konnten, jedoch konnte das ZeWaeR nun wirklich aufgesetzt werden.



Angesichts der in Aussicht gestellten Umstellungsfrist nahm der Gemeindebund nun eine grundsätzlich positive Haltung zu diesem Projekt ein, er formulierte jedoch auch die Bedingungen dafür: eine bundesweite Erfassung der Wahlberechtigten soll Doppelregistrierungen oder andere Unregelmäßigkeiten vermeiden und auch eine schnellere Abgleichung der Wahlkarten bringen; im Großen und Ganzen müsse eine Modernisierung für die Gemeinden echte Synergien bringen.



Außerdem wurde die Einbindung der Gemeinden und der kommunalen Software-Dienstleister im Umstellungsprozess und eine Kostenübernahme des Bundes hinsichtlich der Umstellungs- und Schulungskosten gefordert.

Zentrales Wählerregister seit Anfang 2018



Mit dem Beschluss des Wahlrechtsänderungsgesetzes im Herbst 2016 wurde somit eine Entwicklung eingeleitet, die von der Öffentlichkeit in ihrer Tragweite noch gar nicht erfasst wurde.



Kern der Novelle war also die Einführung eines Zentralen Wählerregisters, das mit Anfang des Jahres 2018 umgesetzt werden sollte. Der Gesetzgeber machte es sich zum Ziel, mit dieser Novelle nicht nur die administrative Umsetzung von Wahlen zu erleichtern, sondern auch von Volksbegehren.



Bei letzteren wurden sogar die Grundlagen für eine elektronische Teilnahme (Online-Unterstützung) geschaffen. Das war dann wirklich etwas Neues. Im Hinblick auf die erweiterte Teilnahme über das Internet konnte schließlich auch auf das obligate Offenhalten des Eintragungslokals am Sonntag verzichtet werden.



Die Einbringer des Initiativantrages sprachen zu Recht von einer neuen Qualität im demokratischen Willensbildungsprozess in Österreich. So weit so gut. Allerdings war es auch eine besondere Herausforderung für die Gemeinden, da deren bundesrechtliche Aufgaben als Wahlbehörden wesentlich geändert wurden.



Für die Umstellung hatte man ein Inkrafttreten mit 1. Jänner 2018 festgelegt. Dies schien anfangs noch ausreichend kalkuliert, jedoch bewirkte die vorgezogene Nationalratswahl wieder, dass sich die Umsetzung und der Testbetrieb des ZeWaeR und die darüber zu erfolgende Information etwas verzögerten.

Drei Volksbegehren fast gleichzeitig



Faktum ist, dass vor allem die Gemeinden erst sehr knapp vor der Aktivierung des Registers, nämlich kurz vor Weihnachten 2017, die näheren Informationen zur Umsetzung des ZeWaeR erhielten. Der Erlass, der an die Gemeinden im Wege der Bezirkswahlbehörden erging, war besonders für die bevorstehende Abwicklung von Volksbegehren von hoher Wichtigkeit, denn es kündigte sich schon um diese Zeit an, dass in Kürze mehrere Volksbegehren registriert werden würden.



Tatsächlich wurden seit 29. Jänner 2018 innerhalb nur zweier Wochen drei Volksbegehren registriert, die zum Teil massiv beworben wurden und werden. Die abgegebenen Unterstützungserklärungen erzielten in kürzester Zeit ein beachtliches Ausmaß. Eines davon („Don‘t smoke“ - Nichtraucherschutzvolksbegehren, Anm. d. Red.) erhielt laut Pressemeldungen innerhalb von nur drei Tagen bereits 100.000 Unterstützungen, obwohl für die Einleitung des Eintragungsverfahrens nur 8401 Unterstützungen notwendig sind. Natürlich werden die Stimmen, die bereits im Einleitungsverfahren abgegeben worden sind, auch für das Eintragungsverfahren angerechnet, wie es schon nach der bisherigen Rechtslage erfolgte.



Die Gemeinden mussten sich daher schon in den ersten Wochen mit einer neuen Applikation vertraut machen, um den Bürgerinnen und Bürgern den gewohnten Service anbieten zu können.

