Verkehr
Carsharing - Eine Möglichkeit der nachhaltigen Mobilität für den ländlichen Raum?
Mobilität ist autolastig. Motorisierungsrate und Hauptverkehrsmittel geben Aufschluss darüber, dass das Auto vielerorts das Verkehrsmittel Nummer Eins ist. Nachfolgend betrachten wir Österreich im Vergleich mit den EU-Mitgliedstaaten. Österreich liegt dabei sowohl bei der Motorisierungsrate, als auch bei der privaten PKW-Nutzung im Mittelfeld der betrachteten Staaten, bei gleichzeitig hoher Nutzung von Zug und Stadtbahn.
Die Motorisierungsrate beschreibt, wie viele PKW pro 1000 Einwohner:innen in einem Land registriert sind. Österreich liegt mit einer Motorisierungsrate von 562 PKW/1000 Einwohner:innen (2018) knapp hinter Deutschland mit 574 PKW/1000 Einwohner:innen (2019) und damit leicht über dem EU-Durchschnitt von 540. Spitzenreiter ist Luxemburg mit einer Motorisierungsrate von 681, gefolgt von Italien (663) und Zypern (645). Die niedrigsten Motorisierungsraten innerhalb der EU haben Ungarn (390), Lettland (381) und Rumänien (357). [1]
In Österreich ist das private Auto das meistgenutzte Verkehrsmittel (als Fahrer:in oder Beifaher:in) – 64% der täglich in der Stadt zurückgelten Reisedistanz werden mit diesem Verkehrsmittel zurückgelegt. Österreich liegt damit bei der privaten PKW-Nutzung in der Stadt im unteren Mittelfeld, wobei bei den untersuchten Staaten Rumänien mit 57% am unteren und Slowenien mit 81% am oberen Ende liegen. [2]
Im Durchschnitt wird ein PKW dabei von 1,2 Personen (Italien, Deutschland, Polen, Kroatien, Portugal, Slowenien) bis 1,9 Personen (Rumänien) genutzt. Österreich liegt mit durchschnittlich 1,3 Personen pro PKW im Mittelfeld. [3]
13 Prozent der zurückgelegten Distanz in der Stadt werden in Österreich mit der Stadtbahn, 9 Prozent mit dem Zug, 4 Prozent mit dem Bus, 4 Prozent zu Fuß und 3 Prozent mit dem Fahrrad zurückgelegt.
Bei der Nutzung von Stadtbahn und Zug liegt Österreich somit an der Spitze der untersuchten Staaten. Spitzenreiter bei der Busnutzung ist Rumänien mit 28 Prozent. Zu Fuß werden dort ebenfalls ganze 7 Prozent der Distanz in der Stadt zurückgelegt. Bei der Fahrradnutzung hingegen liegen die Niederlande mit 16 Prozent klar vorne. [4]
In allen betrachteten EU-Mitgliedstaaten wird für mehr als die Hälfte der in der Stadt zurückgelegten Distanzen das private Auto verwendet. Bus, Bahn, Fahrrad oder zu Fuß, das meistgenutzte alternative Verkehrsmittel variiert je nach Land. Neben alternativen Verkehrsmitteln sind auch alternative Nutzungsformen (privater) PKW nicht zu vernachlässigen.
Alternativen zur privaten Fahrzeugnutzung
Steigende Treibstoffkosten, begrenzte Erdölvorkommen, zunehmende Klimaveränderungen, Verkehrsbehinderungen und Unfälle - die Liste der Gründe das private Auto als Verkehrsmittel in Frage zu stellen ließe sich noch weiter fortsetzen.
Nachhaltigere Alternativen zur privaten Autonutzung lassen sich in die Bereiche Mobilitätsdienstleistungen und mobilen Dienste unterteilen. Mobilitätsdienstleistungen wie beispielsweise öffentliche Verkehrsmittel, Anruf-Sammel-Taxis, Leih-E-bikes und Carsharing bringen Menschen zu Produkten oder Diensten. Mobile Dienstleistungen wie beispielsweise rollende Supermärkte, Fahrbibliotheken oder mobile Bürgerbüros hingegen bringen Produkte oder Dienste zu den Menschen. [5]
Bei den Mobilitätsdienstleistungen lassen sich zahlreiche Ansätze finden wie Fahrzeuge geteilt werden können. Von flexiblen Bedienformen wie Ruf-Bussen, über die Mitnutzung von Fahrzeugen aus Verwaltung, Vereinen oder Betrieben, Kurzzeitmiete von Fahrzeugen wie Carsharing bis zu regelmäßigen Fahrgemeinschaften und spontanen Mitfahrgelegenheiten, die Palette an Möglichkeiten Fahrzeuge zu teilen und besser auszulasten ist groß. Für Menschen auf dem Land sind solche Ansätze wichtig, um Standorte des öffentlichen Verkehrs zu erreichen, unabhängig vom öffentlichen Verkehr zu Schwachlastzeiten (z. B. frühmorgens, nachts) mobil oder zu Pendelzeiten gemeinsam mobil zu sein. [6]
Carsharing bietet dabei ein flexibles Angebot an Fahrzeugen, ohne selbst ein solches besitzen zu müssen. Mitglieder einer kommerziellen oder kommunalen Carsharing-Organisation können beim stationsgebundenen Carsharing Fahrzeuge im Rahmen einer Kurzmiete an bestimmten Standorten abholen und zurückgeben.
