Ein Holzstempel ist beschriftet mit dem Aufdruck: KI-Digitalisierung über einem digitalen Netzwerk mit künstlichem Kopf
Der Umstieg auf moderne Systeme erfordert nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch einen kulturellen Wandel innerhalb der Verwaltung.
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Gestalten & arbeiten

Auf dem Weg zur digitalen Gemeinde

In einer zunehmend digitalisierten Welt steht auch die öffentliche Verwaltung vor der Herausforderung, neue Technologien effizient einzusetzen. Die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger können durch den Einsatz von KI, Clouds und Chatbots besser und effizienter erfüllt werden, so die Theorie.
Klemens Himpele
Klemens Himpele, IKT-Chefstratege der Stadt Wien: „Wir erleben eine Digitalisierung, die sich tagtäglich beschleunigt.“ Foto: Votava

In der Praxis zeigt sich, dass der Weg noch ein langer ist, bis es in Österreich flächendeckend so weit ist. Auch wenn es in Einzelfällen bereits vorzeigbare Projekte gibt, wie beispielsweise in Kremsmünster: Hier wurde am 9. Juli 2024 in Zusammenarbeit mit der Linzer Firma KI Company der erste generative Chatbot für Gemeinden auf der Gemeinde-Website in Betrieb genommen.

„Wir erleben eine Digitalisierung, die sich tagtäglich beschleunigt“, erklärte der IKT-Chefstratege der Stadt Wien, Klemens Himpele, in seinem Vortrag „Thesen zur Digitalisierung der Verwaltung: Cloud, KI, und digitaler Humanismus“ auf der LSZ-Behördenkonferenz. Hier näherte man sich aus verschiedenen Blickrichtungen der Nutzung neuester Technologien im öffentlichen Bereich an. Wie können Kommunen von der Entwicklung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger profitieren?

Interne Prozesse und Bürgerbeteiligung

Insbesondere Gemeinden, die oft als direkte Anlaufstelle für Verwaltungsangelegenheiten dienen, können von der Digitalisierung stark profitieren. Dabei geht es nicht nur um die Optimierung interner Prozesse, sondern auch um die Verbesserung der Bürgerbeteiligung und -zufriedenheit. 

Klemens Himpele erklärt jedoch, dass Digitalisierung kein Selbstzweck sein dürfe: „Es geht darum, die Lebensrealität der Menschen zu verbessern und die Verwaltung so zu gestalten, dass sie transparent und für alle zugänglich wird.“

Der Buchautor, ehemalige Sektionschef im Bundeskanzleramt und heutige Keynote-Speaker Manfred Matzka spricht in diesem Zusammenhang vom „Josephinismus 4.0“: ein Hinweis darauf,  dass es bei der heutigen Digitalisierung um mehr als nur um Technik geht – es gehe um die Erneuerung des Verwaltungswesens im Geiste von Effizienz, Bürgernähe und Transparenz.

Pensionswelle und Fachkräftemangel

Allein in Wien sollen bis 2032 rund 21.000 Personen, die in der Stadtverwaltung tätig sind, in Pension gehen. Hier gilt es laut Klemens Himpele mit neuen Technologien dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, der ja bereits heute gelebte Realität sei und sich in Zukunft erwartungsgemäß zuspitzen werde. Dies sei mit den Möglichkeiten der fortschreitenden Digitalisierung möglich, derzeit schüre die Entwicklung sowohl Hoffnung als auch nachvollziehbare Ängste. Informationstechnologien (IT) hätten den Menschen in der Vergangenheit durchaus viel zugemutet. So habe der Fortschritt zu einer enormen Verdichtung der Arbeit geführt und eine gewaltige Beschleunigung der Abläufe in Gang gesetzt.

„Die Auswirkungen der generativen KI sind noch immer schwer einschätzbar“, mahnt Himpele. Er appelliert an die Verantwortlichen in den Kommunen: „Fangen wir klein an, nicht gleich mit dem Moonshot.“

Hier müsse man außerdem die Chancen und Risiken der Entwicklung im Auge behalten und im Sinne der Resilienz auf Datensicherheit und Datenschutz achten, und dies treibe die Kosten sehr schnell in die Höhe.

