Gemälde von Frau vor einem Tor
Eine Kultur des Erhaltens ist mehr als Ressourcenschutz oder kostengünstiger Erhalt von Konsumfunktionen.
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Kreative Genügsamkeit als Überlebensstrategie

Ehrgeizige Versuche, das moderne Konsum- und Mobilitätssystem mittels technischer Innovationen von ökologischen Schäden zu entkoppeln, schlugen nicht nur fehl, sondern führten punktuell sogar zu einer Verschlimmbesserung.[1] Der letzte Ausweg könnte darin bestehen, das globalisierte Industriemodell soweit zurückzubauen, dass die irdische Tragekapazität erhalten bleibt und die damit zu vereinbarende Umweltbeanspruchung auf rund 7,6 Milliarden Menschen gleich verteilt wird. Bezogen auf den Klimawandel als das eklatanteste Nachhaltigkeitsdefizit hieße dies laut deutschem Umweltbundesamt, dass jedes Individuum pro Jahr durchschnittlich mit etwa einer Tonne an CO2-Äquivalenten auszukommen hätte. Der mitteleuropäische Durchschnitt liegt derzeit bei rund zwölf Tonnen.

Dieses zivilisatorische Großvorhaben, für das keine historische Parallele existiert, wird entlang dreier Umsetzungsszenarien diskutiert: erstens als geplante, makroökonomisch zu steuernde Postwachstumsstrategie, die durch Anreizsysteme und politische Rahmensetzungen zu etablieren wäre; zweitens als unvermeidliches Reaktionsmuster auf schicksalhaft hereinbrechende Krisen; drittens als Dynamik autonomer Aufbrüche, die sich zunächst in Nischen und Reallaboren bewähren, um darauffolgend von weiteren Teilen der Gesellschaft übernommen zu werden.

Postwachstumsszenarium

Die erste Variante erscheint insofern naheliegend, als sie kompatibel mit althergebrachten liberalen, grünen und links-intellektuellen Politikvorstellungen ist. Allerdings verinnerlicht sie einen naiven Steuerungsoptimismus, der spätestens dann zerbröselt, wenn er mit der inzwischen erreichten Komplexität globalisierter und digitalisierter Volkswirtschaften konfrontiert wird: Wer steuert hier wen?

Außerdem ignoriert die Hoffnung auf eine zentral zu implementierende Strategie Folgendes: Insoweit eine ökologische Entkopplung des lieb gewonnenen Mobilitäts- und Konsumparadieses unmöglich ist, müsste eine wirksame Postwachstumspolitik der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler deutliche Reduktionsleistungen abverlangen.

Aber eine genügsame Lebensführung, erst recht die damit korrespondierenden Versorgungsumstellungen zu praktizieren, ist keine Frage der Einsicht oder des bekundeten Wollens, sondern des eingeübten Könnens und der Belastbarkeit: keine Flugreisen, kein (eigenes) Auto, nicht überall Internet, maßvoller Wohnraum anstelle neuer Häuser, weniger (oder kein) Fleisch, keine Kunststoffverpackungen, reparierte Textilien und Möbel, keine eigene Waschmaschine und Bohrmaschine, kein Coffee to go, zehn Jahre alte Computer, nicht jeden Tag ins Restaurant gehen können und so weiter – wer wählt eine Politik, die einem dies zumutet? Sicher nur jene, die bereits so leben.

Je tiefgreifender ein individuell zu meisternder Wandel ist, umso offenkundiger wird, dass der Mensch als „Träger von Übungsprogrammen“[2] nur zu leisten imstande ist, was er trainiert und durch disziplinierte Wiederholung zur Routine hat werden lassen.

Diese notwendige Praxisdimension lässt sich nicht vom eigenen Leben fernhalten, kann nicht automatisiert oder an einen grünen Technologiepark abgeführt, geschweige denn an eine damit restlos überforderte Politik delegiert werden. Getragen von einer satten Mehrheit, die sich zunehmend aus kosmopolitisch und konsumorientierten Mittelschichten rekrutiert, sind demokratische Regulative, ganz gleich ob Politik, Bildung, Erziehung oder Medien, längst zu willfährigen Erfüllungsgehilfen einer öko-suizidalen Daseinsform geworden: nur keine Konflikte oder unbequeme Zugeständnisse an eine längst notwendige Selbstbegrenzung riskieren.