Beim sogenannten stationsungebundenen oder „free-floating“-Carsharing hingegen können Fahrzeuge im Geschäftsgebiet der Carsharing-Organisation flexibel aufgenommen und abgestellt werden. Weiterhin gibt es mit dem peer-to-peer-Carsharing auch eine Variante bei der private Autos über eine Internetplattform oder nachbarschaftlich geteilt werden. [7]
Die Integration von Elektrofahrzeugen in Carsharing-Flotten ist neben den Umweltvorteilen auch wegen der schnelleren Amortisation der Anschaffungskosten durch die häufigere Nutzung interessant. [8]
Carsharing auf dem Land
Carsharing wird immer häufiger genutzt. Auch außerhalb großer Städte ist es auf dem Vormarsch. Verstreute Siedlungsstrukturen, Rückgang der Nahversorgung und mangelhaftes Angebot an öffentlichem Nahverkehr stellen für die Mobilität auf dem Land vielerorts ganz andere strukturelle Rahmenbedingungen.
Dabei kann Carsharing auch im ländlichen Raum zu einer nachhaltigeren Mobilität beitragen. Hier sind insbesondere ein verändertes Mobilitätsverhalten (gezieltere Nutzung des Autos in Kombination mit anderen Mobilitäts-Alternativen), Verringerung des PKW-Bestands (Aufgabe von Zweitwagen), Effizienzsteigerung im PKW-Verkehr (höherer Besetzungsgrad und höhere Auslastungszeit der Fahrzeuge) sowie raschere Verbreitung ökoeffizienter Fahrzeuge zu nennen. [9]
Auch E-Fahrzeuges sind für Carsharing im ländlichen Raum geeignet und können zur Attraktivität der Angebote beitragen. Durch die geteilte Nutzung wird E-Mobilität leistbarer und damit für mehr Menschen zugänglich. [10]
In Österreich gibt es derzeit über 115 aktive Carsharing-Angebote in 281 Gemeinden [11]. In den österreichischen Regionen besteht viel Potential für Carsharing. Die Verfügbarkeit von Buchungsplattformen und elektronischen Schließsystemen hat dabei zu einem Anstieg nicht-kommerzieller sowie kommunaler Carsharing-Angebote geführt. Diese werden zumeist von lokalen Vereinen betrieben und nutzen häufig E-Fahrzeuge. [12] Insbesondere das E-Carsharing entwickelt sich im ländlichen Raum. Österreichweit waren bereits 2018 über 470 batterie-elektrische PKW im Carsharing unterwegs. [13]
Zum Vergleich
In Deutschland gab es Anfang 2022 insgesamt 243 Carsharing-Anbieter, die an 935 Orten 30.200 Autos zum Teilen zur Verfügung stellen. Dabei ist Carsharing in 552 Orten mit weniger als 20.000 Einwohner:innen auch außerhalb der Großstädte vertreten.
Während 99 Prozent der Großstädte (über 100.000 Einwohner:innen) über Carsharing-Angebote verfügen, sind dies bei den Gemeinden zwischen 50.000 und 99.999 Einwohner:innen 74 Prozent, zwischen 20.000 und 49.999 Einwohner:innen 49 Prozent und bei Gemeinden unter 20.000 Einwohner:innen immerhin noch 5 Prozent. [14]
In Deutschland beträgt der Anteil der Haushalte mit Carsharing-Mitgliedschaft insgesamt 5 Prozent, in Metropolen 14 Prozent und im kleinstädtischen, dörflichen Raum ein Prozent.
