Arzt betreut Patienten am Computer
Bei niedergelassenen ÄrztInnen handelt es sich bei telemedizinischer Betreuung zumeist um jegliche Form der „Arzt- Patienten“-Interaktion auf Distanz. Es geht somit um jenen Bereich, wo ÄrztInnen und PatientInnen interagieren.
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Telemedizinische Betreuung und digitale Kommunikationsformen gewinnen in der Medizin zunehmend an Bedeutung. Einerseits kann dies eine Arbeitserleichterung für ÄrztInnen, aber auch eine qualitative Verbesserung der medizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten fördern. Insbesondere für den ländlichen Raum erweisen sich neue Formen der Gesundheitsversorgung als Unterstützung, da in strukturschwachen Gebieten eine schnellere und effizientere medizinische Versorgung gewährleistet werden kann.

Telemedizinische Betreuung steht in Österreich noch am Anfang, erfuhr bedingt durch die COVID-19-Pandemie aber einen unerwarteten Aufschwung. Diese bis dato sich in Österreich eher langsam entwickelnden Angebote wurden verbreitet genutzt, da zumindest eine Zeit lang MedizinerInnen – soweit umsetzbar – weitgehend telefonisch oder digital betreuen sollten. Andererseits erfolgte die durch die Pandemie plötzlich bedingte Ausweitung telemedizinischer Betreuungselemente prozessunbegleitet und schnell.

Basierend auf diesen Erfahrungen erscheint die Frage essenziell, welche Weichenstellungen gefragt sind, um die Qualität der medizinischen Betreuung sicherzustellen und zu optimieren.  Im Zuge der Digitalisierung in vielen Lebensbereichen geht es also nicht um die Frage, ob telemedizinische Leistungen ausgebaut werden, sondern wie sie ausgebaut und angewendet werden. 

Digitalisierung im Gesundheitswesen

Einer der größten Anbieter für telemedizinische Betreuung in Deutschland, Zavamed, veröffentlichte vor kurzem einen „Telemedizin Report in Deutschland und der EU“. Unter anderem wurde dabei anhand verfügbarer Gesundheitsdaten aus 14 verschiedenen europäischen Ländern ein Index errechnet, der die Leistungsfähigkeit und den Fortschritt im Rahmen der Digitalisierung des Gesundheitswesens abbilden soll[1] (vgl. dazu etwa auch den Global Digital Health Index GHDI, welcher anhand von 19 Indikatoren basierend auf den sieben Komponenten des WHO/ITU E-health Strategy Framework, Entwicklungen auswertet).[2]

Der Digitalisierungsgrad eines nationalen Gesundheitssystems wird in diesem Report am sogenannten Digital Health Index gemessen, der sich aus dem Durchschnittswert der Schaffung legaler Grundlagen (Digital Policy), einer digitalen Infrastruktur (Digital Health Readiness) und der sich daraus ergebenden Nutzung der Daten von ÄrztInnen und PatientInnen (Actual Use of Data) errechnet. Alle Faktoren werden als Wert zwischen 0 (wenig bis nicht) und 100 (vollständig) angegeben.[3]

Österreich befindet sich nach dieser Berechnungsmethode auf Platz 8. Während die Faktoren Digital Policy mit 78,8% und Digital Health Readiness mit 60,7 Prozent bewertet sind, fällt das heimische System bei der Bewertung der aktuellen Nutzung (Actual use of data) zurück auf 39,9 Prozent. Länder, welche vor Österreich eingestuft werden, weisen hier einen Wert zwischen 57,5 Prozent (Schweden, Platz 4) und 71,7 Prozent (Estland, Platz 1) auf.