Krisen als Lehrmeister des Wandels?

Nun hat sich das zweite Szenario auf die Agenda gehievt und treibt die Politik vor sich her. Dabei markiert der Coronaschock nur eine von vielen Wachstumskrisen, die auf ähnlichen Ursachen gründen und deren Eintreten nur eine Frage der Zeit war. Damit aus einer Epidemie mit solcher Wucht und Geschwindigkeit eine Pandemie werden konnte, bedurfte es eines Netzes globalisierter und hochfrequenter Austauschbeziehungen, sowohl den Güter- als auch den Personenverkehr betreffend.

Genau hierin besteht eine zwingende Voraussetzung für fortwährendes Wirtschaftswachstum, das im Falle kürzerer Reichweiten von Produktionsketten längst an seine Grenzen gelangt wäre. Nur durch eine fluide, hypermobile Entgrenzung spezialisierter Produktions- und Leistungsprozesse lassen sich beständig neue Verwertungs- und Effizienzpotenziale erschließen.

Aber wenn alles mit allem verbunden ist, lassen sich auch noch so weit entfernte Störungen nicht mehr einhegen; sie breiten sich rapide aus und durchdringen den globalen Raum. Diese Verletzlichkeit ist der Preis für die Wohlstandsexpansion. Deshalb deckt die Coronakrise einen lange vernachlässigten Zielkonflikt auf, nämlich zwischen betriebswirtschaftlicher Effizienz, einmündend in volkswirtschaftliches Wachstum auf der einen und Resilienz auf der anderen Seite. Resilienz gilt als Fähigkeit der Gesellschaft, der Ökonomie, eines technischen oder sozialen Systems oder auch eines Individuums, (externe) Störungen zu verarbeiten, ohne die Überlebens- und originäre Funktionsfähigkeit zu verlieren.

Gefragt ist deshalb ein Lebens- und Wirtschaftsstil, der nicht nur die ökologische, sondern auch ökonomische und soziale Überlebensfähigkeit wiederherstellt – Letzteres verstanden als krisenrobuste Güterversorgung. Dieser umfasst eine zumindest graduelle De-Globalisierung, den Rückbau überkomplexer (technologischer) Strukturen, eine Kultur der Suffizienz und autonome Versorgungspraktiken, also all das, was seit Jahrzehnten als rückständig bekämpft und ausgemerzt wurde.

Mehr noch: Jegliche Erziehung und Bildung basierte und basiert bis heute darauf, Kompetenzen, die für ein resilientes und ökologisch verantwortbares Leben nötig wären, durch eine blindwütige Akademisierung und Konsumorientierung zu verdrängen. Das Resultat sind Heerscharen digital-dementer und zu jeder manuellen Versorgungsleistung unfähiger Komfort-Hypochonder.

Gegen die nachhaltigkeitsdefizitäre Lebensrealität einer überwältigenden Mehrheit der Wählerinnen und Wähler ist zumindest in einer Demokratie kein politisches Kraut gewachsen. Deshalb muss an eben dieser Lebensrealität angesetzt werden. Hierzu bedarf es avantgardistischer Gegenentwürfe, die sich dezentral und auf lokaler Ebene dem prozyklischen Steigerungswahn nicht nur widersetzen, sondern ihn mit gelebten – also empirisch relevanten und nicht nur herbeifantasierten – Alternativen konfrontieren.

Vonnöten sind Handlungsräume, in denen basale Praktiken einer verlorenen Zukunftsfähigkeit wieder erlernt, eingeübt und verbreitet werden können, und zwar nicht nur unabhängig von, sondern nötigenfalls auch diametral gegen vorherrschende ökonomische Systemlogiken. Die gute Nachricht: Bereits jetzt lassen sich Experimentierfelder finden, in denen erprobt wird, wie es gelingt, sich bei deutlich verringerter Industrieproduktion und ohne unnötige fossile Mobilität würdig zu versorgen.

Urbane Subsistenz, ein drittes Szenario

Soziale Stabilität in einer Postwachstumsökonomie bedeutet zuvorderst, die nach einer schrittweisen Reduktion des Verkehrs- und Produktionsvolumens verbliebene Erwerbsarbeit so zu verteilen, dass weiterhin Vollbeschäftigung herrscht, wenngleich auf Halbtagsbasis.