Von den Haushalten ohne Auto-Besitz verfügten bundesweit 10 Prozent über eine Carsharing-Mitgliedschaft. [15] Der Anteil von batterieelektrischen Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden ist dabei mit einem Anteil von 23 Prozent der deutschen Carsharing-Flotte deutlich höher als der Anteil von 2 PRozent solcher Fahrzeuge in der nationalen PKW-Flotte. [16]
Umsetzung Carsharing im ländlichen Raum
Während für kommerzielle Anbieter die Einwohner:innenzahl und damit die Zahl potentieller Nachfrager:innen entscheidend für die Rentabilität des Carsharing-Angebots ist, können private oder kommunale Modelle oftmals auch bei geringerer Einwohner:innenzahl zumindest kostendeckend umgesetzt werden.
Eine kompakte Siedlungsstruktur ist ebenfalls nicht zwingend notwendig, um Carsharing umzusetzen, eine Kombination von beispielsweise Anrufsammeltaxi und Carsharing kann auch in zersiedelten Gemeinden Mobilität ermöglichen. Online-Plattformen erleichtern dabei die Organisation.
Wichtig für die Umsetzung von Carsharing in den Gemeinden ist dabei auch die Einbindung der Einwohner:innen. Bei kommunaler Bereitstellung kommen Finanzierung, Technik (Fahrzeugwahl, Zugangs-, Buchungs- und Abrechnungssystem) und Organisation (Rechtsformwahl, Werbung, Kooperation mit öffentlichem Verkehr, lokalen Betrieben, Tourismusverbänden, Vereinen u.ä.) hinzu. [17]
Reduktion der Fahrzeugnutzung in Kombination mit weiteren Mobilitätsangeboten, Reduktion des Fahrzeugbestands wie bspw. Zweitwagen, höherer Besetzungsgrad und höhere Auslastungszeit der Fahrzeuge, sowie raschere Verbreitung ökoeffizienter Fahrzeuge - Carsharing ist, insbesondere in Verbindung mit weiteren Mobilitätsangeboten, auch im ländlichen Raum ein Baustein für nachhaltigere Mobilität. Beim Auf- und Ausbau von Carsharing-Angeboten und deren Verknüpfung mit weiteren Mobilitätsangeboten auf dem Land besteht noch viel Potential.
[1] Eurostat 2021a.
[2] Eurostat 2021b, Travel mode.
[3] Eurostat 2021b, Passenger car occupancy.
[4] Eurostat 2021b, Travel mode.
[5] Ahrend und Herget (2012), S.2, 27-29.
[6] Ahrend und Herget (2012), S. 49-50.
[7] BMVI (2018), S.10., Umweltbundesamt (2022), VCÖ (2018).
[8] Hülsmann et al. (2018).
[9] Perschl und Posch (2016).
[10] Perschl und Posch (2016).
[11] Mobil am Land (2022).
[12] VCÖ (2018), S.30.
[13] AustriaTech (2018).
[14] BCS (2022).
[15] BMVI (2018), S. 37-38.
[16] BCS (2022).
[17] Perschl und Posch (2016).
Literatur
Ahrend, Christine und Herget, Melanie (2012): Umwelt- und familienfreundliche Mobilität im ländlichen Raum. Handbuch für nachhaltige Regionalentwicklung. Technische Universität Berlin.
AustriaTech (2018): Elektromobilität in Österreich 2017/18 Highlights. AustriaTech Gesellschaft des Bundes für technologiepolitische Maßnahmen GmbH, Wien.
BCS (2022): Aktuelle Zahlen und Fakten zum CarSharing in Deutschland. Bundesverband Carsharing, Berlin (Zugriff am 21.06.2022).
BMVI (2018): Mobilität in Deutschland 2017. Ergebnisbericht. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bonn.
Eurostat (2021a): Passenger cars in the EU (Zugriff am 21.06.2022).
Eurostat (2021b): Passenger mobility statistics (Zugriff am 21.06.2022).
Hülsmann, Friederike et al. (2018): share - Wissenschaftliche Begleitforschung zu car2go mit batterieelektrischen und konventionellen Fahrzeugen. Forschung zum free-floating Carsharing. Abschlussbericht. Öko Institut e.V., Freiburg und ISOE, Frankfurt am Main.
Mobil am Land (2022): Carsharing. Mobyome KG, Wien (Zugriff am 21.06.2022).
Perschl, Magdalena und Posch, Alfred (2016): Carsharing - ein Mobilitätsansatz auch für den ländlichen Raum? In: Egger, R. und Posch, A. (Hrsg): Lebensentwürfe im ländlichen Raum. Lernweltforschung 18, Springer Fachmedien, Wiesbaden.
Umweltbundesamt (2022): Car-Sharing. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/mobilitaet/carsharing-nutzen (Zugriff am 21.06.2022).
VCÖ (2018): Sharing und neue Mobilitätsangebote. VCÖ, Wien.