
Christoph Leitl: „Die Beibehaltung der erhöhten Schwellenwerte, welche eine Direktvergabe bis 100.000 Euro ermöglichen, ist sehr wichtig.“
„Gemeinden können sich selber Spielräume für Investitionen schaffen“
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl wird gemeinsam mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer den 62. Österreichischen Gemeindetag eröffnen. KOMMUNAL sprach mit ihm über die enge Verflechtung von Wirtschaft und Gemeinden.
Welche Bedeutung hat die Kommunalmesse für Österreichs Wirtschaft?
Christoph Leitl: Die Kommunalmesse ist Treffpunkt und Plattform für Gemeinden und Wirtschaft. Fachmessen wir diese geben unseren Betrieben die Gelegenheit, ihre Leistungen und Angebote vor kompetentem Publikum zu präsentieren.
Wie wichtig sind die Gemeinden insbesondere für die regionale Wirtschaft?
Die Gemeinden sind in wirtschaftlicher Hinsicht wichtige Impulsgeber vor allem für die örtliche Wirtschaft. In der Hand der Gemeinden liegt die Entscheidung über die Mehrheit aller öffentlichen Investitionen. Daher ist eine Kooperation zwischen den ortsansässigen Betrieben und Kommunen unerlässlich. Dafür ist die Beibehaltung der erhöhten Schwellenwerte, welche eine Direktvergabe bis 100.000 Euro ermöglichen, sehr wichtig. Insgesamt gilt: Bei Aufträgen und den damit verbundenen Beschäftigungseffekten kommt den Gemeinden große Verantwortung zu.
Die Gemeinden sind die einzige Gebietskörperschaft, die trotz Einsparungen Schulden abgebaut hat. Die Schuldenstände von Bund und Ländern hingegen haben sich erhöht. Ihre Stellungnahme zum Finanzmanagement der öffentlichen Hand?
In den letzten Jahren hat es bei den öffentlichen Finanzen durchaus Schritte in die richtige Richtung gegeben, jedoch immer wieder mit Unsicherheiten behaftet. Die Konsolidierungspakete des Bundes und die Adaptierung des Österreichischen Stabilitätspaktes 2012 haben Wirkung gezeigt. Der Preis dafür ist aber die gestiegene Steuer- und Abgabenlast durch einnahmeseitige Maßnahmen, welche sich ungünstig auf den Wirtschaftsstandort Österreich auswirken. Zudem trägt die Wirtschaft den Großteil der Gegenfinanzierung der kommenden Steuerreform.
Schauen wir auf die andere Seite: Die ausgabenseitigen Maßnahmen lassen leider ein gesamtheitliches Konzept vermissen. Sie beschränken sich auf punktuelle Verbesserungen. Aus meiner Sicht ist daher etwa eine umfassende Staats- und Verwaltungsreform unumgänglich. Die bereits gestarteten Finanzausgleichsverhandlungen können dafür eine optimale Voraussetzung bieten, die es zu nutzen gilt.
Wermutstropfen bei der Geschichte ist, dass es aufgrund des Spardrucks einen gewissen Investitionsrückstau gibt. Sehen Sie die Rolle der Gemeinden als größter öffentlicher Investor durch „zu viel Sparen“ gefährdet?
Einerseits lag sowohl die öffentliche Sparquote als auch die Quote der freien Finanzmittel - also das Geld, das nach laufenden Ausgaben sowie Ausgaben für Schuldentilgung für Investitionen übrig bleibt - 2013 nahe jenen Werten aus den Vorkrisen-Jahren. Andererseits bedeutet das aber auch einen realen Rückgang von rund 12 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel für Investitionen verglichen mit 2007. Die finanzielle Lage der Gemeinden bleibt daher weiterhin angespannt.
Die Gemeinden können sich selber zusätzliche Spielräume für Investitionen schaffen, etwa mit einer verbesserten regionalen Standortpolitik und verstärkten Gemeindekooperationen in der Daseinsvorsorge, die zusätzliche steuerliche Einnahmen bringt. Auch, wer Synergieeffekte sucht, punktet, wie einige erfolgreiche Beispiele zeigen. Denn Einzelkämpfer haben im Standortwettbewerb zumeist schlechtere Karten. Regionale Standortpolitikstrategien in Zusammenarbeit mit der regional ansässigen Wirtschaft sind daher sinnvoll.
Die gerade anlaufenden Finanzausgleichsverhandlungen bieten den Gemeinden auch Chancen auf mehr Investitionsspielraum. Hier besteht die Möglichkeit, die Mittelverteilung zwischen den Gebietskörperschaften durch eine grundlegende Reform des Finanzausgleichs effizienter zu gestalten und die so eingesparten finanziellen Mittel für zusätzliche Investitionen zu nutzen.
Aus meiner Sicht muss eine bessere Zusammenführung der Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung auf jeder Ebene des Staates erreicht werden.
Welche Maßnahmen sollte eine Gemeinde ergreifen, um sich als Investitionsstandort optimal zu positionieren?