Die damit einhergehende Einkommensverringerung wäre durch ergänzende Subsistenzleistungen auszugleichen; erstens durch Nutzungsdauerverlängerung, zweitens durch eigene Produktion und drittens durch Gemeinschaftsnutzung. Neben kooperativen Nachbarschaften und lokalen Netzwerken erweisen sich verdichtete Formen des gemeinschaftlichen Wohnens als geeignete Ansatzpunkte. Letztere können den oft hohen Einkommensanteil für Mieten mildern, weil sie den Bedarf an eigener Wohnfläche reduzieren. Dazu tragen auch Maßnahmen zur optimierten Wohnraumausnutzung bei.[3]

Außerdem lassen sie sich genossenschaftlich organisieren, was abermals Kosteneinsparungen bedeuten kann. Die Züricher Genossenschaft Kalkbreite, das Mietshäuser Syndikat, Ökodörfer wie etwa Schloss Tempelhof, das Oldenburger Projekt Wohnmix und viele mehr sind instruktive Beispiele.

Derartige Nachbarschaften ermöglichen weitere finanzielle Einsparungen durch die Gemeinschaftsnutzung von Gärten, Hausgeräten, Konsumgegenständen, Werkzeugen, Obstpressen, Fahrzeugen (nicht nur Autos, sondern vor allem Lastenfahrrädern) sowie durch den Austausch von Betreuungs-, Pflege- und Sorgearbeit. Wenn kostspielige Gebrauchsgegenstände von durchschnittlich fünf Menschen genutzt werden, sinkt das notwendige Einkommen, um sie zu finanzieren.

Dasselbe gilt für Praktiken der Nutzungsdauerverlängerung, etwa durch achtsame Verwendung, Instandhaltung und Reparatur von Gütern oder die Weitergabe nicht mehr benötigter Objekte und Ersatzteile (Verschenkmärkte). Nicht minder relevant ist der eigenständige Nahrungsmittelanbau in Gemeinschafts-, Haus-, Schreber-, Dach- oder Mietgärten. Auch das sogenannte Foodsharing ist eine prädestinierte Subsistenzleistung.

Kreative Genügsamkeit als Überlebensstrategie

Der nicht kommerzielle Austausch ergänzender Fertigkeiten für Reparatur, Wartung und Aufarbeitung von Gebrauchsgegenständen sowie das Upcycling kann auf Quartiere, Stadtteile und Regionen ausgeweitet werden. Als Ressourcenbasis für derartige Subsistenzaktivitäten, durch die moderne Konsumfunktionen unentgeltlich verfügbar werden, können die infolge der Arbeitszeitverkürzung freigestellten Stunden dienen.

Die resultierende duale Versorgungsform – weniger Einkommen, mehr produktive Zeitressourcen – wird oft mit dem Begriff des „Prosumenten“[4] assoziiert. Natürlich lassen sich die Einkommensreduktionen infolge eines Industrierückbaus nicht vollständig durch Subsistenz auffangen, denn für viele besonders ruinöse Mobilitäts- und Konsumpraktiken existieren keine ökologischen Alternativen, sodass sie ersatzlos zu reduzieren wären. Hier setzt die Logik der „Suffizienz“[5] an.

Kommunale Ressourcenzentren

Der Industrieoutput einer Postwachstumsökonomie entspräche jener Restgröße, die sich daraus ergäbe, einen deutlich verringerten Bestand an notwendigen Objekten zu erhalten. Es würde durchschnittlich nur nachproduziert, was nach Ausschöpfung aller nutzungsdauerverlängernden Maßnahmen zu ersetzen wäre. Dies entspräche keinem Entwicklungs- oder Innovationsstopp, denn der Ersatz von Produkten kann stets auf Basis eines zwischenzeitlich verbesserten Designs erfolgen, sodass der Gütervorrat einer Gesellschaft behutsam optimiert oder veredelt, aber eben nicht ausgedehnt wird. Ein solches Programm der Wachstumsvermeidung umfasst diverse sich ergänzende Maßnahmen[6], von denen eine beispielhaft skizziert werden soll.