Ranking des Digital Health Index
Ranking des Digital Health Index. Quelle: https://www.zavamed.com/de/telemedizin-report-deutschland.html

Österreichs Defizite liegen demnach aktuell insbesondere im Bereich der Anwendung. Zwar sind die elektronische Gesundheitsakte umgesetzt und zurzeit auch E-Rezepte möglich, gesamt gesehen wird der Austausch von Gesundheitsdaten aber noch zu wenig genutzt. Ein Grund dafür liegt in der Fragmentierung des österreichischen Gesundheitssystems an sich. Darüber hinaus werden viele Gespräche noch telefonisch abgewickelt, zertifizierte Provider, die eine sichere Online Beratung erlauben, werden bislang noch wenig genutzt, auch wenn die Tendenz steigend ist.

Das Potenzial telemedizinischer Betreuung

Medizinische Versorgung in strukturschwachen Gebieten

Der State of Health Report 2019 der Weltgesundheitsorganisation zeigt für den niedergelassenen Bereich, dass Österreich mit 5,2 ÄrztInnen pro 1.000 Einwohnern über dem EU-Schnitt (3,6/1.000) liegt, nur Griechenland hat einen höheren Wert. Seit 2000 ist dieses Verhältnis um gut ein Drittel gestiegen, vor allem bedingt durch mehr FachärztInnen. Der Anteil der Allgemeinmediziner ist mit 15 Prozent nun allerdings einer der niedrigsten in der EU.[4]

Anzahl der ÄrztInnen pro 1.000 EinwohnerInnen
Anzahl der ÄrztInnen pro 1.000 EinwohnerInnen. Quelle: State of Health in the EU. Österreich 2019.[5] (basierend auf Daten der Statistik Austria)

Ein Mangel an ÄrztInnen ist derzeit in Österreich also (noch) nicht gegeben, ebenso ist die Verteilung der Ärztinnen über die Bundesländer relativ gleichmäßig, wobei die Zahl der ÄrztInnen mit Kassenverträgen stagniert bzw. rückläufig ist (vor allem AllgemeinmedizinerInnen). Auch ist für einzelne Fachrichtungen eine Konzentration im urbanen Raum zu beobachten.

Das Durchschnittsalter der niedergelassenen ÄrztInnen beträgt  53,9 Jahre[6]. Das heißt konkret, dass sich in den kommenden Jahren zwei Aspekte verdichten werden:

Erstens werden zahlreiche ÄrztInnen in Pension gehen, zweitens erweist sich bereits jetzt als schwierig Kassenstellen insbesondere im ländlichen Raum nach zu besetzen. Gerade deswegen erscheint eine verstärkte Nutzung und der Ausbau telemedizinscher Betreuungselemente gerade in strukturschwachen Regionen von großer Bedeutung.

Was bedeutet Telemedizin?

Telemedizin ist ein relativ unscharf definierter Überbegriff einer Vielzahl von medizinischen Leistungen.

Bei niedergelassenen ÄrztInnen handelt es sich bei telemedizinischer Betreuung zumeist um jegliche Form der „Arzt- Patienten“-Interaktion auf Distanz. Es geht somit um jenen Bereich, wo ÄrztInnen und PatientInnen interagieren, sei es in Form medizinischer Versorgung (die sonst unter physischer Präsenz stattfindet z. B. Anamnese, Diagnostik – soweit extern möglich, Behandlungsvorschlag, Rezeptausstellung und Verordnungen) oder bei der Betreuung chronischer Erkrankungen (Telemonitoring z. B. bei Diabetes, Bluthochdruck etc.).

Ebenso können dadurch Zweitmeinungen oder Meinungen von SpezialistInnen in weiterer Entfernung eingeholt werden.  Zusätzlich ermöglichen digitale Formen die einfache Übermittlung von Befunden und Untersuchungsergebnissen.  Gefragt nach den Vor- und Nachteilen telemedizinischer Betreuung im Rahmen einer Studie der Donau-Universität meint ein/e ÄrztIn:

„Ich kann PatientInnen sowohl hören als auch sehen, die es nicht in die Einrichtung schaffen, dadurch wäre eine halbwegs seriöse Befunderstellung möglich. Es können SpezialistInnen hinzugezogen werden, die in einem anderen Landesteil sind.“ (befragte/r MedizinerIn)[7]

Systemerhaltung in Krisenzeiten

Auch rückblickend auf die letzten Monate gibt es Vorteile bei der Betreuung. Einerseits wird durch telemedizinische Betreuungsformen die Möglichkeit der Ansteckung minimiert, zum anderen lassen sich zahlreiche Krankheitsverläufe zumindest besprechen, vor allem wenn die PatientInnen bekannt sind.