Klein- und Mittelbetriebe sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Ohne KMU gibt es auch kein funktionierendes Leben in der Region und in den Gemeinden. Daher muss alles daran gesetzt werden, für die heimischen Arbeitgeber ein wirtschaftsfreundliches Umfeld zu schaffen. Dazu zählen Strukturreformen und Bürokratieabbau und auf der anderen Seite Infrastrukturausbau und geeignete Industrie- und Gewerbestandorte.
Was halten Sie von der geplanten Registrierkassenpflicht?
Grundsätzlich stört mich der dadurch in den Raum gestellte Generalverdacht gegenüber den Unternehmen. Berechtigte Forderungen der WKÖ wie eine höhere Umsatzgrenze für die Registrierkassenpflicht sowie die Beibehaltung der „Kalten Hände –Regelung“ ohne Umsatzgrenze wurden leider nicht berücksichtigt.
Bei den noch ausstehenden Verordnungen zur Umsetzung der Registrierkassenpflicht gibt es noch Probleme hinsichtlich der Praxistauglichkeit. Dies führt zu neuen Belastungen in Form von Anschaffungs-, Implementierungs- und laufenden Verwaltungskosten. Besonders Kleinstunternehmen werden die Lasten überproportional spüren.
Warum nutzt die Wirtschaftskammer ihre Einflussmöglichkeiten nicht, um einen leistungsstarken Breitbandanschluss für den ländlichen Raum zu ermöglichen?
Der Ausbau und die Bereitstellung einer leistungsfähigen Breitbandversorgung sind auch für die WK wesentliche Aspekte zur Standortsicherung und Standortattraktivität auch im ländlichen Raum. Dabei sind „Insellösungen“ beim Breitbandausbau möglichst zu vermeiden, d. h. solch ein Ausbau muss in Hinblick auf die technischen Erfordernisse für die am Markt agierenden IKT-Infrastrukturunternehmen und in enger Abstimmung mit diesen erfolgen.
Immer öfter hört man, dass auch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Unternehmensstandorte in urbane Gebiete verlegt werden. Fürchten Sie nicht, dass „aus Gründen der Wirtschaftlichkeit“ der ländliche Raum immer mehr zurück gedrängt wird.
Damit dies nicht passiert, braucht es ein aktives Entgegenwirken der Politik, damit ein unternehmer- und wirtschaftsfreundliches Klima im ländlichen Raum aufgebaut und erhalten wird. Dazu braucht es klare Statements wie Infrastrukturausbau, Stichwort Breitbandoffensive. Dazu braucht es genügend hochqualifizierte Mitarbeiter und eine gute Erreichbarkeit.
Ich glaube aber, kein Unternehmer siedelt gern aus seiner Heimatregion ab, wenn es die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht zwingend erfordern.
Finanzminister Schelling hat im Interview mit KOMMUNAL bekräftigt, dass die Umsatzsteuerpflicht bei Gemeindekooperationen „enorm hinderlich für Kooperationen ist“ und würde sogar ein „Verfahren riskieren, weil dann Bewegung in die Sache kommt“. Ihre Meinung zu diesem Thema?
In erster Linie ist das ein europarechtliches Problem. Ich sehe es auch als problematisch, wenn sinnvolle Kooperationen behindert werden. Natürlich soll es durch eine Nichtbesteuerung aber auch zu keinen Wettbewerbsverzerrungen gegenüber den Unternehmen kommen.
Letzte Frage: Wenn Sie für den österreichischen Staat eine Aufgaben- und Kompetenzreform durchführen müssten, wie würde die aussehen? Welche Aufgaben mit welchen Kompetenzen würden sie beim Bund sehen, welche bei den Ländern und welche bei den Gemeinden?
Die derzeitige Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern ist gekennzeichnet durch Kompetenzzersplitterungen, Teilzuständigkeiten von Bund und Ländern und einer Vielfalt von Rechtsquellen – diese Unübersichtlichkeiten sollten beseitigt werden.
Die europäische Ebene kommt da mitunter noch verschärfend dazu, weil europäische Politikansätze oft umfassende Lösungen bieten wollen. So entstehen Querschnittsmaterien, deren nationale Umsetzung häufig sowohl den Bund als auch allen neun Bundesländer betrifft.
Ohne einer umfassenden Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen vorzugreifen: Wir brauchen vordringlich einmal dort Vereinfachungen, wo es besonders dringend ist. Nehmen Sie zum Beispiel die Baubranche: Im Baurecht und Bautechnikrecht ist die gegenwärtige Situation mit neun zum Teil ganz unterschiedlichen Bauordnungen wettbewerbsfeindlich und kostentreibend. Bundesweit tätigen Unternehmen bereiten die länderweise unterschiedlichen Regelungen sehr viel Aufwand und sind teilweise nicht nachvollziehbar. Wir fordern daher eine Bundeskompetenz für die Gesetzgebung und Vollziehung insbesondere in den Bereichen anlagenbezogenes Baurecht, Bautechnikrecht sowie Baustoffzulassung. Außerdem sollten Fragen des Umweltschutzes, insbesondere Umweltverträglichkeitsprüfungen, Abfallwirtschaft und Lärmschutz, sowie das Energiewesen als Bundeskompetenz geregelt werden. Soweit es um regionalspezifische Besonderheiten geht, sollte aber weiterhin die Landeskompetenz bestehen.