Klimawandel und Corona
Es ist ein Irrtum, die Pandemie als hilfreich im Kampf gegen die globale Erwärmung und den menschengemachten Klimawandel zu betrachten. Einen solchen „Kollateralnutzen“ gibt es nicht.
© sergei_fish13 - stock.adobe.com

Klima, Corona ... Alles Krise oder was?

2020 hat Corona unser Leben verändert und bestimmt. Von den ersten Meldungen in den Medien bis zum ersten Lockdown sind nur wenige Wochen vergangen. Homeschooling, Homeoffice, Kurzarbeit, Besuchsverbot von lieben Menschen in Spitälern oder Heimen prägten den Rest des Jahres.

Wer schafft Normen? Teils von der Regierung beauftragt, teils auf eigene Initiative werden Normen von verschiedenen privatrechtlich organisierten Instituten geschaffen: von der Raumgröße der Kindergärten, der Festlegung der erforderlichen Freifläche bis zur Normierung der Spielgeräte. Für Sportplätze gibt es ebenso Normen über die Größe, Ausstattung, Beschaffenheit etc., manchmal länderweise unterschiedlich, was zur Bestrebung führt, diese bundesweit und vielleicht im nächsten Schritt europaweit zu vereinheitlichen.

Viele Menschen waren direkt von den Folgen der Pandemie betroffen: Einige erkrankten, zu viele starben, andere verloren ihren Job und müssen um ihre Existenz bangen. Ich kenne niemanden, der unberührt von Corona durch das Jahr gekommen ist. Die Krise verdrängte vieles andere in diesem Jahr oder ließ es weniger wichtig erscheinen. Doch bereits am Ende des Jahres stand durch fokussierte Anstrengungen ein wirksamer Impfstoff gegen Covid-19 in Aussicht. Es war eine Meisterleistung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, in so kurzer Zeit eine Lösung für ein bisher unbekanntes Problem zu finden und zu entwickeln. 

Wie phänomenal wäre es, wenn wir auf alle Krisen so rasch eine geeignete Antwort finden würden. Ich denke da gerade an die Klimakrise, die uns durch die menschengemachte Erderwärmung zunehmend in Bedrängnis bringt. Hier liegen die Fakten seit einem halben Jahrhundert auf dem Tisch. Wir wissen, warum es wärmer wird, und wir wissen ebenso gut, was wir tun müssten, um die Erwärmung einzubremsen. Wir wissen auch, dass wir nicht mehr viel Zeit haben, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, damit aus der Klimakrise keine Klima-Katastrophe wird. 

Warum handeln wir hier noch nicht entsprechend? 

Coronakrise statt Klimawandel?

Des Öfteren musste ich im Jahr 2020, wenn ich über den Klimawandel gesprochen habe, hören, dass wir jetzt wohl andere Sorgen, dass wir gerade ein größeres Problem hätten. 

Ich bin überzeugt, dass der Klimawandel die größere, ja sogar die größte Bedrohung für unsere Umwelt, für uns Menschen, für die ganze Erde in diesem Jahrhundert ist. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass wir Menschen durchaus fähig sind, mehrere Probleme gleichzeitig zu bewältigen, oft müssen wir das sogar. Manche Leserinnen und Leser werden ähnliche Erfahrungen schon gemacht haben, wenn es während einer privat sehr schwierigen Phase auch im Job zu Problemen kommt. In diesem Fall werden Sie Ihrem Chef schwer sagen können: „Tut mir leid, aber erst muss ich meine Ehe retten.“ Sie werden versuchen müssen, in beiden Bereichen wieder in eine für Sie günstige Konstellation zu gelangen. 

„Ich bin überzeugt, dass der Klimawandel die größere, ja sogar die größte Bedrohung für unsere Umwelt, für uns Menschen, für die ganze Erde in diesem Jahrhundert ist.“

Marcus Wadsak

Auch die Klimakrise war nicht so nett zu uns, eine kurze Pause einzulegen, bis wir die Sache mit Corona wieder im Griff haben. Im Gegenteil: 2020 war nicht nur das Jahr, das uns Corona brachte. Es war auch – zusammen mit 2016 – weltweit das wärmste Jahr, seit wir Temperaturen messen. Auch in Österreich war es ein weiteres überdurchschnittlich warmes Jahr, das zwanzigste in Serie. Und die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre hat einen weiteren Rekordwert erreicht und war just im Corona-Jahr so hoch wie noch nie seit einer Million Jahren. 

