test in einer Kläranlage
Einer der Punkte des EU-Vorschlags ist die Einführung einer 4. Reinigungsstufe zur Entfernung von Mikroschadstoffen durch Ozonung bzw. Aktivkohlefiltration für alle Kläranlagen >100.000 EW und für Kläranlagen >10.000 EW, wenn ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gegeben ist.
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Abwasser

Verschärfungen für Betreiber von Kanalisationsanlagen und Kläranlagen

Die Europäische Kommission eine Verschärfung der kommunalen Abwasserrichtlinie, um die Verschmutzung der europäischen Gewässer zu reduzieren und den Abwassersektor energieneutral zu machen. Die geplanten Änderungen beinhalten unter anderem strengere Vorgaben für die Stickstoff- und Phosphorentfernung sowie die Einführung einer vierten Reinigungsstufe zur Entfernung von Mikroschadstoffen. Die Umsetzung der Maßnahmen ist bis spätestens 2040 vorgesehen. Die Abwasserwirtschaft kritisiert den Interpretationsspielraum sowie die zu erwartenden Kosten.

Die Vorgaben der kommunalen Abwasserrichtlinie 1991 wurden umgesetzt. Dies wird Österreich von der Europäischen Umweltagentur konstatiert. Lediglich sechs der 27 EU-Staaten erfüllen die derzeit gültige Richtlinie.

Aufgrund des Alters dieser Richtlinie wurde diese nun evaluiert und von der Europäischen Kommission (EK) Ende Oktober 2022 ein Entwurf für eine Neufassung vorgestellt. Die massiven Änderungen bzw. Verschärfungen haben im Abwassersektor intensive Reaktionen ausgelöst.

Im Sinne des European Green Deals und des Zero Pollution Action Plans sieht der Vorschlag der EK vor, die Verschmutzung der europäischen Wasserkörper durch strengere gesetzliche Vorgaben für Einleitungen von kommunalem Abwasser zu reduzieren, den Sektor energieneutral zu machen und insgesamt die Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Die wichtigsten Punkte zusammengefasst sind:

  • Richtziel zur Verringerung der Verschmutzung von Gewässern aufgrund von Regenüberläufen auf nicht mehr als ein Prozent der jährlich gesammelten Abwasserlast unter Trockenwetterbedingungen. 
  • Anhebung der Nährstoffentfernungsrate auf 85 Prozent für Stickstoff bzw. 90 Prozent Phosphor für alle Kläranlagen >100.000 EW sowie für Kläranlagen >10.000 EW (wenn diese in ein „eutrophierungsempfindliches Gebiet“ einleiten).
  • Einführung einer vierten Reinigungsstufe zur Entfernung von Mikroschadstoffen durch Ozonung bzw. Aktivkohlefiltration für alle Kläranlagen >100.000 EW und für Kläranlagen >10.000 EW, wenn ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gegeben ist.
  • Einführung einer „Organisation zur erweiterten Herstellerverantwortung“, um die Errichtung, den Betrieb und die Überwachung der vierten Reinigungsstufe zu finanzieren.
  • Energieneutralität des Sektors für alle Kläranlagen >10.000 EW.
  • Umsetzungszeitraum für die erforderlichen Maßnahmen bis spätestens 2040.

Die österreichische Siedlungswasserwirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen, dass sie bereit ist, den Weg eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zu gehen.

Ein besonderer Investitionsschub war auf nationaler Ebene gesehen die Wasserrechtsgesetznovelle Anfang der 1990er-Jahre. Insgesamt wurden in Abwassersammlung und -­reinigung als kommunale Daseinsvorsorge seit den 1960er-Jahren rund 48 Milliarden Euro investiert.

