Die Gemeinden stellen in ihrem Forderungspapier klar, dass sie das Fundament des Staates sind. Foto: Shutterstock

Staatsreform nicht ohne Gemeinden

Selten waren Forderungen der Gemeinden an die neue Regierung so fundiert und mehr auf das Allgemeinwohl aller Bürgerinnen und Bürger, egal ob in Stadt oder Land, ausgerichtet wie heuer.





Die Gemeinden sind nicht nur das dritte Standbein des Staates, sie sind das Fundament. Sie sind es, die die demokratischen Strukturen mit Leben erfüllen. Nicht umsonst gibt es das Wort von der „Gemeinde als Schule der Demokratie“. Noch deutlicher als dieses Wort bezeichnet der Artikel 1 der provisorischen Gemeindeverfassung von 1848 die Situation: „Die freie Gemeinde ist die Grundfeste des Staates“.



Die Gemeinden sind es ja auch, die für die Bürgerinnen und Bürger alle Bereiche der Daseinsvorsorge sicherstellen und für die Menschen von der Wiege bis zur Bahre sorgen. Für die Wirtschaft sind die Gemeinden die Motoren, die nötig sind, um ein prosperierendes Land zu haben. Und schlussendlich geben sie dem Staat die Möglichkeit, zu funktionieren. Denn sie sind es auch, die alle landes- und bundespolitischen Ziele umsetzen und auch die europäischen Vorgaben erfüllen.

Bekenntnis zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltung wäre nötig



Im Grunde sind ihre Forderungen mehr als recht und billig: Die Gemeinden wollen, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass sie ihre Aufgaben auch erfüllen können. Dazu bräuchte es lediglich eines Bekenntnisses zum Schutz und Ausbau der kommunalen Selbstverwaltung.



Jetzt erheben jedes Mal in Zeiten einer Regierungsbildung alle möglichen Organisationen und Verbände ihre Stimme. Aber nur ganz ganz selten sind diese Stimmen, Vorschläge und Forderungen so fundiert wie beim Gemeindebund und mehr auf das Allgemeinwohl aller Bürgerinnen und Bürger, egal ob Stadt oder Land, ausgerichtet.. Und meistens meinen die aufgestellten Forderungen, dass alle anderen etwas ändern sollen – nur bei sich selbst will man nichts verändert haben. Das ist ein bisschen so wie das unselige Floriani-Prinzip1.



Der Gemeindebund hat in sechs Bereichen Forderungen formuliert, die in Summe nichts weniger als das Allgemeinwohl aller Menschen im Staat umfassen. Es sind dies:


  1. Bundesverfassung und kommunale Selbstverwaltung,

  2. Bürgernähe und moderne Verwaltung,

  3. Finanzen,

  4. Soziales und Gesundheit,

  5. Kinderbetreuung und Schule sowie

  6. Lebensqualität und wirtschaftliche Perspektiven für den ländlichen Raum.


Kommunale Verbände fordern Einbindung



Vor etwas mehr als einem Jahr haben sich alle FAG-Partner im Paktum zum Finanzausgleich 2017 einer Bundesstaatsreform und einer Kompetenzrationalisierung verschrieben – ein Ziel, das der Gemeindebund seit vielen Jahren verfolgt. Vor allem eine klare Zuordnung von Aufgaben und deren klare und nachhaltige Finanzierung stehen hier im Vordergrund. Damit versteht der Gemeindebund die Staatsreform nicht nur als Aufgabenreform, sondern auch als klares Bekenntnis zu den Prinzipien eines partnerschaftlichen Bundesstaates, zur kommunalen Selbstverwaltung und zum Prinzip der Subsidiarität.



Eine Kernforderung ist, dass die kommunalen Spitzenverbände in der Arbeitsgruppe zur Bundesstaatsreform aktiv eingebunden werden – eine Staatsreform kann (und dürfte auch) nicht ohne die dritte Ebene des Staates – das Fundament des Staates, die Gemeinden – umgesetzt werden.



Aufgrund der Begutachtungsrechte und des Konsultationsmechanismus waren die Gemeinden bislang gewissermaßen „am Rande“ im Vorfeld von 15a-Vereinbarungen mit eingebunden, allerdings in keinster Form ausreichend. Die zweite Kernforderung des Gemeindebundes lautet daher, den kommunalen Spitzenverbänden für definierte kommunalrelevante Themen eine Vertragsfähigkeit im Sinne des Artikels 15a des Bundesverfassungsgesetzes einzuräumen.