Viele Stimmen mittels Bürgerkarte abgegeben



Diesbezüglich mussten sie allerdings zumeist nur auf den Erlass, Informationen aus dem Internet und das Selbststudium zurückgreifen. Freilich werden die Gemeinden durch die Möglichkeit der elektronischen Teilnahme beim Volksbegehren auch nachweislich entlastet. Die Abgabe einer Stimme mittels Bürgerkarten-Funktion bzw. Handy-Signatur hat nach Angaben des Ressorts in den letzten Tagen ein beträchtliches Ausmaß erreicht. Zahlen des BMI zeigen, dass es für die laufenden Volksbegehren auch verschiedene Raten an Online-Beteiligung gibt. (Asyl 74 Prozent, Raucher 62 Prozent, Frauen 52 Prozent).



Freilich wurden diese Vorteile leider durch den Ansturm schon im Einleitungsverfahren und durch Unzulänglichkeiten der vorgehaltenen Serverkapazität im Innenressort nicht ganz sichtbar. In den ersten Tagen dieser Unterstützungsverfahren mussten sich viele Gemeindebedienstete einer ungerechtfertigten Kritik stellen. Die persönlich erschienenen Unterstützer konnten mangels zentraler IT-Kapazität eben nicht schnell genug betreut werden oder mussten im schlimmsten Fall gar nach Hause geschickt werden.

Gemeinden hatten keine Schuld an den IT-Problemen



Eine schlechte Presse für die Gemeinden folgte auf dem Fuß. Diese wurde überdies noch aufgekocht mit dem Anspruch vieler, ihr legitimes Bürgerrecht sofort ausüben zu wollen, und das gerade in teilweise auch emotional beladenen Fragen. Mit dieser Kritik wurden aber zumeist nur die Gemeinden getroffen und in ungerechtfertigter Weise zum Teil grob kritisiert, sie hätten etwa schlechtes Material oder kannten sich nicht aus. Im Hinblick auf das Funktionieren der Server trifft die Gemeinden jedoch keinerlei Schuld.



Vielmehr haben sich die Gemeindebediensteten in kürzester Zeit mit den neuen rechtlichen und technischen Vorgaben vertraut machen müssen, was zumeist noch durch verschiedene Ansprechpartner, darunter etwa zwischengeschaltete IT-Provider, nicht immer ganz leicht war. Vor allem jene Situationen, wo es geklappt hat, werden in den Medien kaum berichtet. Darüber herrschte Stillschweigen, obwohl wir es eigentlich mit einer bahnbrechenden Veränderung der direkten Demokratie in Österreich zu tun haben und es auch viele lobende Rückmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern respektive Gemeinden gab.

Innenministerium war überrascht



Die massive Inanspruchnahme der neuen technischen Möglichkeiten und die Überlagerung von mindestens zwei schon im Unterstützungsverfahren massiv beworbenen Volksbegehren hat wohl alle, auch das Innenressort, überrascht. Von den seit 1964 betriebenen Volksbegehren, 39 an der Zahl, haben nur zwei mehr als 100.000 Unterschriften schon im Einleitungsverfahren erhalten, eines im Jahr 1975 und eines im Jahr 1986.



Dass diese Zahl allerdings schon nach 72 Stunden erreicht werden konnte, geschah zum ersten Mal. Eine solche Entwicklung war bisher schlicht undenkbar und ist wohl hauptsächlich auf die Möglichkeit der Online-Unterstützung zurückzuführen. Es konnte in diesem Zusammenhang auch festgestellt werden, dass in den letzten Wochen die Zahlen der Neuanmeldungen für die Bürgerkarte/Handysignatur signifikant angestiegen ist.



Die bislang mager dahindümpelnde Bürgerkarte wurde also plötzlich attraktiv, weil mit ihr nun auch eine wirklich interessante Funktion verknüpft werden konnte. Es zeigt sich, dass die heutigen Bürgerinnen und Bürger wünschen, von ihrem demokratischen Mitbestimmungsrecht auch mit den Kommunikationsmitteln der jüngsten Generation Gebrauch zu machen. Die Lehre dieser Erfahrung ist, dass zumindest auch die Server-Kapazitäten für die nächsten Volksbegehren verstärkt werden müssen.



Resümierend kann festgehalten werden, dass das Institut des Volksbegehrens trotz diverser Kinderkrankheiten den Schritt in die digitale Zeit geschafft hat. Die Gemeinden haben dazu einen wichtigen Beitrag geleistet und werden dies auch weiterhin tun. Damit ist aber erst die Ouvertüre des Zentralen Wählerregisters verklungen, denn seine Anwendung für Wahlen steht bereits vor der Tür.