Höchstwerte von Treibhausgasen trotz pandemiebedingtem Verkehrsrückgang

Viele haben mich gefragt, wie das geht. Da waren doch kaum Flugzeuge am Himmel, wir konnten nicht verreisen, viele sind auch nicht mehr zur Arbeit gefahren – wir haben also so viel bleiben lassen und trotzdem verzeichnen wir neue Höchstwerte von Treibhausgasen in unserer Luft?

Selbstverständlich haben die Einschränkungen aufgrund der Pandemie messbare Spuren hinterlassen, allerdings werden diese von den meisten Menschen dramatisch überschätzt. Im ersten Lockdown, der global und gleichzeitig in Kraft trat, sind die CO₂-Emissionen um 16 Prozent gesunken, und selbst diese geringe Reduktion war nur von kurzer Dauer. Was bedeuten diese 16 Prozent weniger an Emissionen?

Dazu müssen wir uns einmal klarmachen, dass wir Menschen global täglich 100 Millionen Tonnen CO₂ in die Atmosphäre pusten – eine gigantische Menge. Im ersten globalen Lockdown waren es dementsprechend nicht 100 Millionen Tonnen täglich, sondern „nur“ 84 Millionen Tonnen, die wir tagtäglich zusätzlich in die Atmosphäre eingebracht haben. Und sehr rasch ging es gleich danach wieder zurück zum alten Normal und damit neuerlich zu Höchstwerten der CO₂-Konzentration in unserer Atmosphäre. Das CO₂, das wir im Laufe der vergangenen 200 Jahre schon ausgestoßen haben, ist nämlich noch immer vorhanden, da es sehr viel länger in der Atmosphäre verweilt. Ein Drittel davon bleibt uns sogar mehr als 1.000 Jahre lang erhalten. 

Wir sehen hier sehr klar, dass es ein Irrtum ist, die Pandemie als hilfreich im Kampf gegen die globale Erwärmung und den menschengemachten Klimawandel zu betrachten. Einen solchen „Kollateralnutzen“ gibt es nicht. Es wird also nicht genügen, in Zukunft von vielen Dingen einfach weniger zu machen. Wir müssen sie anders machen. Wir müssen unsere Gewohnheiten ändern, hin zu einer besseren Zukunft.

Im Pariser Klimaschutzabkommen haben wir uns das Ziel gesteckt, unser Klima zu stabilisieren und die Erwärmung deutlich unter zwei Grad einzubremsen. 180 Länder der Erde haben es bereits ratifiziert. Erreichen können wir es nur gemeinsam. Es ist daher ein bedeutsamer Schritt, dass der neue Präsident der USA an seinem ersten Tag im Amt diesem Abkommen wieder beigetreten ist. 

Das ist nicht nur ein starkes Signal: Die USA haben angekündigt, die Emissionen von Treibhausgasen bis zum Ende dieses Jahrzehnts zu halbieren. Ähnliche Vorhaben gibt es auch in anderen Teilen der Welt, sogar in China. Und auch die EU hat konkrete Pläne, wie Europa die globale Erwärmung abbremsen will. Auch Österreich musste wie alle anderen Länder seinen  nationalen Energie- und Klimaplan an die EU übermitteln. In diesem Plan ist festgeschrieben, mit welchen Maßnahmen und Änderungen Österreich seine Treibhausgas-Emissionen reduzieren will. 

All das ist wichtig, all das ist richtig! Wir können den menschengemachten Klimawandel nur lösen, wenn wir alle, rund um den Globus, mitmachen. Dazu müssen wir nun sehr dringend vom Wissen um die Probleme der globalen Erwärmung ins Handeln kommen, denn viel Zeit bleibt uns nicht mehr: Bekanntlich sind wir die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels spürt, und gleichzeitig die letzte, die noch etwas dagegen tun kann.

Die Emissionstreiber

Wir können daher nicht darauf warten, bis andere in Bewegung kommen. Wir müssen sofort beginnen, und am besten geht das bei uns selbst. 