Die Vorteile einer Vertragsfähigkeit



Sie würde nicht nur den Staat selbst stärken, sondern auch die kommunalen Strukturen. Eine Win-win-Situation. Denn trotz der hohen wirtschaftlichen, sozialen und demokratiepolitischen Bedeutung der Gemeinden hat es seit vielen Jahren praktisch keine Maßnahmen zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in Österreich gegeben – im Gegenteil: Politische Entscheidungsspielräume der Gemeinden wurden laufend zurückgedrängt.

Verwaltungsreform umsetzen



Der zweite Punkt des Gemeindebund-Forderungspapiers betrifft vor allem Reformvorschläge und Forderungen im Zusammenhang mit Kompetenzüberschneidungen und Finanzierungsverflechtungen innerhalb des Staates – etwas, was nicht nur von Vertretern der Höchstgerichte immer wieder betont wurde, sondern worüber bei den Partnern des Finanzausgleichs auch im Paktum zum Finanzausgleich 2016 eine politische Einigung bestand.



Entscheidend ist bei einer künftigen Verwaltungsreform, dass es zu keiner weiteren zusätzlichen Belastung der Gemeinden, zu keinen weiteren Verteilungen von Aufgaben „von oben nach unten“ kommen darf. Derartige „Top-down-Handlungen“ haben dazu geführt, dass die Belastungen aus Verlagerungen von Bund und Ländern zu Gemeinden ohne die gleichzeitige Erhöhung der kommunalen Mittel zur Erfüllung eben dieser Aufgaben zu einem mittlerweile fast schon unerträglichen Zustand geführt haben. Ein Fortfahren dieser Praxis würde die Tragfähigkeit des Fundaments des Staates ernstlich gefährden. Im Forderungspapier führt der Gemeindebund folgende Bereiche beispielhaft an (in Auszügen):


  • Kooperationen: Der Gemeindebund unterstützt positive Anreizsysteme, um interkommunale Zusammenarbeit zu fördern, und setzt sich für den Abbau bestehender Barrieren ein. Diese Gemeindekooperationen dürfen nicht durch Erlässe oder restriktive Interpretationen von EU-Recht konterkariert werden beziehungsweise wird die Bundesregierung aufgefordert, derartige Entwicklungen (EU-Mehrwertsteuerrichtlinie) durch nationale Lösungen auszugleichen.

  • Konsequentes Management für Verwaltungsdaten aller Ebenen: Den Gemeinden muss die Bereitstellung von Verwaltungsdaten finanziell abgegolten werden und die Gemeinden verlangen kostenlosen Zugang zu den von ihnen erhobenen und für sie relevanten Daten.

  • Geschworenen- und Schöffenlisten: Der Gemeindebund fordert eine Entbindung der Gemeinden von dieser äußerst aufwendigen zentralen Erfassung und Listenerstellung und die Übertragung dieser Aufgabe an die Justizverwaltung.

  • Vereinfachung des Gebührenrechts: Das für Gemeinden überaus aufwendig umzusetzende Gebührengesetz 1957 ist zu vereinfachen. Aus verwaltungsökonomischen Gründen regt der Gemeindebund an, die Gebühren auf Eingaben, Beilagen und Niederschriften gänzlich abzuschaffen und im Gegenzug die Verwaltungsabgaben auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene anzuheben.

  • Meldepflichten der Gemeinden: Der Gemeindebund fordert die rasche Rückgängigmachung und Beseitigung von überschießenden oder sachlich nicht oder nicht mehr zu rechtfertigenden Meldeverpflichtungen von Gemeinden oder Gemeindeverbänden.

  • Schulkonten: Durch das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz einerseits und durch die Bestimmungen des Haushaltsrechts andererseits dürfen Pflichtschulen streng genommen nicht mehr über ein Konto verfügen. Der Gemeindebund fordert, die rechtlichen Vorkehrungen für die Beseitigung dieses in der Praxis relevanten Problems zu schaffen.



Darüber hinaus fallen in dieses Kapitel auch Vorschläge zu Themen wie dem Beglaubigen von Urkunden, der Hinzuziehung von Sachverständigen in Verwaltungsverfahren und Vorschläge und Forderungen zur Vereinfachung der Wahlvorschriften. Die Anregungen zur Anpassung des Wahlrechts werden im Beitrag „Gemeinden am Scheideweg“ auf Seite 16 dieser Ausgabe im Detail betrachtet.

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