Die österreichische Abwasserwirtschaft ist sich ihrer ökologischen Verantwortung in einer sich rasant ändernden Umwelt bewusst. Sie ist auch gewillt, Verbesserungen für unsere Gewässer in einem vernünftigen Maß mitzutragen. Aus diesem Blickwinkel heraus wurden die Anforderungen des Entwurfs der Richtlinie betrachtet und kritisch hinterfragt.

Klarstellungen durch die Kommission nötig

Die Zielsetzungen der EK fußen überwiegend auf Best-Practice-Ansätzen, die ohne Reflexion auf das gesamte Unionsgebiet umgelegt werden und regionale Rahmenbedingungen nicht berücksichtigen. Viele Formulierungen bedürfen außerdem einer Klarstellung durch die Kommission.

Der Interpretationsspielraum ist derzeit für eine kritische Bewertung in Bezug auf die zu erwartenden Kosten zu groß. Die von der EK prognostizierte Steigerung der derzeitigen finanziellen Ausgaben um 3,8 Prozent erscheint aufgrund der zusätzlich erforderlichen Maßnahmen jedenfalls deutlich zu niedrig.

Das Richtziel zur Begrenzung von Einleitungen aus Regenentlastungen birgt erhebliches Potenzial für den künftigen Finanzbedarf, da je nach Rahmenbedingungen entweder Retentionsvolumina geschaffen und/oder massive Entflechtungen im verbauten Gebiet von Regen- und Schmutzwasser in Mischwasserkanalisationen vorgenommen werden müssen.

Der Nutzen, der sich für die Qualität von Wasserkörpern aus der Anhebung der Stickstoffentfernungsrate von derzeit 70 auf 85 Prozent ergibt, steht in keinem Verhältnis zu den anfallenden Kosten für Betrieb und Errichtung zusätzlicher verfahrenstechnischer Anlagen. Höhere Stickstoff- und Phosphorentfernungsraten bedingen den vermehrten Einsatz von elektrischer Energie und Betriebsmitteln. 

Durch die Verpflichtung zur Errichtung und den Betrieb einer vierten Reinigungsstufe kann zwar ein weites Spektrum an Mikroschadstoffen aus dem Abwasser entfernt werden, aber die zu reduzierenden Treibhausgasemissionen werden weiter steigen und die Abhängigkeiten von Lieferanten von Arbeitsstoffen (auch aus Drittstaaten) werden sich signifikant erhöhen. Auch der Bedarf an elektrischer Energie wird dadurch weiter steigen.

Ein Finanzierungssystem für die Errichtung und den Betrieb der vierten Reinigungsstufe durch die Pharmazie und die Kosmetikindustrie auf nationaler Ebene im Zuge der „erweiterten Herstellerverantwortung“ muss erst etabliert werden. Es ist davon auszugehen, dass die Regelung von den Herstellern nicht ohne Widerstand akzeptiert wird.

Die zeitlichen Vorgaben zur Umsetzung werden als nicht durchführbar angesehen. Der Prozess zur Implementierung der neuen kommunalen Abwasserrichtlinie schreitet zügig voran. Der Entwurf wird im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments bereits beraten. 

Druck auf Kommunen wird steigen

Es ist daher entscheidend, die Kommunen als insbesondere Betroffene der Änderung der bisherigen Richtlinie jetzt schon zu informieren. Im Sinne des Gewässer- und Umweltschutzes muss es das Ziel aller Stakeholder sein, die Neufassung der Richtlinie so weit abzuändern, dass auf Basis einer vernünftigen Kosten–Nutzen-Relation eine gesamtökologisch sinnvolle Lösung realisiert wird.

Falls eine Einigung von Rat, Europäischer Kommission und Europäischem Parlament noch im heurigen Jahr, also vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Jahr 2024, erfolgt, muss die Umsetzung in nationales Recht innerhalb von zwei Jahren erfolgen.
Der Druck auf österreichische Kommunen, der durch die Teuerungs- und die Energiekrise bereits sehr hoch ist, wird durch die neue kommunale Abwasserrichtlinie verschärft werden.