Wir müssen unsere Treibhausgas-Emissionen reduzieren. Im Wesentlichen sind es drei Sektoren, die für den Großteil der Emissionen verantwortlich sind: 

  • Der erste Bereich, die erste große Quelle für Treibhausgase ist die Gewinnung von Energie. Weltweit ist dieser Bereich für mehr als 40 Prozent aller CO₂-Emissionen verantwortlich. Hier sind wir in Österreich recht gut unterwegs. Die letzten Kohlekraftwerke sind geschlossen und wir können durch die günstigen Bedingungen in unserem Land sehr viel Energie aus Wasserkraft gewinnen. Es braucht aber auch einen weiteren Ausbau von Sonnen- und Windenergie. Das Burgenland zeigt schon seit einigen Jahren, dass es mit Sonne, Wind und Wasser mehr Energie erzeugen kann, als verbraucht wird. Das Burgenland ist so gesehen stromautark. 

     
  • Der zweite Bereich, der unserem Klima so richtig einheizt, ist der Verkehr, und das ist jener Sektor, bei dem wir in Österreich immer noch steigende Emissionen verzeichnen. In Wien etwa kommen 35 Prozent der CO₂-Emissionen aus dem Verkehr. Hier sehe ich in Österreich den dringendsten Handlungsbedarf. Wir müssen unsere Mobilität umdenken und neu gestalten. Wir müssen uns bei jedem Weg, den wir zurücklegen wollen, fragen, ob wir diesen tatsächlich mit dem Auto fahren müssen. Es gibt zahlreiche Alternativen. Viele Wege können Sie vielleicht sogar zu Fuß schaffen, oder mit dem Fahrrad. In den größeren Städten beobachte ich immer öfter auch Lastenfahrräder, mit denen vom großen Einkauf bis hin zu Kindern alles umweltfreundlich transportiert werden kann. Wir sollten, wo auch immer das möglich ist, vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Die beste Form der Elektro-Mobilität ist und bleibt die Bahn. Es ist nicht nur eine umweltfreundliche, sondern auch eine sehr entspannte und komfortable Art zu reisen. Auf 1.000 Personenkilometer gerechnet können Sie beim Umstieg vom Auto auf die Bahn Ihre Treibhausgas-Emissionen um 93 Prozent reduzieren. 

     
  • Die dritte Problemzone, die uns Treibhausgas-Emissionen beschert, ist unsere Ernährung. Wir essen in Österreich zu viel Fleisch. Die Massentierhaltung, vor allem die weltweite Rinderzucht, ist verantwortlich für massiven Ausstoß von Methan, einem viel radikaleren Treibhausgas als CO₂. Es entsteht im Magen der Rinder bei der Verdauung. 

Bei unserer Ernährung sehe ich, genauso wie in unserer Mobilität, gleich zwei Vorteile veränderter Gewohnheiten: Essen wir weniger Fleisch und gehen mehr zu Fuß oder fahren Fahrrad, tun wir nämlich nicht nur etwas für unser Klima, sondern auch für uns und unsere Gesundheit. 

In der Corona-Krise haben wir sehr oft verglichen – oder Vergleiche gehört -, welche Länder einen anderen Weg einschlagen, wo das Krisen-Management besser läuft oder wo es komplett versagt. Wir haben zahlreiche Grafiken präsentiert bekommen, welche Länder mit welchen Maßnahmen besser fahren oder scheitern. Und es war wichtig, von jenen Ländern zu lernen, die besser durch die Krise kommen. 

Genauso sollten wir bei unseren Anstrengungen gegen die globale Erwärmung und den Klimawandel unser Augenmerk nicht auf jene richten, die sich noch wenig anstrengen oder die Dringlichkeit verschlafen, sondern auf jene, die besser unterwegs sind, die die Weichen bereits gestellt und Veränderungen eingeleitet haben. 

Gemeinden als Klimaschutz-Vorreiter

Auch in Österreich gibt es beim Klimaschutz-Vorreiter, die als Beispiele dienen können:  

So haben sich zahlreiche österreichische Gemeinden dem „Klimabündnis“ angeschlossen, das 1990 als Kooperation zwischen europäischen Gemeinden und indigenen Völkern des Amazonasbeckens gegründet wurde. Über 1.800 Gemeinden und Städte in 27 europäischen Ländern sind heute Teil dieses globalen Netzwerks, dessen Mitglieder sich zu einer kontinuierlichen Reduktion ihres CO₂-Ausstoßes verpflichtet haben. 

