Ing.-Etzel-Park im Innsbrucker Stadtteil Saggen
Untersuchungsgebiet und Umgestaltungsobjekt im Projekt cool-INN: der Ing.-Etzel-Park im Innsbrucker Stadtteil Saggen.

Naturbasierte Lösungen mindern urbane Hitze und entlasten Abwasser

Unsere Städte sind kontinuierlicher Änderung unterworfen. Das Bevölkerungswachstum führt zu einem steigenden Bedarf an Wohn-, Gewerbe- und Verkehrsflächen und damit zu voranschreitender Versiegelung von natürlichen Flächen. Aber auch das Klima ändert sich und führt unter anderem zu vermehrt auftretenden Starkniederschlagsereignissen, aber auch zu längeren Trockenperioden und Hitzewellen bzw. einer steigenden Anzahl an Hitzetagen und Tropennächten pro Jahr.

Ohne Anpassung führen diese Effekte zu einer Überlastung bestehender Entwässerungsnetze, haben aber auch Auswirkungen auf das urbane Mikroklima – im Besonderen ein vermehrtes Auftreten von urbaner Hitze sowie eine Steigerung des urbanen Hitzeinseleffekts – und folglich auf das Wohlbefinden des Menschen. Somit sehen sich Städte in naher Zukunft großen Herausforderungen ausgesetzt, denen sie mit nachhaltigen Anpassungsmaßnahmen entgegenwirken müssen.

Grundlagen schaffen – Multifunktionalität steigern

In der Planung der Niederschlagswasserbehandlung hat bereits ein Paradigmenwechsel eingesetzt, sodass im Neubau Niederschlagswasser nicht mehr zwingend in die bestehende Kanalisation einzuleiten ist, sondern auf eigenem Grund behandelt wird. Oft besteht diese Behandlung in einer Versickerung in den Untergrund, aber auch andere Verfahren (Gründächer, Regenwasserteiche, Regengärten, Regenwassernutzungen etc.) sind möglich. Zunehmend gewinnt dabei der Mehrfachnutzen der Anlagen an Bedeutung.

Derartige naturnahe Lösungen, sogenannte „Nature-Based Solutions (NBS)“, dienen nicht mehr nur der raschen Entsorgung von anfallenden Wässern, sondern zeichnen sich durch zusätzliche Ökosystem-Dienstleistungen aus. So können, zusätzlich zur Entwässerungsfunktion, Mikroklima, Biodiversität und/oder Grundwasserbilanz verbessert werden.

Stadtweite Identifizierung von Hot-Spots versiegelter Flächen
(a) stadtweite Identifizierung von Hot-Spots versiegelter Flächen,
(b) vertiefte lokale Analyse durch die Modellierung der Oberflächentemperatur, mittleren Strahlungstemperatur und des UTCI;
(c) Untersuchung auf Mikroskalen-Ebene.

In Hinblick auf Konzepte zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels zeichnen sich NBS durch die Verbesserung natürlicher Prozesse wie Infiltration, Versickerung, Evapotranspiration und Speicherung von Wasser aus und stellen nachhaltige Konzepte zur Stadtentwicklung dar. Eine Annäherung an einen natürlichen Wasserkreislauf wird somit angestrebt. Viele Städte haben bereits Konzepte erstellt, um durch Begrünung, Entsiegelung und den Einsatz von blauer Infrastruktur urbane Hitze zu reduzieren und der steigenden Anzahl an Hitzetagen und Tropennächten pro Jahr entgegenzuwirken.

Obwohl in der Forschung die Steigerung von Mehrfachnutzen naturbasierter Lösungen sowie eine optimierte räumliche Zuweisung der Systeme bereits behandelt wird, findet die Thematik in der Praxis noch wenig Zuwendung. So wird in den bereits ausgearbeiteten Konzepten eine kombinierte Betrachtung unterschiedlicher Wirkungen zur optimierten Anpassung an die Folgen des Klimawandels kaum beachtet.

Am Arbeitsbereich für Umwelttechnik der Universität Innsbruck hat man sich dieser Thematik ebenfalls angenommen und sie ist auch Bestand der aktuellen Forschungsarbeiten.

Um Synergien nutzen und die Multifunktionalität von Klimawandelanpassungsmaßnahmen steigern zu können, bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung der komplexen Systeme. Sowohl für die urbane Entwässerung als auch für die urbane Temperaturentwicklung sind die Faktoren Stadtstruktur, urbane Formen, Versiegelungsgrad und Vegetationsgrad essenziell und müssen auf verschiedenen Maßstabsebenen betrachtet und analysiert werden.

Zur vorausschauenden ganzheitlichen Planung sollten auf Ebene der Stadtplanung Karten und Werkzeuge entwickelt werden, um die unterschiedlichen Aspekte und Randbedingungen berücksichtigen zu können. 

Ein eigens am Arbeitsbereich für Umwelttechnik entwickelter Modellierungsansatz zur Analyse der urbanen Temperaturentwicklung ist in der Lage, räumlich verteilte Werte der Oberflächentemperatur, mittleren Strahlungstemperatur und des UTCI (Universal Thermal Climate Index) mit einer Genauigkeit, je nach Eingangsdatensatz, von unter einem halben Meter zu modellieren (siehe Bild oben). Die Methodik des Ansatzes und die Ergebnisse sind im veröffentlichten Paper genau beschrieben.

