Vergaberecht
Zur Bewertung der Qualität des Angebots können Punkte vergeben werden. Den Gemeinden bleibt in dieser Hinsicht erhebliche Gestaltungsfreiheit.
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Vergaberecht bietet nachhaltige Wege

Nachhaltigkeit ist in den vergangenen Monaten in die Mitte der öffentlichen Diskussion gerückt, für Österreichs Gemeinden ist sie jedoch bereits seit Langem ein zentrales Thema. Gerade die öffentliche Auftragsvergabe ist ein wichtiges Instrument, um als Gemeinde nachhaltig zu agieren.

Wegen seiner Regelungsdichte wird das Vergaberecht oftmals als heikles Terrain wahrgenommen. Tatsächlich stellt es jedoch vielfältige Optionen für nachhaltige Auftragsvergaben bereit, die – je nach Komplexität und Wert des Auftrags passend – eingesetzt werden können und sollten.

Nachhaltigkeit hat viele Gesichter

Regional & lokal sowie sozial & ökologisch sind Schlagworte, die sinnbildlich für nachhaltige Beschaffung stehen. Nachhaltigkeit kann somit verschiedene Ausprägungsformen haben.

Allgemein gesprochen meint Nachhaltigkeit eine vorausschauende und zukunftsorientierte öffentliche Auftragsvergabe.

Das Bundesvergabegesetz (BVergG) verwendet den Begriff Nachhaltigkeit nicht. Dennoch ist die Bandbreite an Elementen, im Rahmen derer Nachhaltigkeitsüberlegungen einfließen können, enorm: Sie beginnt bei der Leistungsbeschreibung, worin der Auftraggeber – so banal das klingen mag – entscheidet und festlegt, welche Leistung er letztlich erhält.

Bei dieser Entscheidungsfindung und Festlegung bleibt den Gemeinden viel Spielraum, um die Mindestanforderungen, denen die von ihnen gewollte Leistung entsprechen muss, festzulegen.

In diesem Rahmen können Nachhaltigkeitsüberlegungen nicht nur durch Vorgabe einzuhaltender (Umwelt-)Standards der Produkte/Rohstoffe, sondern beispielsweise auch durch Festlegung eines Mindestanteils an regionalen Produkten einbezogen werden.

Nachhaltige Aspekte bei Eignungskriterien

Aber auch bei den Eignungskriterien – den „K.O.-Kriterien“, die sich auf die Qualität der Unternehmer beziehen und die Unternehmer erfüllen müssen, um nicht aus dem Verfahren ausgeschlossen zu werden – können nachhaltige Aspekte berücksichtigt werden.

Dazu bietet es sich etwa an, den Nachweis eines Qualitätsmanagementsystems, Angaben zu Umweltmanagementmaßnahmen, eine Mindestanzahl an Mitarbeitern/Fachkräften des Bieters oder die Verfügbarkeit von bestimmter Ausrüstung zu verlangen. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind allerdings insofern begrenzt, als das BVergG die zulässigen Eignungskriterien abschließend aufzählt. Andere als die dort genannten dürfen nicht gewählt werden.

Viel Spielraum bei Kriterien für die Angebotsbewertung

Deutlich mehr Flexibilität für die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten besteht hingegen bei der Festlegung der Kriterien für die Angebotsbewertung. Es kann entweder das Billigstangebotsprinzip mit dem Preis als einzigem Zuschlagskriterium festgelegt werden oder das Bestangebotsprinzip. Wählt eine Gemeinde das Bestangebotsprinzip, gibt es zwei Möglichkeiten: Es werden neben dem Preis Zuschlagskriterien zur Bewertung der Qualität des Angebots festgelegt oder es wird (neu seit 2018) das beste Angebot anhand eines Kostenmodells ermittelt.