Kommunale Ressourcenzentren könnten eine breite Palette an Selbstversorgungspraktiken, ein postwachstumstaugliches Unternehmertum und offene Lernorte für eine zukunftsfähige Lebensführung verbinden. Dazu ließe sich eine brach gefallene Immobilie umfunktionieren, um verschiedene Aktivitäten zu bündeln. Hier könnten Arbeitsstationen für Handwerker untergebracht sein, deren professionelle Reparaturdienste dort anknüpfen, wo selbsttätige oder in Repaircafés organisierte Instandhaltungsmöglichkeiten enden. Zudem könnte der Abfallwirtschaftsbetrieb defekte, aber noch reparatur- oder aufarbeitungsfähige Güter aus dem Sperrmüll aussondern oder an speziellen Abgabestellen sammeln, um sie im Ressourcenzentrum aufarbeiten zu lassen. Sie lassen sich vermarkten oder auf einem integrierten Verschenkmarkt weitergeben.

kaputte Waschmaschine
Der Abfallwirtschaftsbetrieb könnte defekte, aber noch reparatur- oder aufarbeitungsfähige Güter aus dem Sperrmüll aussondern oder an speziellen Abgabestellen sammeln, um sie im Ressourcenzentrum aufarbeiten zu lassen. Foto: stock.adobe.com

Das Zentrum könnte außerdem ein zentrales Ersatzteildepot beherbergen, um alle noch funktionsfähigen Teile einzulagern, die demontierten Objekten entstammen. Mittels einer solchen Bibliothek der Dinge gelingt es, auch ältere und komplexere Gegenstände zu erhalten. In einem Produktionslabor mit 3D- Fräsen, 3D-Druckern und weiterer technischer Ausrüstung könnten selbst designte, langlebige und reparable Produkte in Einzelfertigung (Losgröße 1) hergestellt werden. Die späteren Nutzer*innen könnten in den Entstehungsprozess eingebunden werden. So bauten sie eine Beziehung zu den individualisierten Objekten auf, die sie zu deren Erhalt motiviert.

Zudem böte sich das Zentrum als Verleihstation für Werkzeuge, Lastenfahrräder, Gartengeräte und andere Gebrauchsgegenstände an. Es könnte als Verteilstelle für Foodsharing-Initiativen und die Solidarische Landwirtschaft fungieren. Vor allem müsste ein Ressourcenzentrum als Lernort fungieren.

Schulklassen, aber auch Erwachsene könnten hier in Kursen, Reparatur-Workshops und Weiterbildungsmodulen mit Selbstversorgungskompetenzen ausgestattet werden.

Die Reparaturdienstleistungen könnten nicht nur handelsüblich angeboten, sondern auch im Auftrag lokaler Einzelhändler ausgeführt werden, die sich über eine jährliche Umlagefinanzierung – analog zum Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft – beteiligen. So erzielten lokale Geschäfte eine höhere Kundenbindung, indem sie einen Service offerierten, den sie mangels entsprechender Kompetenzen und Ressourcen eigenständig nicht erbringen könnten. Daran anknüpfend ließen sich weitere Kooperationen und nahräumliche Wertschöpfungssysteme aufbauen.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher wiederum können Reparaturgutscheine  oder -coupons erwerben oder abonnieren, die für jegliche Reparaturleistungen und für die Teilnahme an Weiterbildungs- oder Reparaturkursen verwendet, aber ebenso verschenkt und übertragen werden können. Einzurichten wäre auch ein gastronomischer Bereich.

Die Arbeitsstationen und Werkstätten könnten so angeordnet sein, dass die beanspruchte Fläche auch für Konzerte, Theateraufführungen, Vorträge, Informationsveranstaltungen, Schulunterricht, Partys und andere Events nutzbar ist.

Anzustreben wäre eine offene Atmosphäre, die auch Personen ohne konkreten Reparaturbedarf oder sonstigen Nachhaltigkeitsbezug zum Verweilen, Lernen oder Besuchen von Veranstaltungen veranlasst. Das Ressourcenzentrum sollte durch eine ungezwungene Zugänglichkeit und Multifunktionalität zu einem Reallabor für die resiliente Versorgung werden, insbesondere zu einem Lernort, an dem sich Praktiken der eigenen Produktion, der Nutzungsdauerverlängerung und der Gemeinschaftsnutzung kollaborativ mit anderen oder unter Anleitung von Expertinnen und Experten einüben lassen.

