Die schwierige Herbergssuche

Während der Bund glaubt, mit einem Durchgriffsrecht auf die Gemeinden, die Unterbringungskrise lösen zu können, scheitern viele Gemeinden und Quartiergeber am bürokratischen Aufwand, der mit der Asylkrise einhergeht.


Hürde 1: Die hohen und komplexen Unterbringungsstandards



Es gibt ein Bundesland, in dem die Bestimmungen und Formulare, die man braucht, um ein Quartier anzubieten, fast 60 Seiten dick sind. Das ist absurd. Eine Überbürokratisierung, die der Sache nicht dienlich ist. Bis ins kleinste Detail wird definiert, welche Anforderungen maßgeblich sind. Dazu noch Lageplan, Grundriss in Kopie, Strafregisterauszug des Quartiergebers und aktuelle Baubewilligung der Liegenschaft. Vorschriften ohne Ende. Viele potenzielle Quartiergeber schreckt das ab. Die Auflagen sind auch nicht immer leicht zu erfüllen. Sie enthalten auch ein Punktesystem zur Bewertung. Infrastrukturelle Angebote zum Beispiel. Schule, öffentlicher Verkehr, Grünflächen, Einkaufsmöglichkeiten usw..

Hürde 2: Die Zuständigkeiten sind oft unklar



Sogenannte „organisierte Quartiere“, das heißt Vollversorgung, werden oft direkt über die Länder abgewickelt. Oft aber auch über NGOs oder private Dienstleister. Es ist für „Anfänger“ – also Erstanbieter – oft schwer zu durchschauen, an wen sie sich wirklich wenden sollen. Wenn man nach Zuständigkeiten fragt, bekommt man oft wochenlang keine Auskünfte. Und dann die, dass man sich bitte an jemand anderen wenden soll, bei dem dann eine Auskunft wieder wochenlang dauert. Die Besichtigung von angebotenen Quartieren dauert ebenfalls häufig einige Wochen. Wertvolle Zeit, die vergeht, während in Erstaufnahmezentren Menschen in der Wiese schlafen müssen oder der Bund „durchgreift“. Ohne Unterstützung der Gemeindeverwaltungen sind viele private Quartiergeber gar nicht in der Lage oder willens, diesen bürokratischen Aufwand zu bewältigen.

Hürde 3: Angebotene Quartiere werden nicht angenommen



Im Gemeindebund häufen sich die Nachrichten aus Gemeinden, in denen dem Land oder auch dem Bund Quartiere angeboten wurden. Zum Teil schon vor Monaten. Manchmal gibt es keinerlei Rückmeldungen. In anderen Fällen werden Quartiere besichtigt, aber abgelehnt, obwohl sie davor am freien Markt gut vermietet waren. Bis vor kurzem hat man sich in einigen Gegenden Quartiere für weniger als 50 Menschen erst gar nicht angeschaut. „Zu klein“, „zu aufwändig in der Betreuung“ hieß es da. Ohne kleine Einheiten wird es freilich nicht gehen, quantitativ nicht und qualitativ schon gar nicht. Gerade bei kleineren Quartieren ist die Unterstützung der Zivilgesellschaft in der Regel deutlich höher als in Massenunterkünften.

Hürde 4: Geltende Rechtslagen



Kein Bürgermeister, keine Bürgermeisterin dieses Landes kann sich über Bauvorschriften oder Widmungen hinwegsetzen. Jeder, der so tut, als wären Grünlandwidmungen mit einem Federstrich durch den Bürgermeister veränderbar, der kennt unseren Rechtsstaat nicht.



Kommunalpolitiker, die so etwas tun, landen schnell mit Amtsmissbrauch-Verfahren vor dem Richter. Das ist keine Frage des Wollens, sondern geltende Rechtslage. Ebenso wie viele Bauvorschriften oder Hygiene- und Sicherheitsstandards. Wer sich nicht daran hält, macht sich strafbar. All diese Vorschriften wurden übrigens nicht von der Kommunalpolitik, sondern von Ländern und Bund gemacht.

Hürde 5: Zwang ausüben, statt Bedingungen verbessern



Die Antwort des Bundes auf die Quartierkrise ist nicht, dass man darüber nachdenkt, wie man die bestehenden Hürden beseitigen kann. Die Antwort ist Zwang. Ein Durchgriffsrecht, das die Fehler der Vergangenheit wiederholt und Containerdörfer für bis zu 450 Personen an einem Standort ermöglicht. Dieses Durchgriffsrecht, gegen das sich der Gemeindebund heftig und auch im Detail gewehrt hat, ist handwerklich schlecht gemacht und legistisch fragwürdig. Es kann dazu führen, dass in einer Gemeinde, die ihre Quote (1,5 Prozent der Bevölkerung) korrekt erfüllt, der Bund dennoch ein Containerdorf einrichtet oder ein anderes Quartier betreibt, weil Bezirk und Bundesland die Gesamtquote nicht erfüllen. Es wäre leicht gewesen, das im Gesetz – immerhin ein Verfassungsgesetz – zu präzisieren. Völlig unklar ist auch, wer die Kosten einer solchen Maßnahme zu tragen hat. Widmungsrecht kann im Rahmen dieser Maßnahme ebenso jederzeit außer Kraft gesetzt werden, Quartiere ins Grünland gestellt werden. Das führt unter anderem auch zum Verlust aller Nachbarschaftsrechte von Anrainern. Die können sich nun nur noch zivilrechtlich wehren, falls es zu Problemen kommt.



Die Gemeinde Nickelsdorf etwa, in der seit Wochen mehrere tausend Menschen pro Tag ankommen, erfüllt ihre offizielle Quote für Asylwerber bislang nicht, weil sie zu wenige Menschen dauerhaft unterbringt. Theoretisch könnte auch hier der Bund sein Durchgriffsrecht anwenden.



Das sind nur fünf Hürden und einige Argumente auf einer langen Liste von Problemen, die bei dieser Unterbringungskrise bestehen. Ein weiteres ist der geförderte Wohnbau. Wer einen Rundruf bei Bauträgern macht, der wird schnell feststellen, dass es da oder dort durchaus auch Leerstand gibt. Der Zugang für Asylwerber oder die Bereitstellung durch private Mieter ist derzeit unglaublich schwer beziehungsweise gar nicht möglich. Auch darüber sollte man nachdenken.



Fazit: Derzeit laden Bund und Länder die Endverantwortung gerne auf die Gemeinden ab, tun aber zugleich wenig, um die Bemühungen vieler Kommunen und tausender Privater zu unterstützen. Die Herausforderungen im Bereich des Asylwesens werden uns noch lange begleiten und nicht in absehbarer Zeit enden, vor allem nicht, wenn Europa weiterhin daran scheitert, eine gerechte Verteilung der Lasten zu finden. Je schneller das alle Beteiligten verstehen, desto eher kann man praktikable und pragmatische Wege finden, um Menschen, die Schutz suchen und vor Krieg geflohen sind, menschenwürdige Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.