Anhand dieser Analysen können Bereiche thermischen Unwohlseins lokalisiert, Vorschläge für Anpassungsmaßnahmen ausgearbeitet sowie Stadtplanungsprozesse zur Wärmeminderung und die Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsziele (z.B. SDG 11 - Nachhaltige Städte und Gemeinden) und anderer politischer Zielsetzungen unterstützt werden.

Um Synergien zu schaffen und Mehrfachnutzen zu fördern, können diese raumbezogenen Informationen mit Herangehensweisen aus anderen Bereichen kombiniert werden. So kann beispielsweise eine Kombination mit der Herangehensweise zur Untersuchung der siedlungswasserwirtschaftlichen Strukturtypen und ihrer Potenziale für die dezentrale Bewirtschaftung von Niederschlagswasser zu einer optimierten Standortlokalisierung für Klimawandelanpassungsmaßnahmen zur Entlastung des städtischen Abwassersystems und gleichzeitiger Minderung urbaner Hitze führen. 

Das Projekt cool-INN: Leuchtturm und Schnittstelle

Durch die spezielle geografische Lage ist die Landeshauptstadt Innsbruck innerstädtisch stark verdichtet und besitzt bisher neben den Flüssen Inn und Sill nur wenig blaue und grüne Infrastruktur, um den Auswirkungen des Klimawandels mit zunehmenden Hitzetagen und Tropennächten entgegenzuwirken. Die kommunalen Entscheidungsträger und die Innsbrucker Kommunalbetriebe AG haben daher großes Interesse, Möglichkeiten zur Installation von blauer Infrastruktur zu testen, um das Mikroklima an Hitzepolen zu verbessern.

Im Rahmen des Projektes cool-INN (Förderungszeitraum: 2020 bis 2023) soll mit Hilfe wissenschaftlicher Konzeptionsarbeit und Simulation eine ideale Anlage mit hohem Kühleffekt, aber auch mit multifunktionalen Möglichkeiten konzipiert werden. Untersuchungsgebiet und Umgestaltungsobjekt ist der Ing.-Etzel-Park im Stadtteil Saggen der Stadt Innsbruck.

Mit einem Versiegelungsgrad von etwa 70 Prozent lädt die aktuelle Gestaltung des Parks wenig zum längeren Verweilen ein. Es ist geplant, den Stand der Technik mit der Expertise aller notwendigen Stakeholder und den Bedürfnissen der Bürger zu vereinen, um einen nachweislichen Kühleffekt für Innsbruck zu erzielen.

Versiegelungsgrad Ing.-Etzel-Park
Mit einem Versiegelungsgrad von etwa 70 Prozent lädt die aktuelle Gestaltung des Parks wenig zum längeren Verweilen ein.

Die Maßnahmen sollen in der Gestaltung so umgesetzt werden, dass ein positiver sozioökonomischer Effekt erzielt wird. Aus den Arbeiten zur Machbarkeitsstudie soll ein Leitfaden mit Bewertungsmatrix abgeleitet werden, der im Anschluss sowohl von der Stadt Innsbruck selbst als auch von anderen Städten und Gemeinden als Entscheidungshilfe für die Planung von blauer Infrastruktur herangezogen werden kann. cool-INN schafft so einen Experimentierraum für blaue Infrastruktur und die Steigerung von Mehrfachnutzen im urbanen Raum. Der oben beschriebene Ansatz wird im Rahmen des Projekts weiterentwickelt und die bereits gewonnenen Erkenntnisse dienen als wissenschaftliche Grundlage für vordefinierte Fragestellungen.
 
Neben dem wissenschaftlichen Ansatz geht es jedoch ab einem bestimmten Punkt auch um die Möglichkeiten der praktischen Umsetzung. Das Projekt cool-INN stellt so auch eine Schnittstelle dar, um Wissenschaft und Praxis zusammenzuführen. Wie immer gilt es dabei, einen Partner mit entsprechendem Erfahrungshorizont und einem Leistungsportfolio zu finden, der das Potenzial bietet, aus wissenschaftlicher Theorie praktische Realität werden zu lassen.

Maßnahmen zur Kühlung umgesetzt

Auf der Suche nach einem geeigneten Kandidaten aus der Wirtschaft stieß man auf die ENREGIS Gruppe mit ihren Unternehmen ENREGIS Water Management, DISPOplus, PILOSITH und ddp WATER Institute.

Die ENREGIS Gruppe hat das Entgegenwirken der Folgen des Klimawandels inzwischen gewissermaßen zum zentralen Selbstverständnis ihrer Unternehmensausrichtung erhoben.

Das spiegelt sich auch im Angebotsspektrum, denn mit Produkten aus Kunststoff und Edelstahl für die Regenwasser- und Trinkwasser-Bewirtschaftung und für den Bereich der Green Infrastructure sowie mit ökologischen Klimabaustoffen z. B. für Wassergebundene Wegedecken verfügt die Gruppe über ein breites Instrumentarium, alle relevanten Bereich der Klima-Mission abzudecken. Dadurch können innerhalb des Projekts cool-INN-Maßnahmen zur Kühlung umgesetzt und Mehrfachnutzen naturbasierter Lösungen gesteigert werden. Und mit ihrem in Hall in unmittelbarer Projektnähe etablierten Standort ist die ENREGIS Gruppe auch räumlich schon ganz nah dabei.