Ausblick

Ökonomische Autonomie, verbunden mit genügsamen Konsumansprüchen und einem sesshaften Leben, markiert die Basis einer Überlebensstrategie für das 21. Jahrhundert, mit der überall sofort begonnen werden kann, statt auf ein politisches Wunder zu warten. Einen Baustein bilden kommunale Ressourcenzentren. Insbesondere eine Reaktivierung von Reparaturpotenzialen könnte einen neuen Akzent der wirtschaftlichen Entwicklung auf kommunaler Ebene setzen.

Eine Kultur des Erhaltens ist mehr als Ressourcenschutz oder kostengünstiger Erhalt von Konsumfunktionen. Sie kann (graduell) die handwerkliche Produktion und den Einzelhandel stärken und lässt die Verbraucher*innen unabhängiger von globalen Versorgungsketten werden. Und somit erhöht sie die Krisenstabilität.

Kommunale Wirtschaftsstandorte erodieren gegenwärtig, insoweit Wertschöpfungsprozesse zunehmend digitalisiert werden (Industrie 4.0) und damit jede geografische Bindung verlieren. Lokale Produktion kann nicht konkurrenzfähig gegenüber globalisierter und standardisierter Fertigung sein. Damit reduziert sich die städtische Ökonomie zusehends auf Gastronomie und Einzelhandel, was zum Einfallstor für Filialisten wird und inzwischen auch den Dienstleistungsbereich betrifft. Und selbst diese schon prekäre Konstellation erweist sich bestenfalls als Zwischenstadium einer weiteren kommunalökonomischen Verödung, weil der innerstädtische Einzelhandel – zumal wenn er zusehends von Filialisten durchsetzt ist, die keine kulturelle oder persönliche Bindungskraft entfalten – dann erst recht einer übermächtigen Preiskonkurrenz durch den Internethandel ausgesetzt ist.

Gegen diesen Trend durch immer neue voluminöse Großprojekte, zum Beispiel Einkaufszentren, oder Investitionen in zusätzliche Infrastrukturen ankämpfen zu wollen, wie in jüngerer Vergangenheit zumeist geschehen, dient bestenfalls noch dazu, Handlungsfähigkeit zu simulieren. Ansonsten läuft dies nicht nur ins Leere, sondern erweist sich als nachhaltigkeitsdefizitär.

Abhilfe schaffen nur die Reaktivierung und die innovative Anpassung von Versorgungskonzepten, die so strukturiert sind, dass sie einer lokalen Wirtschaft zur Überlegenheit gegenüber der Internetkonkurrenz verhelfen. Dies sind Wertschöpfungsprozesse, die – zumindest tendenziell – erstens arbeitsintensiv sind, zweitens auf Erhalt statt Neuproduktion basieren, drittens die Logik der standardisierten Massenfertigung überwinden und viertens Konsumentinnen und Konsumenten über Lernprozesse zur Mitwirkung an Versorgungsleistungen befähigen. Damit würde nicht nur die industrielle Logik des 20. Jahrhunderts herausgefordert, sondern eine Basis für veränderte Lebensstile und eine neue unternehmerische Kreativität geschaffen: Die Trennung zwischen der Angebots- und Nachfrageseite würde graduell aufgehoben.

Der Beitrag ist ein Auszug aus der Publikation „Sorge um den Bestand. Zehn Strategien für die Architektur“, herausgegeben für den Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA von Olaf Bahner, Matthias Böttger und Laura Holzberg, erschienen im JOVIS Verlag.

Fußnoten

[1] vgl. Kümmel, Reiner/Lindenberger, Dietmar/Paech, Niko: Energie, Entropie, Kreativität: Was das Wachstum treibt und bremst. Berlin 2018

[2] Sloterdijk, Peter: Du mußt Dein Leben ändern. Frankfurt am Main 2009

[3] vgl. Fuhrhop, Daniel: Einfach anders wohnen. Erw. Neuaufl. München 2019

[4] Toffler, Alvin: The Third Wave. New York 1980

[5] Folkers, Manfred/Paech, Niko: All you need is less. München 2020

[6] vgl. Paech, Niko: „Wachstumskritik und unternehmerische Nachhaltigkeit“. In: Keck, Wolfgang (Hg.): CSR und Kleinstunternehmen. Berlin 2017, S. 287–302