Zur Bewertung der Qualität des Angebots kann als Zuschlagskriterium beispielsweise vorgesehen werden, dass Bieter für die Einhaltung von bestimmten Transportweiten, Lieferfristen oder Reaktionszeiten, die Erfüllung einer bestimmten Abgasnorm der verwendeten Lkw, den Betrieb der eingesetzten Fahrzeuge mit alternativen Antriebsformen, aber auch bei Verwertung von Recyclingmaterial Punkte erhalten.

Den Gemeinden bleibt in dieser Hinsicht erhebliche Gestaltungsfreiheit. Die Gemeinde muss jedoch bei jedem festgelegten Zuschlagskriterium anhand der Angaben der Bieter in der Lage sein, die Erfüllung des Zuschlagskriteriums zu überprüfen.

Baukastensystem

Oftmals bietet es sich an, Zuschlagskriterien zu wählen, die in Zusammenhang mit Mindestanforderungen stehen. Während die Mindestanforderungen den Bietern ein zwingend einzuhaltendes Leistungsniveau vorgeben, kann eine „Übererfüllung“ dieser Mindestanforderungen als Zuschlagskriterium mit Punkten belohnt werden. Aus Sicht der Gemeinden ist darauf zu achten, eine mögliche Nichteinhaltung dieser Angaben während der Vertragsdurchführung vertraglich entsprechend zu sanktionieren.

Nachhaltig bedeutet auch kostengünstig

Neben der bereits etablierten Aufteilung der Zuschlagskriterien in Preis und Qualität stellt die Bewertung anhand eines Kostenmodells eine neue, höchst interessante Alternative zur Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses dar.

Zu diesen Kostenmodellen zählt insbesondere die Berechnung der Lebenszykluskosten. Dabei werden die Gesamtkosten jedes Angebots unter Berücksichtigung unterschiedlicher Elemente (zum Beispiel Anschaffungs-, Nutzungs- und Wartungskosten, Kosten am Ende der Nutzungsdauer und – soweit in Geld messbar – externe Kosten durch Umweltbelastung) bewertet. Das dieserart kostengünstigste Angebot erhält den Zuschlag.

Damit können Gemeinden die gesamten Kosten eines Produkts während seiner Nutzungsdauer bewerten. Dem Problem, dass Bieter „Dumping-Preise“ für die Anschaffung eines Produkts anbieten, jedoch bei Betrachtung der Gesamtkosten teurer als vergleichbare Anbieter sind, kann damit begegnet werden.

Nachhaltigkeit als Impuls des Auftraggebers

Die Initiative zur nachhaltigen Beschaffung muss jedoch nicht alleine von den Gemeinden kommen – das Vergaberecht ermöglicht auch die Einbindung von Know-how und Ideen von Unternehmen. Dazu können Gemeinden etwa vor der Einleitung eines Vergabeverfahrens Markterkundungen durchführen oder bei bestimmten Aufträgen besondere Vergabeverfahren wählen, wie ein Verhandlungsverfahren, einen wettbewerblichen Dialog oder eine Innovationspartnerschaft. 

Auch während eines Vergabeverfahrens gibt es noch Möglichkeiten, Vorschläge von Bietern abzufragen, indem etwa (auch bei offenen Verfahren) die Bieter eingeladen werden, durch die Abgabe von Alternativangeboten andere Lösungen aufzuzeigen.

Pflicht zur Nachhaltigkeit

Gemeinden haben nicht nur die Möglichkeit, Aufträge nachhaltig zu vergeben, sondern bei bestimmten Aufträgen sogar die Pflicht zur Einbeziehung von – wie es das BVergG nennt – „qualitätsbezogenen Aspekten“. Dazu zählen zum Beispiel Kinderbetreuung, Erwachsenenbildung, Pflegedienste, bestimmte Straßenpersonenverkehrsdienste (zum Beispiel Rufbusse, Anrufsammeltaxis), Lebensmittelbeschaffung und Gebäudereinigung.

Allerdings steht es den Gemeinden grundsätzlich frei, ob diese Aspekte in der Leistungsbeschreibung, den technischen Spezifikationen, den Eignungs- oder Zuschlagskriterien oder den Bedingungen für die Auftragsausführung einbezogen werden. Sie müssen jedoch gesondert und deutlich als „qualitätsbezogene Aspekte“ bezeichnet werden.