„PatientInnen fühlen sich in der jetzigen Situation mit ihren Beschwerden oft allein gelassen. Sie haben oft Angst ins Spital zu gehen (Ansteckungsgefahr) und können die Schwere ihrer Erkrankung oft nicht genau einschätzen. Hier kann man entweder beruhigen oder auf die Dringlichkeit einer akuten Abklärung drängen – die PatientInnen sind sehr dankbar, wenn sie am Telefon von einer Fachfrau/-mann aufgefangen und beraten werden.“ (befragte/r MedizinerIn)[8]

Potenzial im Bereich Pflege und ältere Personen

Ein ebenso wichtiger Bereich, bei welchen telemedizinische Betreuung großes Potenzial hat, ist die Pflege.

„Für mich und die Pflege ist die Eröffnung der telemedizinischen Betreuung eine große Erleichterung. Wir sind nicht nur für den Quarantänefall wesentlich sicherer. Ich kann auch zeitlich flexibel in aller Ruhe von zuhause Evaluierungen im Qualitätsmanagement tätigen (Gewichtskurven, Medikamentenchecks, Visiten und Therapien planen, Verordnungen im Heim ausdrucken). Wir haben ArztkollegInnen in anderen Heimen die Möglichkeit geschildert und sie motiviert, die Möglichkeiten auch zu nutzen.“ (befragte/r MedizinerIn)[9]

Voraussetzung dafür ist die Ausstattung und Schulung des Pflegepersonals mit dem nötigen Equipment und Geräten. Mittels Videokonsultationen können zumindest leichte Beschwerden und milde Krankheitsverläufe relativ gut betreut werden.

Auch außerhalb von Pflegeheimen ist es von Vorteil, wenn der Weg zum Ärzt/ÄrztIn manchmal eingespart werden kann. Wesentliche Herausforderung ist dabei die Beachtung von sprachlichen, als auch technischen Barrieren. Gerade ältere Personen oder Menschen mit chronischen Erkrankungen können Probleme bei Bedienung und bei der Verständigung auf diesem Weg haben. Essentiell ist daher, dass geschultes Personal zur Unterstützung bereitsteht.

Ein ganz entscheidender Punkt ist in diesem Fall natürlich der jeweilige Fachbereich. Während auf manchen Gebieten bzw. je nach Beschwerden mittels Video und Fotos bzw. Telefon teilweise gute diagnostische Perspektiven bestehen, ist dies in anderen Bereichen nur erschwert möglich.

In zahlreichen Fachbereichen gibt es erste Ansätze, Untersuchungen digital zu ermöglichen. Ebenso bestehen einige Pilotprojekte die im Bereich des Telemonitorings (z.B. Diabetes, Bluthochdruck etc.) gute Erfolge feststellen. [10]

Potenzial in der Akut- und Notfallversorgung

Bei medizinischen Notfällen kann Telemedizin rasche Unterstützung bei der Versorgung des Patienten leisten.  NotärztInnen unterstützen den Rettungsdienst vor Ort mittels Videoberatung und Telefon. Gerade im ländlichen Raum können Anfahrtswege zu Krankenhäusern lang sein. Hier können telemedizinische Betreuungsleistungen zwar diesen Weg nicht verkürzen, sie können aber die Zeit für Maßnahmen nutzen und somit die sog. Rettungskette verkürzen.