Webinar

Digitalisierung als Schlüssel für mehr Effizienz

Eine der größten Chancen, die neue Technologien bieten, ist die Effizienzsteigerung in der Verwaltung. Automatisierte Prozesse, wie die Bearbeitung von Anträgen oder die Kommunikation zwischen Abteilungen, können die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter erheblich reduzieren. 

Beispielsweise ermöglichen es cloudbasierte Plattformen, dass Dokumente zentral gespeichert und bearbeitet werden, was den Informationsfluss beschleunigt. Dies führt nicht nur zu schnelleren Bearbeitungszeiten, sondern auch zu einer geringeren Fehleranfälligkeit.
Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von E-Government-Plattformen. Diese ermöglichen es Bürgerinnen und Bürgern, Anträge digital einzureichen und den Bearbeitungsstatus online zu verfolgen. Für die Verwaltung bedeutet dies weniger Papierkram und eine verbesserte Nachverfolgbarkeit von Vorgängen.

Bürgernahe Verwaltung durch digitale Services

Neben der internen Effizienzsteigerung spielt die Bürgerfreundlichkeit eine entscheidende Rolle. Durch den Einsatz digitaler Technologien können Gemeinden ihren Bürgern neue und komfortable Wege bieten, mit der Verwaltung in Kontakt zu treten.

Besonders der Einsatz von Apps und Online-Portalen bietet sich an, um die Kommunikation künftig um ein Vielfaches zu vereinfachen. Diese Technologien ermöglichen es, Informationen und Dienstleistungen rund um die Uhr bereitzustellen. Bürger müssen nicht mehr während der Öffnungszeiten ins Rathaus kommen, sondern können ihre Anliegen bequem von zu Hause aus regeln.

Ein Beispiel dafür ist die Einführung von digitalen Melde- und Beschwerdeplattformen, auf denen Bürger Probleme wie defekte Straßenlaternen oder Müllablagerungen melden können. Solche Systeme sorgen nicht nur für eine schnellere Reaktionszeit der Verwaltung, sondern erhöhen auch die Transparenz und das Vertrauen in die kommunalen Institutionen.

Datensicherheit und Datenschutz

Ein zentrales Thema bei der Nutzung neuer Technologien in der öffentlichen Verwaltung ist der Datenschutz. Gerade im kommunalen Bereich werden sensible personenbezogene Daten verarbeitet, weshalb der Schutz dieser Daten oberste Priorität hat. Hier kommen moderne Verschlüsselungstechnologien und sichere Authentifizierungs­verfahren zum Einsatz, die sicherstellen, dass Daten nicht in die falschen Hände geraten.

Die Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des AI Acts in Europa hat den Rahmen für den verantwortungsvollen Umgang mit Daten und Technologien geschaffen. Gemeinden sollten sicherstellen, dass sie alle Vorschriften einhalten und die Mitarbeiter regelmäßig im Umgang mit digitalen Systemen und Datenschutzanforderungen schulen.

Neue Technologien für mehr Bürgerbeteiligung

Ein weiteres Potenzial neuer Technologien liegt in der Stärkung der Bürgerbeteiligung. Digitale Plattformen ermöglichen es den Bürgern, sich aktiv an Entscheidungsprozessen zu beteiligen, sei es durch Umfragen, Abstimmungen oder die Einreichung von Vorschlägen. Dies fördert nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, sondern erhöht auch die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen.

Ein Beispiel ist die Implementierung von E-Partizipationsplattformen, die es den Bürgern ermöglichen, online über kommunale Projekte abzustimmen oder Ideen für die Stadtentwicklung einzubringen. Solche Plattformen bieten der Verwaltung die Möglichkeit, auf ein breites Meinungsbild zurückzugreifen und die Bedürfnisse der Bevölkerung besser zu verstehen.

Die Rolle der Künstlichen Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) ist eine weitere Schlüsseltechnologie, die das Potenzial hat, die öffentliche Verwaltung zu revolutionieren. Von Chatbots, die einfache Anfragen der Bürger automatisch beantworten, bis hin zu komplexen Systemen, die Verwaltungsdaten analysieren, um fundierte Entscheidungen zu treffen, bietet KI zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten.

Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von KI ist die automatisierte Analyse von Verkehrs- und Umweltdaten, um Städte smarter und nachhaltiger zu gestalten. KI kann auch helfen, potenzielle Engpässe in der Verwaltung frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen vorzuschlagen.

Herausforderungen bei der Implementierung

Trotz aller Vorteile stehen Gemeinden bei der Einführung neuer Technologien vor mehreren Herausforderungen. Eine der größten Hürden ist die oft veraltete IT-Infrastruktur, die in vielen Kommunen vorhanden ist. Der Umstieg auf moderne Systeme erfordert nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch einen kulturellen Wandel innerhalb der Verwaltung. Mitarbeiter müssen geschult und überzeugt werden, dass neue Technologien eine Erleichterung ihrer Arbeit darstellen und nicht eine zusätzliche Belastung.

Auch die Akzeptanz bei den Bürgern spielt eine wichtige Rolle. Gerade ältere Bevölkerungsgruppen stehen digitalen Lösungen oft skeptisch gegenüber. Hier ist es wichtig, einfache und nutzerfreundliche Systeme zu schaffen, die von allen Bevölkerungsgruppen problemlos genutzt werden können.

Fazit

Mario Draghi
„Die technologische Innovation ist der Schlüssel, um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die öffentliche Verwaltung muss hier Vorreiter sein und den Weg ebnen für eine digitalisierte Zukunft, die die Bürger ins Zentrum stellt.“ Mario Draghi, ehemals Präsident der Europäischen Zentralbank und italienischer Ministerpräsident. Foto: Petro Naj-Oleani European Union 2023/EP

Der frühere EZB-Chef Mario Draghi betont in seinem kürzlich vorgelegten Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit der EU, dass „technologische Innovation der Schlüssel ist, um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die öffentliche Verwaltung muss hier Vorreiter sein und den Weg ebnen für eine digitalisierte Zukunft, die die Bürger ins Zentrum stellt.“

Die erfolgreiche Einführung neuer Technologien in der öffentlichen Verwaltung bietet Gemeinden die Chance, effizienter, transparenter und bürgerfreundlicher zu arbeiten. Von der Automatisierung interner Prozesse über die Förderung der Bürgerbeteiligung bis hin zur Nutzung von künstlicher Intelligenz – die Potenziale sind enorm. 

Entscheidend für den Erfolg ist jedoch eine durchdachte Strategie, die sowohl die technischen als auch die menschlichen Aspekte berücksichtigt. Nur so kann die digitale Transformation der Verwaltung gelingen und den Bürgern den bestmöglichen Service bieten.

10 Thesen zur Digitalisierung 

(frei nach Klemens Himpele, CIO, Stadt Wien)

  1. Man muss Nutzen, Mehrwert und Kosten bewerten und bei einem klaren positiven Ergebnis auch entsprechend handeln
  2. Derzeit sucht man nach USE-Cases für Technologie anstatt nach der Lösung von Problemen
  3. Das Thema Resilienz (Datensicherheit und Datenschutz) muss im Fokus stehen. Dies verursacht jedoch Kosten. 
  4. Viele Tätigkeiten der öffentlichen Hand unterliegen nicht ganz so strengen Anforderungen, deshalb sind hohe Sicherheitsmaßnahmen bei den wenigsten Tätigkeiten der öffentlichen Verwaltung nötig (Kosten-Nutzen Abwägung).
  5. Die EU ist in manchen Bereichen digitale Kolonie und dies hat Konsequenzen in der Rechtsgestaltung und Durchsetzung
  6. In Europa fehlen Anbieter passender Lösungen der neuesten Technologien, deshalb ist die alternativlose Nutzung amerikanischer und chinesischer Tech-Importe derzeit Standard.
  7. Die Ausstattung mit Hard- & Software wird immer wichtiger. Dies wird durch den Trend zur Integration von generativer KI weiter verstärkt. 
  8. Die technologischen Möglichkeiten sind nach Risiko und Nutzenabwägung zu nutzen.
  9. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientieren sich am Komfort, der dort, wo er zwingend notwendig ist, nicht eingeschränkt werden kann.
  10. Der Digitale Humanismus ist die Basis, er beinhaltet Verbote und Gebote, wobei Zweiteres derzeit noch unterbelichtet ist.