Vorbereitung der Ausschreibung ist das Um und Auf

Die aufgezeigten Wege sind nicht nur zahlreich, sondern auch unterschiedlich aufwendig. Jede Gemeinde kann im Einzelfall den für sie passenden Weg für die konkrete Auftragsvergabe wählen.

So unterschiedlich die einzelnen Wege sind, entscheidend ist in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitung des Vergabeverfahrens. In diesem Stadium werden die Weichen gestellt, die während des Vergabeverfahrens – wie auch nach Erteilung des Zuschlags – nur eingeschränkt revidiert werden können. Für eine nachhaltige Beschaffung muss daher bereits in diesem Zeitpunkt Vorsorge getroffen werden.

Ergebnis

Das Vergaberecht bietet vielfältige Möglichkeiten für Gemeinden, um die öffentliche Auftragsvergabe nachhaltig zu gestalten, und diese gilt es auszunützen. Dieses breite Spektrum ermöglicht – auch durch Kombination der unterschiedlichen Mittel – den jeweils passenden Weg zu wählen. Die Grenzen sind dabei insbesondere die Vergabegrundsätze (Nichtdiskriminierung, Wettbewerbsgrundsatz), die Sachlichkeit und die Verhältnismäßigkeit. Gerade wenn aufwendigere Vorhaben anstehen, bietet es sich an, Vergabeverfahren in Kooperation mit anderen Gemeinden durchzuführen.

Entscheidend ist stets, den Nachhaltigkeitsüberlegungen noch vor Einleitung des Vergabeverfahrens ausreichend Zeit zu widmen.

Zusammenhang von Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien

(am Beispiel Mittagsverpflegung)

Die (verpflichtende) Mindestanforderung verlangt, dass Speisen frisch zubereitet werden und ausschließlich Frischfleisch sowie zu einem bestimmten Mindestanteil frisches Gemüse verwendet wird.

Als Zuschlagskriterien für die Qualität könnte (in einem sachlichen Rahmen) festgelegt werden, dass eine bestimmte Punkteanzahl vergeben wird, wenn zu einem bestimmten Anteil/ausschließlich

  • Frischfleisch mit AMA-Gütesiegel (oder gleichwertig),
  • Frischfleisch aus biologischer Aufzucht, 
  • regionale oder saisonale Produkte (mit jeweils näherer Definition von Umkreis/
  • Saisonalität) verwendet werden,
  • ein höherer Anteil an frischem Gemüse angeboten wird.

„Nachhaltigkeits-Klaviatur“

Mindestanforderungen in der Leistungsbeschreibung

  • (Umwelt-)Standards, wie sie beispielsweise auf www.nachhaltigebeschaffung.at oder von den Unterstützungseinrichtungen der Länder veröffentlicht werden
  • Verpflichtende Mindestsätze für die Verwendung regionaler Produkte/Rohstoffe

Eignungskriterien

  • Mindestanzahl an Mitarbeitern/Lehrlingen/Fachkräften
  • Verfügbarkeit von Ausstattung/bestimmten Geräten
  • Vorgaben an Qualitätsmanagement (z. B. ÖNORM EN ISO 9001 oder gleichwertig)
  • Angaben zu Umweltmanagementmaßnahmen
  • Prüfberichte/Zertifikate für Produkte

Zuschlagsprinzip

  • Zuschlagskriterien für die Bewertung der Qualität des Angebots, wie bestimmte Transportweiten, Lieferfristen oder Reaktionszeiten, Verwertung von Recyclingmaterial 
  • Verwendung eines Kostenmodells zur Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses (z. B. Berechnung der Lebenszykluskosten)

Einbeziehung von Bietern

  • Vorherige Markterkundung
  • Besondere Verfahrensarten: Verhandlungsverfahren, wettbewerblicher Dialog, 
  • Innovationspartnerschaft
  • Zulassung von Alternativangeboten