Voraussetzungen und Herausforderungen für die Implementation eines telemedizinischen Angebots

Voraussetzungen für die Einführung telemedizinischer Angebote sind u. a. eine ausreichend hohe Bandbreite um Daten (in diesem Fall Videogespräche etc.) verlustfrei zu übertragen, ebenso ist es notwendig, ein gesichertes IT System zu verwenden, das datenschutzkonform ist.

Vor allem aber bedarf es auch der Akzeptanz bei ÄrztInnen und in der Bevölkerung, diese Möglichkeiten zu nutzen. Zu unterscheiden ist dabei zwischen den unterschiedlichen Formen von Akzeptanz[11]. Die Forschung differenziert zwischen Einstellungs-, Handlungs- und Nutzungsakzeptanz[12], um zu beschreiben, ob jemand etwas gegenüber subjektiv positiv eingestellt ist, oder ob die Akzeptanz soweit reicht, dass sie alltäglich angewendet wird[13].

Oft wird auf Barrierefreiheit bei telemedizinischen Leistungen hingewiesen. Für Menschen mit Behinderung ist dies manchmal von Vorteil durch die Wegersparnis, bei sprachlichen Barrieren, Hörproblemen und fehlenden technischen Mitteln beim Patienten/bei der Patientin hingegen ein Nachteil.

Angewendet werden muss diese Form der ärztlichen Betreuung natürlich von den ÄrztInnen und PatientInnen. Gemeinden können aber im Bereich der notwendigen Infrastruktur, in der Unterstützung bei der Information und Kommunikation wesentlich beim Auf- und Ausbau beitragen.

Zusammengefasst kann Telemedizin einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungsgerechtigkeit und somit zur Qualitätssteigerung beitragen. Es ist gerade für Ordinationen in Gemeinden in größerer Entfernung zu urbanen Räumen ein geeignetes Zusatzangebot, um Effektivität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung zu unterstützen. 

[1] Zu beachten ist hier, dass dies ein Beispiel darstellt, wie man verfügbare Daten hinsichtlich des Digitalisierungsgrades bewerten kann, hier existieren diverse Zugänge

[2] https://static1.squarespace.com/static/5ace2d0c5cfd792078a05e5f/t/5d4dcb80a9b3640001183a34/1565379490219/State+of+Digital+Health+2019.pdf

[3] https://www.zavamed.com/de/telemedizin-report-deutschland.html

[4] https://ec.europa.eu/health/state/country_profiles_de S.11.

[5] https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/state/docs/2019_chp_at_german.pdf S.17. (basierend auf Daten der Statistik Austria)

[6] Quelle Ärztekammer Ö

[7] Hainzl Christina, Juen Isabella (2020): TELEMED Monitor Österreich 1.  Studie zur Akzeptanz von telemedizinischer Betreuung im niedergelassen Bereich. erscheint September 2020.

[8] Hainzl Christina, Juen Isabella (2020): TELEMED Monitor Österreich 1.  Studie zur Akzeptanz von telemedizinischer Betreuung im niedergelassen Bereich. erscheint September 2020.

[9] Hainzl Christina, Juen Isabella (2020): TELEMED Monitor Österreich 1.  Studie zur Akzeptanz von telemedizinischer Betreuung im niedergelassen Bereich. erscheint September 2020.

[10] Die Homepage der  Telemed Austria verweist immer wieder auf neue Erkenntnisse und Projekte www.telemedaustria.at

[11] Vgl. Königstorfer Jörg (2008): Akzeptanz von technologischen Innovationen: Nutzungsentscheidungen von Konsumenten dargestellt am Beispiel von mobilen Internetdiensten. Springer.

[12] Vgl. Dockweiler Christoph (2015): Adoption und Akzeptanz telemedizinischer Leistungen aus Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer. Dissertation. Universität Bielefeld. Rahmenschrift. S. 18ff.

[13] Vgl. dazu u.a. Lucke Doris (1995): Akzeptanz. Legitimität in der Abstimmungsgesellschaft. Opladen.