Reinhold Pobaschnig vom Land Kärnten, FLGÖ-Obmann Franz Haugensteiner, Trend-Experte Harald Pitters, Raiffeisen-Experte Markus Ecker und Moderator Walter Gröblinger.
Reinhold Pobaschnig vom Land Kärnten, FLGÖ-Obmann Franz Haugensteiner, Trend-Experte Harald Pitters, Raiffeisen-Experte Markus Ecker und Moderator Walter Gröblinger.

Kommunalwirtschaftsforum 2022

Finanzen: Projekt realisieren? JETZT!

6. April 2022
Sind Österreichs Kommunen bereit für die Energiewende? Welchen Beitrag können sie leisten? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion über Finanzierungsfragen, bei der auch der Kampf gegen Absiedelung eine wichtige Rolle spielte.

Die Energiewende wird sich in den Gemeinden abspielen. Um die Energiewende aber zu schaffen, brauchen die Gemeinden noch viel mehr Information und auch Motivation, meinte Franz Haugensteiner, Obmann des Fachverbandes der leitenden Gemeindebediensteten und Amtsleiter in der niederösterreichischen Gemeinde Purgstall.

„Es genügt nicht, wenn der Bürgermeister oder der Amtsleiter ein Elektroauto anschafft, man muss auch erklären, warum man das tut“, so Haugensteiner. Auch wenn man ein Kleinkraftwerk baut oder Photovoltaikdächer auf den Parklätzen baut, sollte man den Menschen die Beweggründe dafür erläutern.

Die Kommunikation mit der Bevölkerung ist also essentiell. „Die Gemeinde muss die Bürgerinnen und Bürger aber auch begleiten – etwa mit Workshops, mit Beiträgen in der Gemeindezeitung oder mit Projekten in den Vereinen. So kann ein positiver Flow entstehen.“

„Die Zeit wird kommen“

„Die Energiewende wird sich von alleine finanzieren“, glaubt Markus Ecker, Raiffeisen-Kommunalexperte und Finanz-Gemeinderat in Kirchberg am Wagram (NÖ). Das sei aber nicht nur eine gute Nachricht. „Fossile Brennstoffe werden doppelt so viel kosten wie Erneuerbare Energie.“

Wenn in Kirchberg ein neues Gebäude errichtet wird, wird dort auch gleich eine Photovoltaikanlage auf das Dach gebaut. Es sei aber nicht so, dass auch auf bestehenden Dächern überall PV-Anlagen errichtet werden. „Das rechnete sich derzeit noch nicht, aber die Zeit wird kommen“, ist Ecker überzeugt. „Und solange uns niemand zwingt, Energie-Großprojekte umzusetzen und wenn wir selbst entscheiden können, was wir bauen, ist es finanzierbar.“

„Investitionen, die zu Einsparungen führen, sind auch derzeit sinnvoll“

Wir befinden uns derzeit in einer Hochpreis-Situation, vor allem was die Bauwirtschaft betrifft. „Die Kommunen sind gefordert, laufende Projekte auszufinanzieren. Der Spielraum für neue Projekte ist stark eingeschränkt“, stellte Reinhold Pobaschnig, zuständig für wirtschaftliche Gemeindeaufsicht im Amt der Kärntner Landesregierung, klar. In nächster Zeit würden nur solche Projekte umgesetzt werden, die dringend notwendig sind. Das seien Sicherheitsmaßnahmen, aber auch Projekte im Betreuungs- und im Bildungsbereich.

Sinnvoll seien auf jeden Fall Investitionen, die es ermöglichen, die derzeit zahlreichen Fördermöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Hier vor allem das Kommunale Investitionspaket des Bundes, das eine Förderquote von 50 Prozent vorsieht.

Nachdem die Gemeinden auch noch unter den Folgen der coronabedingten Rückgänge der Ertragsanteile leiden, hat das Land Kärnten (wie auch andere Bundesländer) zusätzlich noch ein Gemeindehilfspaket verabschiedet. Der Fördersatz beträgt hier 30 Prozent, sodass Projekte insgesamt zu 80 Prozent gefördert werden können. Es gibt aber auch Bereiche, wo es eine Förderquote von 100 Prozent gibt, vor allem für die Errichtung von Photovoltaikanlagen.

„Investitionen sind vor allem dann sinnvoll, wenn sie Einsparungen möglich machen“, sagte Reinhold Pobaschnig. In diesem Fall seien auch Fremdfinanzierungen sinnvoll.

„Gemeinden nicht über einen Kamm scheren“

„Wenn man Beratung und Dienstleistungen für Gemeinden anbietet, darf man nicht der Versuchung erliegen, die Gemeinden über einen Kamm zu scheren“, gab Trendexperte Harald Pitters einen Tipp für Unternehmen. Das betreffe etwa die Topographie, die Finanzsituation, die Bevölkerungsentwicklung oder auch die personelle Situation der Gemeindeleitung. „Als Partnerunternehmen ist man daher gut beraten, nicht zu sehr zu streuen, sondern das Präzisionsinstrument herauszuholen.“

Wie kann man Absiedelung verhindern?

