Kriterien wie Lieferung, Nachhaltigkeit oder Service werden in Österreich überdurchschnittlich oft als Feigenblattkriterien eingesetzt und haben de facto keinen Einfluss auf die Vergabe. Foto: www.BilderBox.com

Österreich ist Schlusslicht bei Bestbieterprinzip

31. Januar 2017
Seit rund einem Jahr ist die Novelle des Bundesvergaberechts, die das Bestbieterprinzip bei öffentlichen Vergaben stärkt, in Kraft. Das Bestbieterprinzip ist nun vom Gesetzgeber als Standardverfahren vorgesehen. Wie sich das Prinzip des „technisch-wirtschaftlich günstigsten Angebots“ in der Vergaberealität niederschlägt, hat nun eine vom Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) und dem Fachverband Metalltechnische Industrie in Auftrag gegebene Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts analysiert.





„Nach wie vor dominiert der Preis die Auswahl“, kritisiert die Präsidentin des FEEI, die frühere SPÖ-Politikerin und Siemens-Managerin Brigitte Ederer. Vielfach würden Bestbieterausschreibungen mithilfe von Feigenblattkriterien zu verdeckten Billigstbietervergaben. Diese österreichische Besonderheit sucht im europäischen Ländervergleich seinesgleichen“, so Ederer.

Jedes fünfte Verfahren gewichtet Preis über 95 Prozent



Konkret zeigt das Ergebnis der Wifo-Studie, dass bei 19 Prozent der Bestbietervergaben – also bei rund jedem fünften Verfahren – das Gewicht des Preises über 95 Prozent beträgt und damit das beherrschende Kriterium ist. Bei etwa einem Drittel (34 Prozent) hat der Preis immer noch 90 Prozent Gewicht.



Andere preisfremde Kriterien wie Lieferung, Nachhaltigkeit oder Service, die in anderen Ländern ebenfalls zur deutlichen Verringerung des Preises herangezogen werden, werden in Österreich überdurchschnittlich oft als Feigenblattkriterien eingesetzt und haben de facto keinen Einfluss auf das Ergebnis.



Auffallend ist die hohe Gewichtung auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, die in der Studie untersucht wurden: In keinem anderen untersuchten EU-Land ist die Preisgewichtung so stark und häufig ausgeprägt wie in Österreich.

Forderungen nach gesetzlicher Festschreibung von Mindestgrenzen



Um Österreich zu einem Vorzeigeland für Vergabeverfahren zu machen, fordern die Unternehmen der Elektro- und Elektronikindustrie sowie der Metalltechnischen Industrie eine gesetzliche Verankerung von mindestens zwei preisfremden Kriterien. „Um das Problem der so genannten Feigenblattkriterien zu verhindern, soll darüber hinaus eine Maximalgewichtung des Preises gesetzlich festgeschrieben werden, zum Beispiel 60 bis 80 Prozent“, fordert Christian Knill, Präsident des Fachverbands Metalltechnische Industrie. Weiters sei es zielführend, Kataloge mit inhaltlich substantiierten Qualitätskriterien zu erstellen, um Auftraggebern und Beschaffern die Auswahl an preisfremden Kriterien zu erleichtern. Wesentlich für die Stärkung des Bestbieterprinzips sei auch die laufende Schulung der Personen und Entscheidungsträger in den ausschreibenden Stellen. Dies erfordert Ressourcen sowie fachliche und technische Kompetenz auf der Auftraggeberseite. „Das ist insbesondere bei komplexen Projekten der Fall“, so Knill.

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