Regelmäßig werden vorbildliche Projekte mit dem „Climate Star“ prämiert, und stets sind österreichische Gemeinden unter den ausgezeichneten: 2018 beispielsweise Krummnußbaum, das seinen Ortskern neu gestaltete, um dadurch den motorisierten Verkehr zu verringern. Erweiterungsflächen am Ortsrand wurden rückgewidmet, ein neuer zentraler Platz mit einem Gemeindezentrum ist im Entstehen – klimafreundliche Siedlungsentwicklung, wie sie sein soll.

Im nahen Böheimkirchen wurde nicht nur der Ortskern verdichtet, sondern auch ein Bach renaturiert. Dabei wurden sowohl eine Retentionsfläche, die Hochwasserschäden verhindern soll, als auch ein autofreies Erholungsgebiet geschaffen, das die Ortsmitte weiter aufwertet.

2020 wurde das Grazer Projekt einer „Klima-Innovationsstadt“ ausgezeichnet, das einen mit 60 Millionen Euro dotierten Klimaschutzfonds vorsieht, um das Ziel einer Verringerung der Treibhausgas-Emissionen um 5,6 Prozent pro Jahr sicherzustellen.

Tulln an der Donau erhielt den Climate Star für den bundesweit ersten Einsatz einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe, die das Trinkwasser aus der Hauptwasserleitung nützt.

Herzogenburg setzt auf eine breite Mitmach-Bewegung, das Retzer Land auf eine Photovoltaik-Offensive, Villach auf Ressourcenschonung durch Wiederverwertung gebrauchter Gegenstände, die in Re-Use-Boxen und -Säcken gesammelt, repariert und wiederverkauft werden. Das ebenfalls 2020 ausgezeichnete Perchtoldsdorf verwirklicht eine umfassende Dekarbonisierungsstrategie mit dem Ziel, die Gemeinde klimaneutral zu machen. 

Fünf „e“ als Ziel

Eine ähnliche Stoßrichtung wie das Klimabündnis verfolgt das e5-Programm der Energieagentur und des Klima- und Energiefonds: Besonders ambitionierte Gemeinden können hier die ‚eeeee‘-Auszeichnung erhalten. Solche Gemeinden gibt es über ganz Österreich verteilt: etwa Velden am Wörthersee in Kärnten, Grödig in Salzburg, Weiz in der Steiermark, Wörgl in Tirol, Dornbirn in Vorarlberg und viele, viele mehr, auch in anderen Bundesländern. 

Die Aktivitäten in diesen Gemeinden sind sehr unterschiedlich. In Großschönau (Waldviertel/Bezirk Gmünd) lautet das Motto etwa: „Übermorgen selbst versorgen“. Gemeint ist das Ziel, 2030 energieautark zu sein. Die Projekte dazu reichen von einem Biomassekraftwerk über ein Passivhausdorf zum Probewohnen hin bis zu Leih-E-Bikes für Einheimische und Touristen mit einem Ausbau des Radwegenetzes. 

In Mäder in Vorarlberg will man die wirtschaftliche Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und eine klimafreundliche und sichere Energieversorgung erreichen. 

Die Ökogemeinde Kaindorf in der Steiermark hingegen hat sich dem Aufbau von Humus verschrieben. Humus ist eine CO₂-Senke, kann also Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und speichern. An diesem Humusaufbauprogramm nehmen bereits rund 220 Landwirte in ganz Österreich teil und können an die 2.400 Hektar Ackerfläche nachhaltig bewirtschaften. 

All diese Beispiele führen uns Jahr für Jahr vor, dass man weder auf „die da oben“ noch auf „die anderen“ warten muss, um gleichzeitig das Klima zu schützen und die Lebensqualität im eigenen Umfeld zu verbessern. Wir gewinnen also auf mehreren Ebenen: Wir fördern unsere Gesundheit, bewahren die Schönheit unserer Natur und sorgen für eine sichere Zukunft auch für unsere Kinder und Enkelkinder. 

Nehmen wir die innovativen Projekte dieser Gemeinden und Regionen zum Vorbild, lassen wir uns anstecken und inspirieren. So führen wir Österreich im Klimaschutz an die Spitze und werden ein Vorbild für andere.