Wenn es in einem Ort zu wenig Menschen gibt, wird es schwierig, größere Projekte zu finanzieren. „Und vielleicht braucht man sie dann auch gar nicht“, meinte Moderator Walter Gröblinger und fragte: „Wie kann man Absiedlung verhindern?“

Hier habe die Pandemie Vieles verändert, meinte Trendexperte Pitters. „Wir erleben eine Renaissance des Kleinen. Die Leute kaufen mehr vor Ort ein und wollen auch wieder verstärkt auf dem Land leben.“

Wichtig sei die Schaffung von Infrastruktur, vor allem im Digitalisierungsbereich, aber auch was Kindergärten, Schulen und Pflegeeinrichtungen betrifft. „Auch das Vorhandensein von Gastronomie ist ein wichtiger Faktor, um einen Ort attraktiv zu machen“, so Pitters.

Eine große Herausforderung sei es, die Frauen in den Regionen zu halten. Um das zu erreichen, müsse es nicht nur Kindergärten und Schulen geben, sondern etwa auch die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. „Hier muss man alle Fördermöglichkeiten nutzen.“

Regionale Konzentration

Eine große Verantwortung, um das Leben am Land attraktiv zu machen, liegt bei den Ländern. Das betrifft etwa die Raumordnung, aber auch die erwähnte Infrastruktur. Wie können also Bundesländer Räume entwickeln, dass die Menschen gerne dort leben?

In Kärnten setzt man, um der Absiedelung entgegenzuwirken, die Ortskerne zu stärken und Leerstände abzubauen, auf regionale Konzentration, berichtete Reinhold Pobaschnig. „Kärnten ist ein Binnen-Pendlerland. Viele Menschen wohnen am Land und pendeln zum Arbeiten in die Städte. Für diese Leute ist es wichtig, dass sie vor Ort ein gutes Bildungs- und Betreuungsangebot haben.“ Das könne man durch die regionale Konzentration erreichen. „Durch die Zusammenführung von Kindergarten, Schulen und sonstigen Bildungs- und Sporteinrichtungen schafft man einen Bildungscampus, der ein breites Angebot und flexible Betreuungsmöglichkeiten bietet“, erläuterte Pobaschnig.

Durch die räumliche Zusammenführung schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits werden Leerstände beseitigt, und durch die Konzentration im Bildungsbereich können Kosten eingespart werden.

Orte attraktiv halten

In Kirchberg am Wagram, wo Raiffeisen-Experte Markus Ecker zuhause ist, hat man nicht mit Absiedelung zu kämpfen, sondern Markus Ecker mit zu viel Wohnbau. Da Kindergarten und Schule den Andrang nicht mehr bewältigen konnten, wurde sogar ein Baustopp beschlossen.

„Das betrifft aber nur den Hauptort. Bei den Dörfern ringsum hat man eher das Gefühl, dass sie still und leise aussterben“, berichtet Ecker. Er macht aber auf ein anderes Problem aufmerksam: „Obwohl es immer mehr Leute gibt, werden die Gasthäuser immer weniger.“ Daher wurde schon vor Jahren ein Regionszentrum gebaut, in dem auch ein Lokal Platz gefunden hat. „Das hat Touristen angelockt. Und es haben sich auch Gewerbetreibende gefunden, die dort am Samstag einen Markt veranstalten.“

Zum Thema Absiedelung meint Ecker: „Ich wüsste nicht, wie sich die Situation entwickelt hätte, wenn die Pandemie zwei Jahre früher ausgebrochen wäre, als das Internet noch nicht so gut ausgebaut war.“

Auch FLGÖ-Chef Franz Haugensteiner betonte die Auswirkungen der Pandemie auf die Entwicklung der Gemeinden. „Die Lebens- und Arbeitsbedingungen verändern sich bereits seit einiger Zeit. So wird etwa Homeoffice wird immer wichtiger. Corona hat diese Entwicklung beschleunigt.“ Dazu brauche es aber eine gute Infrastruktur. „Die Voraussetzung, damit man zuhause arbeiten kann, ist Breitband“, stellte Haugensteiner klar.

Kampf gegen Bodenspekulation

Haugensteiner machte auch auf das Thema Bodenverbrauch aufmerksam. „Man kann Menschen oft nicht mehr in der Gemeinde halten, weil das Bauland ausgeht.“ Grund dafür seien vielfach Spekulationsgeschäfte. „Mittlerweile sind wir sehr streng, wenn es um die Verpflichtung zum Bauen geht, wenn ein Grundstück einmal entsprechend gewidmet ist.“ So müsste etwa in „seiner“ Gemeinde Purgstall innerhalb von zwei Jahren gebaut werden. Und im Grundbuch wird eine Rückkaufsverpflichtung verbucht: Wenn also jemand Bauland kauft, aber nicht baut, kauft die Gemeinde das Grundstück um 70 Prozent des Schätzwertes zurück. „Da sind wir beinhart, aber es fruchtet, und wir haben keine Spekulanten mehr.“